Psychologie | 18.11.2010

Christlicher Glaube aus Sicht der Kognitionswissenschaften

 

Sie glauben, Sie wären rational?

Emotionen stehen im Zentrum des GlaubensWir sind von Natur aus nicht rational, sondern unsere Gehirne haben eingebaute Voreingenommenheiten („bias“). Die Philosophie geht davon aus, dass Menschen durch gute Argumente überzeugt werden und dass sie moralische Entscheidungen auf Grundlage einer Berechnung treffen, die Leid vermeidet und das größere Gut anstrebt. Die Psychologie sieht sich an, wie Menschen im Alltag funktionieren und sie kommt zu dem Ergebnis, dass das so in der Regel nicht funktioniert.

Wir verzerren die Realität auf eine Weise, die uns persönlich nützt. Wir nehmen die Anerkennung für Erfolge entgegen, auch wenn dies unangemessen ist, und wir machen externe Faktoren für unsere Fehler verantwortlich. Wir verändern unsere Wahrnehmung der Geschichte, damit es so aussieht, als wären unsere Fehler einfach zu erwarten gewesen aufgrund der Herausforderungen, denen wir gegenüberstanden. Wir erinnern uns eher an Gelegenheiten, als wir liebenswürdig und clever waren, als rüpelhaft und gemein. Im Durchschnitt erwarten wir zehn Jahre länger zu leben, als wir es im Durchschnitt tun.

Unsere eigennützigen Voreingenommenheiten haben eine positive Funktion. Die dienen der Abwehr von Depressionen, sie machen Hoffnung und sie bringen uns dazu, es stärker zu versuchen. Sie helfen aber auch zu erklären, warum unglaublich egozentrische religiöse Ansichten keinen Alarm auslösen.

Unsere stärkste eingebaute mentale Verzerrung ist der Bestätigungsfehler (confirmation bias). Sobald wir eine vage Vorstellung darüber haben, wie die Dinge funktionieren, suchen wir Informationen, die zu dem Bild passen, das wir bereits haben. Wir bauen uns eine bedeutsame Geschichte zusammen. Beispielsweise könnten Strafverfolger davon ausgehen, dass jemand schuldig ist, und Gegenbelege ignorieren. Politiker suchen nach immer neuen Erklärungen, warum ihr Fünf-Jahresplan gescheitert oder „nicht wirklich“ gescheitert ist. Wir alle wollen eine Geschichte, bei der die Rätsel aufgelöst und am Ende alle losen Enden verknüpft werden.

Voreingenommenheiten gehören zu unserer natürlichen Grundausstattung und die meisten davon finden unterhalb der bewussten Wahrnehmung statt. Dies sollte uns dazu bringen, die eigenen blinden Flecken ausfindig zu machen.