Rezension | 10.02.2009

Charles Darwin - Wer ist das?

 


Kleine Ungenauigkeiten

Leider finden sich einige Ungenauigkeiten in dem Buch. Zum Beispiel werden die verschiedenen Evolutionstheorien der Zeit einfach alle „Evolutionstheorie“ genannt, als wäre es eine einzige. Es wird der Eindruck erweckt, der Unterschied bestehe nur darin, dass Darwin sie bewiesen habe und die anderen Anhänger der „Evolutionstheorie“ nicht. Zwar muss man das Thema für Kinder ab acht Jahren grob vereinfachen, allerdings nur, wenn es sinnvoll und notwendig ist. So heißt es zum Beispiel auch, Theologie wäre dasselbe wie Religionswissenschaft (vgl. S. 19). Das ist sie aber nicht. In der Theologie geht es um die verschiedenartige Auslegung von Unsinn, der grundlos geglaubt wird, während es der Religionswissenschaft um die ernsthafte Erforschung des Phänomens „Religion“ geht.

Vor allem wird unsorgfältig mit dem Begriff „Theorie“ umgegangen. Darunter fällt in dem Buch zum Beispiel auch die „Theorie“ von Kapitän Fitzroy, laut der man die Charakterzüge eines Menschen an seiner Nase ablesen könne (vgl. S. 26). Nun kann man aber nicht die Evolutionstheorie mit einer solchen „Theorie“ begrifflich auf eine Ebene stellen. Man hätte doch auch schreiben können, dass er dies glaubte, oder dass er diese Idee hatte, oder dass es seine Meinung war. Definiert wird „Theorie“ von Hahnemann wie folgt: „Eine Theorie ist eine Idee, wie etwas sein oder gewesen sein könnte. Keine Regel oder bewiesene Tatsache.“ (S. 48). Allerdings könne man eine Theorie auch „beweisen“. Leider unterscheidet sich die Verwendung des Begriffs innerhalb der Wissenschaft ganz erheblich von seiner Verwendung in der Alltagssprache.

Im wissenschaftlichen Diskurs umschreibt der Begriff „Theorie“ den mächtigsten Status, den eine Erklärung überhaupt haben kann. Viel mehr als nur eine Idee. Eine wissenschaftliche Theorie ist ein umfassendes System zur Beschreibung und Erklärung und sie dient dazu, auf Grundlage von exakter Beobachtung, von Experimenten und Logik widerlegbare Vorhersagen über zusammenhängende Erscheinungen zu machen.

Auch wird eine „Art“ so definiert, dass zu verschiedenen Arten gehörende Individuen zusammen keine Jungen bekommen könnten (S. 54). Das können sie aber, zum Beispiel ist ein Maultier das Junge von einem Pferd und von einem Esel. Daher ist die Definition geläufiger, dass Mitglieder unterschiedlicher Arten keine fruchtbaren Nachkommen miteinander zeugen können. Mit anderen Worten: Die Kinder von zwei Arten können selbst keine Kinder bekommen. Auch das kann man Kindern durchaus vermitteln und der höhere Vereinfachungsgrad erscheint hier insofern unnötig.

An mehreren Stellen (z.B. S. 90) heißt es, dass Menschen nicht vom Affen abstammen, sondern dass sie mit ihm einen gemeinsamen Vorfahren haben. Wenn man allerdings bedenkt, dass dieser gemeinsame Vorfahre selbst ein Affe war und dass wir aus biologischer Sicht ebenfalls Affen sind, relativiert sich etwas die Bedeutung dieser Beobachtung. Trotzdem ist es natürlich korrekt, dass wir von keiner heute lebenden Affenart abstammen, außer von unserer eigenen.

Auch nicht ganz zutreffend ist folgende Aussage: „1925 wurde in Tennesse ein Lehrer vor Gericht gestellt, weil er die Evolutionstheorie gelehrt hatte!“ Gemeint ist der berühmte „Affenprozess“ oder „Scopes-Prozess“, nach dem Namen des Lehrers. Allerdings war es durchaus legal in Tennesse, die Evolutionstheorie zu lehren. Man durfte nur nicht behaupten, dass sie auch für den Menschen gilt. Und das hat Scopes getan.