Mythologie | 16.01.2009

Der babylonische Schöpfungsmythos


Und Marduk ward geboren

Enki und seine Frau Damkina zeugen einen Sohn: Marduk. Enki freut sich sehr über die Geburt seines Sohnes und mit Hilfe seiner magischen Kräfte macht er ihn „doppelt gleich“ mit den anderen Göttern, also mächtiger als sie.

Derweil läuft Tiamat, betrübt durch den Tod ihres Mannes, ziellos hin und her. Einige Götter, die von Kingu angeführt werden, überreden sie zur Rache. Tiamat heiratet Kingu und sie sammeln Anhänger für den kommenden Krieg gegen Enki und seinen göttlichen Fanclub. Erst kurz vor dem Angriff erfährt Enki von Tiamats finsteren Plänen. Er wendet sich an seinen Großvater Anschar, der ihm sagt, dass es keinen anderen Weg für ihn gibt, als sich Tiamats Armee zu stellen. Doch mehrere Angriffe schlagen fehl. Tiamat hat durch die Fehler ihres Ex-Mannes Apsu dazugelernt. Die Götter, die auf Enkis Seite stehen, treffen sich zu einer Generalversammlung. Sie entscheiden sich, Enkis Sohn Marduk zum „König des gesamten Universums“ zu erklären, eine Art Notfallplan, der ihm die Macht verleiht, Tiamats Armee mit den Fähigkeiten aller Götter zu bekämpfen.

Marduk reist, ausgestattet mit Feuer, Blitzen und Stürmen, zu Tiamat und fordert sie zu einem Duell heraus. Sie nimmt an und Marduk fängt sie in seinem Netz ein. Als sie ihren Mund öffnet, um ihn zu verschlingen, lässt Marduk einen Sturm auf sie los, der ihren Mund geöffnet hält. Dort hinein schießt er einen Pfeil, der ihr Herz trifft und sie tötet. Als ihre Anhänger das sehen, versuchen sie zu fliehen, doch keiner entkommt. Marduk sperrt sie ein.


Schöpfung im Alleingang

Nun zerteilt Marduk Tiamats Körper und erschafft das Universum, wie wir es kennen (das Vorherige ist so etwas wie eine Beta-Version gewesen. In der Alpha-Version hat es nur Apsu, Tiamat und Mummu gegeben). Aus einer Hälfte ihres Körpers formt er den Himmel und aus der anderen die Erde. Er weist Anu, Enki und Enlil (vormals sumerische Götter) ihre Herrschaftsbereiche zu. Im Himmel errichtet er Stationen für die Götter. Die Sterne erschafft er, um daran den Kalender zu orientieren, also das Jahr in Monate, Wochen und Tage zu unterteilen. Im Osten und Westen baut er Tore, durch welche die Sonne ein und ausfliegen kann.

Aus Tiamats ehemaligen Anhängern werden auf Marduks Befehl die Sklaven der Siegermächte. Ihnen wird die Arbeit allerdings bald zu schwer und sie beklagten sich bei Marduk. Dieser entscheidet sich, den Anführer der Rebellen, Kingu, zur Rechenschaft zu ziehen und die anderen Götter frei zu lassen. Das göttliche Gericht befindet Kingu für schuldig, Tiamat zur Rache und zum Krieg angestiftet zu haben. Enki tötet ihn zur Strafe und erschafft aus dem Blut Kingus die Menschen, die nun für die Götter arbeiten müssen – genau, wie es sich auch die Sumerer vorgestellt haben. Zuletzt teilt Marduk die Götter ein: Je 300 sollen in den Himmel kommen und 300 auf die Erde, wo sie bestimmte Aufgaben zu bewältigen haben.

Die Gemeinschaft der Götter (Anunnaki) bedankt sich bei Marduk durch die Errichtung der Stadt Babylon und seinen dortigen Tempel. Außerdem übertragen sie auf ihn ihre 50 Titel mit allen Eigenschaften und Fähigkeiten der Götter. Diese absolute Macht verwandelt Marduk in einen beinahe monotheistischen Gott.

 

Die ersten Schrecken des Monotheismus

Verantwortlich für das Enûma Eliš ist die babylonische Priesterklasse. Die unerhörte Macht, die sie auf Babylons Stadtgott Marduk übertragen, spiegelt ihren Herrschaftsanspruch auf die benachbarten Städte wider. Schließlich ist Marduk der Schöpfer des bekannten Universums und Enki hält sich bei der Erschaffung des Menschen an seine Anleitung. Zudem ist Babylon die Heimat der Götter und wird als höchstes Heiligtum zu Marduks Ehren von ihnen errichtet. Es kann insofern kein Zweifel bestehen, dass Babylon über die anderen Städte herrschen muss.

Wie das Leben so spielt, würde Marduk ausgerechnet den späteren Erfindern des radikalen Monotheismus, den wir heute kennen, das Leben schwer machen. Im Namen Gottes greifen die Babylonier die Israeliten an und zerstören ihren Tempel. Die Babylonier nehmen die verbliebenen Israeliten mit nach Babylon ins Exil. Im Gegensatz zu der Geschichte, die uns die Bibel zum Thema erzählt, ergeht es den exilierten Israeliten in Babylon hervorragend