Debatte | 10.06.2011

Annexion durch Wortwahl

2 Das schleichende Gift

Schon Kungfutse wusste: „Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; ...“ Und dies wissen auch die Theologen, Religionswissenschaftler und gläubigen Wissenschaftler, die die religiösen Interpretationen in das tägliche Leben tragen. Damit lässt sich schon einiges an Verwirrung anstiften.

Jeder kennt mittlerweile aus eigenen Erfahrungen die öffentlichen Vorträge und Diskussionen, in denen permanent alle Begriffe durcheinander geworfen werden. Der erste sagt aus, dass wissen nicht glauben ist und Wissenschaftler etwas beweisen können. Schon erklärt ein anderer, dass Wissenschaftler auch nur glauben würden. Der nächste springt auf und schreit, dass auch Politik und Wissenschaft nur eine andere Art von Religionen seien. Als nächstes erklärt ein Wissenschaftler, dass auch Religion und Religiosität biologische Wurzeln haben und dass der Mensch von Natur aus glauben müsse. Ein Geistlicher schließt sich an und weiß sofort die Antwort, die darin liegt, dass Wissenschaft doch gottgewollt sei. Dann fängt jemand an zu weinen und fordert Respekt für seine religiösen Gefühle ein, während ein anderer schon mit einer Anzeige wegen Beleidigung religiöser Gefühle droht. Die Hälfte dieser Diskussionen kann man sich ersparen, weil anscheinend niemand bemerkt (bemerken will), dass alle aneinander vorbei reden. Die andere Hälfte der Diskussion ist interessant, weil einige gute Rhetoriker die Situation anscheinend nutzen, um sophistisch zu argumentieren. Für sie hat dieses Verwirrspiel System. Sie können dadurch auf ihre „Wichtigkeit“ hinzuweisen. Nutzen tun solche Diskussionen niemandem.


3 Sag doch einfach, worüber Du redest!

Die einfachste Form solche unfruchtbaren Diskussionen zu vermeiden ist eine öffentliche Klärung, was unter den einzelnen Begriffen zu verstehen ist. Es werden Definitionen benötigt. Wo möglichst unterschiedliche Arbeitshypothesen gebraucht werden, sollte dies jede Fakultät für sich publizieren. Auf Definitionen von allgemein gebräuchlichen Begriffen des täglichen Lebens sollten sich jedoch alle Wissenschaftler, Kirchenvertreter und Glaubensgemeinschaften einigen können.

Bis heute gibt es aber keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Definitionen für das Phänomen Religion sowie für die Mehrheit der damit assoziierten Begriffe. Es ist müßig, über die Gründe des Verwirrspiels zu diskutieren und Vermutungen anzustellen. Selbstverständlich ist es nicht einfach zu definieren, was unter Religion zu verstehen ist. Aber man kann verschiedene Definitionen zur Diskussion stellen. Eine Definition ist ja nicht richtig oder falsch. Sie ist brauchbar, wenn sie für die Forschung neue Blickwinkel und Perspektiven aufzeigt. Als vorweggenommene „Arbeitshypothese“ sollte sie zudem präzise und eindeutig sein.