Religionsforschung | 10.02.2010

Beten und Vergeben

Lambert 2009: "Vergebung im Verhältnis zu "Beten für einen Freund", "ungerichtetes Beten" und "gute Gedanken über einen Freund"

Für eine neue Studie wurden 67 christliche Studenten in Florida gebeten, entweder für einen Freund zu beten (links im Graphen), ein allgemeines Gebet zu sprechen (Mitte) oder etwas Positives über einen Freund zu denken (rechts). Dies mussten sie jeden Tag vier Wochen lang tun.

 

Die Forscher haben nun den Grad der Vergebung gemessen, den die Versuchspersonen ihrem Freund gegenüber empfanden. Wie der Graph zeigt, war die Vergebung in der „Bete für einen Freund“-Gruppe am größten.

Warum ist das so? Die Urheber der Studie vermuten, dass Beten das Gefühl für Selbstlosigkeit erhöht, aber ihre Belege dafür sind tendenziös und es gibt eine wahrscheinlichere Erklärung: Gehirnscans legen nämlich nahe, dass Beten so ist wie das Sprechen mit einem Freund. Also neigt man eher dazu, jemandem zu vergeben, wenn man mit einer Vertrauensperson über einen Dritten redet.

Von christlichen US-Studenten aus Florida kann man (angesichts der örtlichen Kultur) erwarten, dass sie an einen aktiven, persönlichen Gott glauben, der in die Welt eingreifen und sie verändern kann – darunter andere Menschen.
Es ist viel einfacher, einer Person gegenüber versöhnliche Gedanken zu haben, von der man glaubt, dass sie sich verändern wird. Wenn diese Studenten also glauben, dass es genügt, für jemanden zu beten, um ihn positiv zu verändern, dann fühlen sie sich ihm gegenüber darum versöhnlicher.

Das Problem besteht nun darin, dass man Menschen durch Gebete nicht verändern kann, weil Gott nicht in die Welt eingreift. Das heißt, dass Gläubige womöglich dem Falschen vergeben, wenn sie für ihn beten. Es wäre effektiver, wenn sie ihren Freund mit seinen Fehlern konfrontieren oder eine andere realweltliche Möglichkeit ergreifen würden, um ihren Freund dazu zu bewegen, dass er sich tatsächlich verändert – anstatt einfach davon auszugehen, dass sich Gott schon darum kümmern wird.

 

Quellen

Lambert, N., Fincham, F., Stillman, T., Graham, S., & Beach, S. (2009). Motivating Change in Relationships: Can Prayer Increase Forgiveness? Psychological Science, 21 (1), 126-132 DOI: 10.1177/0956797609355634

Blog: Epiphenomenon