Evomagazin im Interview | 26.07.2011

Colin Goldner zum Great Ape Project


Evomagazin: Grundrechte für Affen, das dürfte bei vielen Menschen auf Widerspruch stoßen. Insbesondere wohl auch bei Religionsvertretern. Wie kann man Menschen begegnen, die sich darauf berufen, dass Gott die Menschen über die Tiere gestellt hätte?

Colin Goldner: Mit derselben Haltung, in der man Menschen begegnet, die Männer für gottgewollt höherwertig halten als Frauen, oder Hellhäutige für wertvoller als Dunkelhäutige. Tatsächlich erklärt der aktuell gültige Weltkatechismus der Katholischen Kirche, federführend herausgegeben im Jahre 1993 durch den seinerzeitigen Kurienkardinal Ratzinger: “Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat”, es sei insofern das "Gewaltverhältnis zwischen Mensch und Tier grundsätzlich unaufhebbar." Macht- und Gewaltverhältnisse sind allerdings keine gottgegebenen Konstanten, vielmehr sind sie, wie die schrittweise Überwindung von Rassismus und Sexismus zeigt, veränderbar. In der Tat würden Grundrechte für Menschenaffen die vorgeblich „gottgewollte Ordnung“ komplett aus den Angeln heben: der Mensch wäre nicht länger „Krone der Schöpfung“. Die Behauptung, durch Aufwertung des Tieres würde der Mensch abgewertet werden, ist gleichwohl Unsinn. Wurde der Mann durch die Gleichstellung der Frau abgewertet?
 
Evomagazin: Um das Great Ape Project ist es ja nach einigen Anfangserfolgen ruhig geworden. Erst die Preisverleihung der Giordano Bruno Stiftung hat das Thema wieder etwas mehr in die Öffentlichkeit gebracht. Gibt es denn schon konkrete Ideen, wie man das Projekt voranbringen kann?

Colin Goldner: In der Tat ist es ziemlich ruhig geworden um das Great Ape Project, das vor 18 Jahren hochambitioniert und engagiert auf den Weg gebracht worden war. Das von Singer und Cavalieri seinerzeit herausgebrachte Buch „Equality Beyond Humanity“ - in der deutschen Ausgabe trug es den Titel: Menschenrechte für die Großen Menschenaffen“ - wurde international zum Bestseller, aus dem im Jahre 1999 auch ein erster greifbarer Erfolg erwuchs: Neuseeland verbot per Gesetz sämtliche Experimente an Menschenaffen. Ein paar Jahre später, 2007, gab es einen weiteren kleinen Erfolg: die Inselgruppe der Balearen als autonome Region Spaniens beschloß, bestimmte Grundrechte für Menschenaffen einzuführen. Eine Forderung des spanischen Parlaments, entsprechende Schritte auf nationaler wie internationaler Ebene einzuleiten, verstaubt allerdings, mithin auf Druck der katholischen Kirche, in einer Schublade der Regierung Zapatero.

Der spanische Abgeordnete Francisco Garrido sagte hierzu: „Für unsere Forderungen werden wir kritisiert wie einst die Suffragetten, als sie das Wahlrecht für Frauen wollten, oder die Gegner der Sklaverei, die das Ende der Leibeigenschaft forderten. Das ist eine Konstante in der Geschichte“. uch anderweitig kam das Projekt praktisch zum Erliegen. Erst mit der Verleihung des Ethikpreises der Giordano Bruno-Stiftung an Paola Cavalieri und Peter Singer Anfang Juni 2011 in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main – in Anerkennung ihres jahrzehntelangen tierrechtlichen Engagements und insbesondere für ihre Initiierung des Great Ape Project - kam wieder Leben in die Sache. Auf Initiative der Giordano Bruno Stiftung und mit ausdrücklicher Unterstützung von Cavalieri und Singer soll das Great Ape Project von da aus weitergeführt werden, wo es vor ein paar Jahren zum Stillstand kam. Ich selbst habe mich bereiterklärt, das Projekt nach Kräften voranzutreiben, das aus meiner Sicht das zentrale Projekt tierethisch motivierten Handelns darstellt: die Dekonstruktion der sakrosankten Grenzziehung zwischen Mensch und Tier. Ganz abgesehen davon, dass eine globale Festschreibung von Grundrechten für die Großen Affen vielleicht deren letzte Überlebenschance als Art darstellt, und selbstredend für jedes einzelne ihrer Individuen ganz reale Befreiung bedeuten würde. Einem Neustart des Projektes dürften heute weitaus größere Chancen beschieden sein, als Anfang der 1990er: alleine schon deshalb, weil tierrechtliches Bewusstsein weltweit sehr viel weiter fortgeschritten ist, als noch vor 20 Jahren; und zum anderen, weil über das Internet ganz neue Möglichkeiten der Vernetzung und damit der Ausübung politischen Drucks bestehen. Das Great Ape Project könnte als Klammer dienen, die gegenwärtig in eine Unzahl kleiner und zudem heillos untereinander zerstrittener Organisationen, Gruppen und Grüppchen der Tierrechts- und Tierbefreiungsszene auf den gemeinsamen Nenner des Antispeziesismus zu vereinen: der Forderung nach Zuerkennung einklagbarer Grundrechte an nicht-menschliche Lebewesen; pragmatischerweise in einem ersten Schritt  an die Großen Menschenaffen, bei denen es sehr viel offensichtlicher ist als bei anderen nicht-menschlichen Tieren, dass sie über personales Bewusstsein verfügen, was ihre Aufnahme in die Gemeinschaft der Gleichen, der bislang nur Angehörige der Spezies Homo sapiens zugehören, zur ethisch verpflichtenden Notwendigkeit macht, will man die Idee von Recht und Gerechtigkeit aufrecht erhalten. Naturwissenschaftlich ist es bekanntlich völlig unhaltbar, überhaupt zwischen Mensch und Menschenaffe zu unterscheiden: die Erbgutunterschiede etwa zwischen Mensch und Schimpanse bewegen sich je nach Meßmethode im minimalen Prozent- oder gar nur im Promillebereich. Grundrechte für Menschenaffen lassen sich, wie das Beispiel Neuseeland gezeigt hat, tatsächlich erkämpfen. Voraussetzung ist ein Bündeln der Kräfte, um entsprechenden politischen Druck entfalten zu können. Ich setze insofern auch auf die Unterstützung der Giordano Bruno-Stiftung, die mit der Zuerkennung des Ethikpreises an Paola Cavalieri und Peter Singer den hohen Stellenwert bekundet hat, den sie Tierrechten als integralem Bestandteil des von ihr vertretenen evolutionären Humanismus zumisst. Die Giordano Bruno-Stiftung verfügt aufgrund ihrer breitgefächerten personellen Aufstellung über große Wirkmacht in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Viele der Beiräte und Fördermitglieder haben bereits ihre Bereitschaft zu aktiver Mithilfe beim Relaunch des Great Ape Project bekundet; mit gbs-Beirat Volker Sommer, einem der weltweit führenden Primatologen, steht dem Projekt zudem ein ausgewiesener Fachmann zur Seite. Ich bin guter Hoffnung, dass wir langfristig etwas für unsere haarigen Verwandten in Bewegung setzen können.