Filmrezension | 19.04.2012

Auf Europa-Tournee gegen die Evolutionstheorie

Darwin-Jahr Bild

Ein Trailer 7:35 Minuten. Play.

Eindrucksvolle Bilder strömen über den Bildschirm. Der Zuschauer wird mitgenommen auf eine Reise ins Weltall, auf einen Flug über die Erde, hinweg durch gigantische Wolken. Die Musik erinnert stellenweise an einen Hollywood-Blockbuster im Stile von Armageddon – große Gefühle werden vermittelt.

Gewaltige Gebirgszüge und schneebedeckte Berggipfel, plätscherndes, klares Wasser in Nahaufnahme, gigantische Wasserfälle, sich langsam öffnende Blumen in klaren und bunten Farben, Unterwasseraufnahmen in knallendem Türkis, bezaubernde Tieraufnahmen in der Wildnis, die Sonne, wie sie durch die dahin ziehenden Wolken bricht - beeindruckendes Bildmaterial. [1] Doch was steckt dahinter - welche Botschaft wird hier vermittelt? Wird vielleicht erklärt, wie wir die Sterne sehen und was wir über das Universum wissen? Wird sich vielleicht einfach an der Ästhetik unseres Lebensraums - der Erde - und allem was ihn umgibt, erfreut? Nein!
"Die Schöpfung – Die Erde ist Zeuge" lautet der Titel des beworbenen Films, der schon seit 2010 in verschiedenen Städten im deutschsprachigen Raum gezeigt wird und nach Angaben der Produzenten sehr hohe Besucherzahlen aufweisen kann. Mittlerweile wurde der Film niederländisch vertont und im März 2012 wurde diese Tournee nun an verschiedenen Spielorten in den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz fortgesetzt. Der Fotograf und Filmer Henry Stober sammelte Bildmaterial auf fünf Kontinenten, welches anschließend zu einem 63minütigen Spielfilm verarbeitet wurde. [2, 3, 4]

Seine atemberaubenden Bilder werden leider zu einem sehr zweifelhaften Zweck missbraucht, nämlich zu suggerieren, dass all die gezeigten Naturphänomene nicht durch den Prozess einer seit Milliarden Jahren andauernden Evolution entstanden sein könnten, sondern Ergebnis eines sechstägigen Schöpfungsaktes sein müssten: "Eine getreue Verfilmung der Schöpfungswoche nach dem Buch Genesis" lautet ein Untertitel, der während des gut siebenminütigen Trailers zu lesen ist. Die Stimme einer Frau erklärt: "Evolution und Schöpfung - zwei Weltsichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten - mit weitreichenden Konsequenzen für den Menschen." Der Mensch sei "kein Zufallsprodukt […], sondern die geniale Handschrift eines liebevollen Schöpfers" und es sei an der "Zeit für eine neue Aufklärung!".

Als "Aufklärung" kann ein Film, der auf der wörtlichen Auslegung der Bibel beruht und zudem Evolution und Schöpfung als zwei Glaubensmodelle gegenüberstellt, wohl kaum bezeichnet werden. Die Erde als Zeugen für eine sechstägige Schöpfung zu benennen und dabei gleichzeitig die erdrückenden Belege für ihre Evolutionsgeschichte unter den Tisch fallen zu lassen, das kann man nur grotesk nennen.

Neben dieser Schöpfungsgeschichte enthält der Film außerdem eine Zusammenfassung der Vortragsserie "Kreation versus Evolution" des Evolutions-Gegners Walter Veith sowie eine von ihm "persönlich erzählte Lebensgeschichte über seine spannende Kehrtwende vom Evolutionisten zum Kreationisten". [5] Der ehemalige Zoologie-Professor Walter Veith stammt aus Südafrika und war dort viele Jahre lang Hochschullehrer an verschiedenen Universitäten, bis er sich nach einem "Bekehrungserlebnis" (und nicht etwa aufgrund von wissenschaftlichen Fakten) dem Kreationismus zuwandte. Veith ist eng verbunden mit dem "Amazing Discoveries e.V.", über den der Film auch vertrieben wird. Der Verein ist international tätig und gehört zur protestantischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, und deren Verantwortliche wollen nach eigenen Angaben "für das Allgemeinwohl wesentliche Informationen öffentlich zugänglich machen". [6, 7]

Auf der Website zum Film www.dieschoepfung.eu wird zudem angegeben, dass die Tournee durch die Schweiz im letzten Jahr neben der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten unter anderem vom Arbeitskreis "Wort und Wissen" veranstaltet wurde. [8] Auch in den Niederlanden beginnen in wenigen Tagen die Vorstellungen, hier ist ebenfalls zu lesen, dass es sich um einen Initiative der Siebenten-Tags-Adventisten ("Zevende-dags Adventisten") handelt, welche mit "AdventMedia" (adventmedia.nl) sogar eine eigene Produktionsfirma vorzuweisen haben. [3, 9]

Für sämtliche Vorstellungen ist der Eintritt kostenlos, außerdem ist nach eigenen Angaben sogar eine Welttournee geplant. Angesichts der aufwendigen Produktion, der der Moderator Elmar Gunsch seine Stimme leiht, und für die sogar eigens ein Soundtrack (Dominik Buchner) komponiert wurde, scheint es den Verantwortlichen an finanziellen Mitteln somit nicht zu mangeln. [2, 4, 5]

Am Montag, den 12.03.12, wurde der Film in Hannover in zwei Vorstellungen im "Theater am Aegi" gezeigt. [4, 10] Die Verantwortlichen des Theaters haben offenbar keine Bedenken einem solchen Film eine Plattform in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Auf unsere Nachfrage im Vorfeld der Veranstaltung hin, weshalb das "Theater am Aegi" derartig fundamental-religiöse Inhalte in deren Räumlichkeiten präsentieren möchte, erhielten wir die Antwort, dass es sich "hierbei […] um eine Glaubensfrage [handele]" und dass sie "nichts Gefährliches in dieser Veranstaltung“ sähen, „in der lediglich jemand seine Sicht der Dinge darstellt".

Wissenschaftsfeindlichkeit und die Leugnung einer der am besten belegten Theorien der Naturwissenschaften sind jedoch keine "Glaubensfragen" - auch dann nicht, wenn dies aus religiösen Gründen geschieht. Der Kreationismus im deutschsprachigen Raum ist ein Problem, das kaum allgemein wahrgenommen wird, sodass die Bedenken gegen eine derartige Form der Glaubensauslegung leider häufig gar nicht erst zur Kenntnis genommen werden. Wenn die Verneinung von Naturwissenschaft im Allgemeinen und der Evolutionstheorie im Speziellen (einschließlich fundierter Erkenntnisse der Geologie, Astronomie und Kernphysik) im Mantel der Naturdokumentation verhüllt wird, dann geht sehr wohl eine intellektuelle Gefahr von solchen Filmen aus. Dieser Film ist ein gut aufgemachtes Propagandamedium des Kreationismus, das auch als solches enttarnt werden muss.

Eine Filmrezension von unserer Gastautorin Anna Beniermann

Quellen:
[1] http://www.dieschoepfung.eu/trailer
[2] http://www.dieschoepfung.eu/film
[3] www.de-schepping.eu
[4] http://www.dieschoepfung.eu/termine
[5]http://www.amazing-discoveries.org/item_show.asp?menuID=24&sort=Mediumtext,Referent,item&code_no=380
[6] http://www.amazing-discoveries.org/ueber_uns.asp
[7] http://www.amazing-discoveries.org/referenten.asp#id1
[8] http://www.dieschoepfung.eu/swisstour2011
[9] http://www.adventmedia.nl/index.php?option=com_content&view=article&id=5...
[10] http://www.theater-am-aegi.de/