Debatte | 29.06.2009
Wir befinden uns im Jahre 2009. Der ganze öffentliche Diskurs ist von Allversöhnern besetzt. Der ganze Diskurs? Nein! Unbeugsame Naturalisten hören nicht auf, den Allversöhnern Widerstand zu leisten. Sie argumentieren: Wissenschaft und Religion sind unvereinbar! Alles über den Didaktikstreit, den Nature-Skandal und den Widerstand gegen Templeton: Exklusiv auf darwin-jahr.de!
4. Februar 2009: Der Didaktikstreit über die richtige Vermittlung der Evolutionstheorie, die Auseinandersetzung über das Appeasement gegenüber Gläubigen und schließlich der Widerstand gegen die Templeton-Stiftung und der Nature-Skandal. Sie alle haben ihren Ursprung in einem Essay [2] von dem Evolutionsbiologen Jerry Coyne, den das amerikanische Magazin The New Republic veröffentlichte. „Sehen und Glauben: Der nie endende Versuch, Wissenschaft und Religion zu versöhnen und warum er scheitern muss.“
Bereits kurz nach Veröffentlichung bricht eine heftige Debatte [3] unter Wissenschaftlern aus dem englischsprachigen Raum darüber aus, ob Coyne recht hat und Wissenschaft inkompatibel ist mit religiösen Vorstellungen. Vor allem der Religionskritiker Sam Harris sorgt mit seinem Beitrag Es ist alles wahr [4] für Aufsehen, in dem er die relativistische Haltung seiner Kollegen sarkastisch kritisiert.
Er schreibt darin: „Aber der Glaube lehrt uns, dass das Beste, leider, oft der Feind des Guten ist. Zum Beispiel fragen Leute wie Coyne, ob die Datenlage, dass Viren zehn Mal so häufig vorkommen wie Tiere und dass ein einziger Virus wie Grippe 500 Millionen menschliche Wesen im 20. Jahrhundert getötet hat (viele von ihnen Kinder), am besten mit Hilfe eines allwissenden, allmächtigen, allguten Gottes erklärt werden kann, der die Menschheit für seine geliebteste Schöpfung hält.“
„Falsche Frage, Coyne! Sehen Sie, die Weisen haben zu fragen gelernt, wie auch [der theistische Evolutionist Kenneth] Miller, ob es angesichts der Fakten einfach nur möglich ist, dass ein mysteriöser Gott mit einem unergründlichen Willen die Welt erschaffen haben könnte. Natürlich ist es das! Und das Herz frohlockt...“
22. Februar 2009: Der Neurowissenschaftler Colin Blakemore veröffentlicht seinen Beitrag [5] „Die Wissenschaft ist nur ein Gen davon entfernt, die Religion zu besiegen“ im Kommentarbereich des Guardian. Darin schreibt er zum Beispiel: „Ich habe Vorbehalte gegen diese ‚Warum?‘-Fragen: Warum sind wir hier? Warum haben wir ein Gefühl für richtig und falsch? Entweder diese Fragen ergeben keinen Sinn, oder sie können als ‚Wie?‘-Fragen formuliert werden, welche die Wissenschaft sehr gut beantworten kann.“
24. März 2009: Jerry Coyne veröffentlicht seinen vielzitierten Blogbeitrag [6] „Müssen wir uns immer an den Gläubigen ausrichten, wenn wir Wissenschaft lehren?“ Er erläutert darin drei der großen Probleme, die daraus resultieren, dass Wissenschafsorganisationen eine versöhnliche Haltung gegenüber der Religion einnehmen. Diese sind laut Coyne:
1. „Indem wir der Öffentlichkeit diese ‚religiösen Wissenschaftler‘ wie Ken Miller auftischen, oder diese ‚wissenschaftlichen Theologen‘ wie John Haught, unterschreiben wir stillschweigend ihre Glaubensüberzeugungen, darunter der Glaube, dass Gott in der heutigen Welt handelt (Theismus) und Naturgesetze aufhebt.“
2. „Die Behauptung, dass es nicht den eigenen religiösen Glauben beeinflussen würde, etwas über die Evolutionstheorie zu lernen, ist eindeutig falsch. Zahlreiche Statistiken beweisen das Gegenteil, inklusive der negativen Korrelation von wissenschaftlichen Errungenschaften und religiösem Glauben und der negativen Korrelation zwischen dem Grad an Glauben in einer Nation und ihrer Akzeptanz der Evolution. Wir alle wissen das, aber wir tun so, als wüssten wir es nicht.“
3. „Diesen [versöhnlichen] Organisationen ist es scheinbar selbst nach 25 Jahren hartnäckiger Bemühungen nicht gelungen, die öffentliche Meinung über die Evolution sonderlich zu beeinflussen. Ich denke, dies könnte bedeuten, dass unsere Nation zuerst viel weniger religiös werden muss, bevor die Akzeptanz der Evolutionstheorie nennenswert ansteigt.“
30. März 2009: Der Philosoph Russel Blackford kritisiert [7] die Wissenschaftsorganisation National Academy of Sciences (NAS) [8] in einer Antwort auf Matt Nisbet, der Richard Dawkins Religionskritik für „unethisch“ hält, weil sie den Respekt für alle Religionen untergrabe. Unter anderem schreibt Blackford:
„Nisbet führt aus, wie die National Academy of Sciences (NAS) und verwandte Organisationen in den USA Marktforschung betrieben haben, um zu erforschen, welche Botschaften sie der amerikanischen Öffentlichkeit vermitteln. Nachdem sie diese Forschung, mit Fokusgruppen und einer Studie, versteht sich, beendet hatte, entschied sich die NAS für die Bekanntgabe ihrer Feststellung, dass Religion und Wissenschaft kompatibel sind.“
„Genau so muss man das natürlich machen. Es wäre zum Beispiel falsch zu überprüfen, ob bestimmte Religionen oder Sekten Behauptungen aufstellen, die nicht konsistent sind mit soliden, wohlgestützten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das ist offensichtlich irrelevant.“
1. April 2009: Der Präsident des National Center for Science Education [9] (NCSE, verteidigt die Evolutionstheorie vor kreationistischen Angriffen), Kevin Padian, kritisiert in seiner Rezension [10] von Coynes Buch „Why Evolution is True“ explizit, dass dieser einfach die Fakten präsentiert und nicht auf religiöse Menschen eingeht. Auch beschwert er sich darüber, dass Coyne einfach feststellt, die Evolutionstheorie sei „wahr“, obwohl Gläubige damit Probleme haben könnten. Schließlich sagt er sogar, es sei nicht der Job der NCSE, Menschen dazu zu bringen, die Evolutionstheorie für wahr zu halten, sondern sie sollen sie nur verstehen.
22. April 2009: Jerry Coyne führt seine Kritik näher aus [11]: „Mit einem Löffel voll Jesus geht Darwin besser runter“. So kritisiert er die Strategie einiger Evolutionsbiologen, sich bei Gläubigen einzuschleimen. „Sie erodieren den Naturalismus, der die Grundlage der modernen Evolutionsbiologie darstellt“, stellt er fest. „Nicht nur unterlässt die NCSE die Kritik der Religion, sondern sie kuschelt sich an sie, küsst sie und erzählt ihr, dass alles gut wird.“ Ferner kritisiert er, dass die großen Wissenschafsorganisationen nur die Position von theistischen Evolutionisten zulassen und derweil die Meinung der „Neuen Atheisten“ verschweigen, die hier eben keine Kompatibilität sehen.
Seine Lösung: Lehrer und Professoren sollten einfach die Wissenschaft erläutern und Religion aus dem Spiel lassen. Es ist nicht ihr Problem, wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Theologie zu versöhnen.
Richard Dawkins überlegt in seiner Antwort auf Coyne's Essay [12] sogar, ob es nicht Zeit ist, die Samthandschuhe auszuziehen: „Ich fange an zu denken, dass wir weitergehen sollten: Lassen wir die humorvolle Veralberung hinter uns und schärfen wir unsere Klauen, dass es richtig weh tut. [...] Was wir brauchen ist sarkastischer, schneidender Witz.“ Als Vorbild nennt er Sir Peter Medawars Rezension [13] von Teilhard de Chardins „Der Mensch im Kosmos“.
23. April 2009: Jerry Coyne kritisiert [14] neben der NAS und der NCSE nun auch die American Association for the Advancement of Science (AAAS) [15], die weltgrößte Wissenschaftsorganisation, für ihren Versöhnungswahn. Einen Tag später deckt er auf, dass sich in führenden Positionen der AAAS Intelligent-Design-Sympathisanten befinden [16].
25. April 2009: Der Philosoph Russel Blackford schließt sich Coyne an [17]. Er schreibt: „Wenn sie die Kompatibilität von Religion und Wissenschaft verteidigen, müssen orthodoxe Vertreter der abrahamitischen Religionen entweder ihre orthodoxen Ansichten aufgeben [...]; oder sie müssen theologische Konzepte anbieten, die Gottes Liebe im Sinne der Vorsehung (und andere Eigenschaften) mit der Wahl solcher Schöpfungsmethoden vereinbaren. Ich bezweifle sehr, dass letztes in irgendeiner plausiblen Weise getan werden kann.“ Am 1. Mai argumentiert Blackford [18] auch gegen das Versöhnungskonzept der NCSE und am 3. Mai nimmt er sich die NAS vor [19].
27. April 2009: Richard B. Hoppe, Autor des bekannten Evolutionsblogs Panda's Thumb [20], der Coynes Position zuerst abgelehnt hatte, schließt sich ihm nun doch an [21]. „NOMA ist ein Fehler“, sagt er. Mit NOMA ist die Idee des „Non Overlapping Magisteria“ gemeint, das von Stephen J. Gould stammt. Es beschreibt die Idee, dass Religion und Wissenschaft unterschiedliche Fragen behandeln, meist so aufgefasst, dass Wissenschaft das „wie“ der Lebens erkläre und Religion das „warum“. Die meisten Wissenschaftler halten dieses „warum“ der Existenz allerdings für eine sinnlose Frage.
29. April 2009: Der berühmte Chemiker Francis Collins (Human Genome Project) schaltet sich ein und eröffnet eine Website zu seiner neuen Stiftung „BioLogos“, wo er einige von Kreationisten bekannte Argumente übernimmt [22]. „Das ist Mist“, kommentiert P.Z. Myers [23] und Jerry Coyne schreibt sogar [24]: „Bitte erschießt mich!“ Wie zu erwarten hat die Templeton Foundation [25] mal wieder die Finger im Spiel, die versucht, Wissenschaft und Religion zu „versöhnen“. „Die Akzeptanz der Wissenschaft wird nicht beschleunigt, indem man die Menschen mit religiösen Plattitüden erstickt“, schreibt Coyne weiter [26] und nimmt die Behauptungen auf Collins Website im Detail auseinander [27].
6. Mai 2009: Jerry Coyne schlägt eine Einladung zum World Science Festival [28] aus, um gegen dessen Versuch zu protestieren, Religion und Wissenschaft als kompatibel darzustellen. „Man kann große Literatur und Wissenschaft würdigen, ohne irgendwelche philosophischen Widersprüche dabei akzeptieren zu müssen, aber man kann dies nicht mit der Religion tun“, betont Coyne [29] in seinem Ablehnungsschreiben. „Genauso sind moderne Medizin und Homöopathie philosophisch und substanziell unvereinbar.“ Er lehnt das Sponsoring des Festivals durch die Templeton Foundation ab, die Wissenschaft und Religion als vereinbar darstellen möchte und „die Wissenschaft korrumpiert“.
7. Mai 2009: Der Biologe P.Z. Myers schaltet sich ein [30] und sagt über die Templeton-Stiftung: „Sie kennen bereits die Antwort und sie wollen nur für Ergebnisse bezahlen, die so interpretiert werden können, dass sie ihre nicht belegbaren Behauptungen künstlich aufwerten. [...] Die Verführungstechniken des Teufels sind hinterhältig und subtil, aber er kann nicht verbergen, was er letzten Endes will.“
12. Mai 2009: Der Mathematiker Jason Rosenhouse schließt sich Coyne an [31]. Über moderate Gläubige, für gewöhnlich theistische Evolutionisten, sagt er: „Sie fühlen sich eigentlich nicht wohl mit der Evolutionstheorie, aber sie sind damit zufrieden, sie zu ignorieren und lassen Wissenschaftler einfach ihr Ding machen. Aber wenn jemand wie Dawkins ankommt und es ihnen schonungslos ins Gesicht sagt, können sie es nicht länger ignorieren. Das macht Dawkins so bedrohlich.“
Ferner: „Aber Menschen, die sich über polemische Atheisten ausheulen, die angeblich der Sache schaden, sind im Unrecht. Diese Atheisten sind tatsächlich die einzige Hoffnung für eine Langzeitlösung.“
20. Mai 2009: In der Versöhnungsliteratur der National Academy of Sciences, der NCSE, der NAS und anderen, ist immer wieder zu hören, dass Glaube und Wissenschaft unterschiedliche Methoden wären, um die Welt zu verstehen, beide ermöglichten uns einen Zugang zu „unterschiedlichen Wahrheiten“. Nun hat Jerry Coyne den genannten Organisationen die Aufgabe gestellt [32], die Wahrheiten, zu denen man nur mit dem Glauben gelangen kann, einmal deutlich zu benennen. Er schenkt jedem ein signiertes Buch, dem das gelingt. Bis heute erhielt er keine Antwort auf diese Frage.
26. Mai 2009: Coyne streitet sich mit Karl Giberson [33], dem Vizepräsident von Francis Collins BioLogos-Stiftung. Es geht unter anderem um eine Frage, die auch unter Biologen umstritten ist, nämlich ob der Mensch ein notwendiges Ergebnis der Evolution war. Eine Seite sagt: Wenn die Naturgesetze deterministisch sind, dann ist alles so geschehen, wie es geschehen musste. Coyne sieht das anders, weil wir die Frage aufgrund der aktuellen Datenlage noch nicht entscheiden könnten und der Mensch auch nur ein zufälliges Ergebnis der Evolution sein könnte.
28. Mai 2009: Russel Blackford teilt den „Accomodationism“, also die versöhnliche Position, in drei Kategorien auf [34]:
„Die NOMA-Theorie: Wissenschaft hat Autorität im Bereich empirischer Fragen, während die Religion Autorität hat im Bereich Moral, „Sinn“, „Zweck“ und so weiter.
Natürlich und übernatürlich: Wissenschaft untersucht die „natürliche“ Welt, während Religion über das angebliche „übernatürliche“ Reich berichtet, das Götter, Gespenster und so weiter enthält.
Gott wirkt in den Lücken: Es gibt einen Ort, in dem Gott die Natur auf Wegen beeinflussen kann, die wir nicht entdecken können. Wissenschaft hat Autorität im Bereich der natürlichen Welt, aber nicht auf eine Weise, welche göttliche Steuerung ausschließt...“
2. Juni 2009: Dennis Overbye spricht sich in seiner Rezension [35] des Verschwörungsthrillers Illuminati („Angels and Demons“) in der New York Times gegen das versöhnliche Ende des Films aus. Ein katholischer Kardinal dankt Gott dafür, dass er den Wissenschaftler Robert Langdon geschickt hat, der aber meint, er wäre nicht geschickt worden. Das sei er schon, meint der Kardinal und Langdon ist sich auf einmal nicht mehr so sicher. Wissenschaft und Glaube endlich versöhnt. Kein Happy End für Overbye: „Es zeigte auf, was falsch ist an der gesamten Art und Weise, wie die Popkultur die Wissenschaft betrachtet: Wissenschaftler und Akademiker sind schlau, aber religiöse Führer sind weise."
Chris Mooney (Autor von The Republican War on Science) und Barbara Forrest (Wissenschaftsphilosophin, Zeugin beim Dover-Prozess) werfen Coyne derweil vor [36], nicht nett genug zu Gläubigen zu sein. Er verstoße gegen die „Etiquette“ und soll darum still sein und Allversöhnern das Feld überlassen. Mooney vertrat noch 2001 [37] die gegenteilige Meinung, hat sie dann aber geändert. Jason Rosenhouse [38] und „Erratic Synapse [39]“ verteidigen Coynes Position.
10. Juni 2009: Coyne argumentiert [40], dass die Wissenschaft sehr wohl Behauptungen über das Übernatürliche manchmal überprüfen und widerlegen könne. Er nennt als Beispiele die Wirksamkeit von Gebeten, einen sprechenden Mount Rushmore, das Grabtuch von Turin und die Blut weinenden Maria-Figuren. In einer wissenschaftstheoretischen Schrift [41] auf naturalism.org begründet John Clarke, warum die Religion keine Autorität in Sachen „übernatürliche Welt“ besitzt.
16. Juni 2009: Coyne streitet sich [42] mit dem einflussreichen theistischen Evolutionisten (Gläubige, welche die Evolutionstheorie anerkennen), Kenneth Miller. Coyne wirft ihm vor [43], seine Standpunkte falsch dargestellt zu haben, um ihn in ein schlechtes Licht zu rücken.
Zum Beispiel behauptet Miller: “In einem Text vergleicht er [Coyne] religiöse Wissenschaftler, welche die Evolution verteidigen, mit ‚Ehebrechern’.”
Tatsächlich hat Coyne jedoch gesagt: “Sicher, es gibt religiöse Wissenschaftler und evolutionistische Kirchgänger. Aber das heißt nicht, dass Glaube und Wissenschaft kompatibel sind, außer in dem trivialen Sinne, dass beide Standpunkte simultan von einem menschlichen Geist vertreten werden können. (Das ist so, als würde man sagen, dass Ehe und Ehebruch kompatibel sind, weil einige verheiratete Menschen Ehebrecher sind.”
18. Juni 2009: Der Philosoph Michael Ruse, der zwar nicht an Gott glaubt, aber Kreationisten immer wieder verteidigt [44], provoziert den Biologen P.Z. Myers zu einer recht wütenden Stellungnahme. Auf die Behauptung von Ruse, die Neuen Atheisten (die lautesten Nicht-Versöhner der Debatte), würden sich nicht für die Psyche und das emotionale Befinden der Kreationisten interessieren, antwortete er [45] unter anderem wie folgt:
„Ich habe Mitleid mit ihnen [den Kreationisten], weil sie die Schönheit der Realität zu Gunsten der Schrecklichkeit irgendeines engstirnigen, theokratischen Bullshits aus der Bronzezeit verpassen.
Aber es gibt auch solche, für die ich überhaupt kein Mitleid empfinde.
Ich habe gar kein Mitgefühl mit intelligenten Menschen, die vor einem grandiosen Monument der Lügen stehen, einer Einrichtung, die antiwissenschaftlich ist, antirational und letztlich anti-human, einem Ort, wo Kinder aktiv fehlgebildet werden, ein Gebäude, das einer beständigen intellektuellen Bosheit gewidmet ist, und sich dazu entschließen, sich darüber zu beschweren, wie diese garstigen Atheisten alles ruinieren.
Diese Leute können sich einfach verpissen.“
21. Juni 2009: Intellektuelle aus dem englischsprachigen Raum boykottieren gemeinsam [46] die vermögende und einflussreiche Templeton-Stiftung und protestieren gegen ihre Versuche, Wissenschaft und Religion als kompatibel darzustellen. Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett möchte nicht an Debatten der Stiftung teilnehmen und vergleicht die Wissenschaftlichkeit der Religion mit jener der Astrologie. Der britische Philosoph Anthony Grayling wirft der Stiftung vor, Wissenschaftler zu „bestechen“, damit sie so tun, als wäre ihr Gebiet mit dem Aberglauben vereinbar. Derweil spricht der Biologe P.Z. Myers vom Gott-Mob [47] und vergleicht die Methoden der Templeton-Stiftung mit denen der Mafia.
23. Juni 2009: Der Physiker Sean Carroll schließt sich Coyne an [48]. Zum Beispiel meint er: „Verschiedene Religionen stellen sehr unterschiedliche Behauptungen auf, aber normalerweise sagen sie am Ende so etwas wie ‚Gott hat das Universum in sechs Tagen erschaffen‘ oder ‚Jesus starb und ist wiederauferstanden‘ oder ‚Moses teilte das rote Meer‘ oder ‚tote Seelen werden ihrer karmischen Belastung entsprechend wiedergeboren‘. Und die Wissenschaft sagt: Nichts davon stimmt. Hier haben wir sie also: Die Inkompatibilität.“
Highlight des Tages und Highlight der ganzen Debatte ist die Auseinandersetzung [49] zwischen dem Religionskritiker Sam Harris und dem Wissenschaftsjournalisten Philip Ball, der seit 20 Jahren für das einflussreichste Wissenschaftsmagazin der Welt schreibt, Nature. Leider nimmt ausgerechnet dieses Magazin mit aufdringlicher Deutlichkeit die Position der Allversöhner ein. Einer der Artikel von Philip Ball [50] ist ein Beispiel hierfür und dieser nötigt Sam Harris dazu, ihn in die „Hall of Shame“ bei seiner Organisation, dem Reason Project, aufzunehmen. Das Reason Project [51] ist eine Stiftung von naturalistischen Intellektuellen, die man als das englischsprachige Äquivalent der Giordano Bruno Stiftung bezeichnen kann.
Philip Campbell, Chefredakteur von Nature, schreibt Sam Harris eine Mail, in der er ihn dafür kritisiert, das Magazin für Einzelmeinungen (die von Philip Ball) verantwortlich zu machen. Sam Harris reagiert, indem er Campbell einen kritischen Leserbrief schickt, der sich auf Philip Balls Kritik bezieht. Wenn es nur eine Einzelmeinung gewesen sei, könne er ja eine weitere dieser Einzelmeinungen abdrucken. Der Leserbrief wurde vom Beirat des Reason Project abgesegnet, der zudem anbot, seine Unterschriften darunter zu setzen. Zu diesem Beirat gehören einige der einflussreichsten Wissenschaftler der Welt, zum Beispiel der zweifache Nobelpreisträger Steven Weinberg. Trotzdem wurde der Leserbrief abgelehnt und nicht nur das: Er wurde mit einem unpersönlichen, automatischen Ablehnungsschreiben abgelehnt, in dem behauptet wird, es fehle im Magazin der Platz für den Brief. Platz genug ist dagegen für einen Leitartikel, in welchem die Templeton-Stiftung in den Himmel gelobt wird [52].
Nature bezieht also nicht nur eindeutig Position für den theistischen Evolutionismus, sondern das wichtigste Wissenschaftsmagazin überhaupt lässt zudem keine abweichenden Meinungen zu, wenn es um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion geht. Warum Nature zudem offen Stellung bezieht für die wohlhabende Templeton-Stiftung, wirft dabei weitere, sehr beunruhigende Fragen auf.
Dieser Austausch zwischen Sam Harris und Philip Ball ist neben dem Nature-Skandal auch darum sehr lesenswert, weil Sam Harris darin die Position der „Neuen Atheisten“ so klar und nachvollziehbar erläutert, wie das noch in keinem der Bücher oder Essays der Bewegung geschehen ist. Wer also der englischen Sprache mächtig ist, der sollte die Debatte [49] unbedingt nachlesen.
26. Juni 2009: Das bislang letzte bedeutende Ereignis der Diskussion ist ein Kommentar [53] von Lawrence M. Krauss, ein bekannter Physiker und Astronom, der in der Debatte [3] um Jerry Coynes Ausgangsessay bei edge.org meinte, dass Wissenschaftler die Religion ignorieren könnten und überhaupt das ganze Thema unwichtig sei. Sam Harris hat sich in seinem Essay „Es ist alles wahr“ über Krauss Meinung lustig gemacht. Schließlich, im Wall Street Journal, gibt Krauss dem „Neuen Atheisten“ recht und schlägt sich auf die Seite von Jerry Coyne und den „Non-Accomodationists“, den Unversöhnlichen.
Seltsamerweise hat diese wichtige Auseinandersetzung, an der sich einige der bedeutensten Intellektuellen der Welt beteiligen, in den deutschen Medien bislang keinerlei Resonanz erfahren. Auch der Essay Der halbierte Darwin [54] von Michael Schmidt-Salomon konnte das Thema hier nicht wirklich auf die Tagesordnung setzen. Das ist insofern merkwürdig, weil der theistische Evolutionismus, um den es hier ja vor allem geht, die offizielle Position der beiden Großkirchen in Deutschland darstellt. Warum interessiert es nun keinen Menschen, wenn ihn viele der schlauesten Denker und der einflussreichsten Biologen für falsch halten?
Wie dem auch sei, zumindest auf darwin-jahr.de werden Sie über den weiteren Verlauf dieser spannenden Debatte informiert werden.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-289-465.jpg
[2] http://www.tnr.com/story_print.html?id=1e3851a3-bdf7-438a-ac2a-a5e381a70472
[3] http://www.edge.org/3rd_culture/coyne09/coyne09_index.html
[4] http://hpd.de/node/6421
[5] http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2009/feb/22/genetics-religion
[6] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/03/24/must-we-always-cater-to-the-faithful-when-teaching-science/
[7] http://metamagician3000.blogspot.com/2009/03/praise-lord-for-matt-nisbet.html
[8] http://www.nasonline.org/
[9] http://ncseweb.org/
[10] http://www.plosbiology.org/article/info:doi/10.1371/journal.pbio.1000077
[11] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/22/truckling-to-the-faithful-a-spoonful-of-jesus-helps-darwin-go-down/
[12] http://richarddawkins.net/article,3767,Truckling-to-the-Faithful-A-Spoonful-of-Jesus-Helps-Darwin-Go-Down,Jerry-Coyne#368197
[13] http://www.cscs.umich.edu/%7Ecrshalizi/Medawar/phenomenon-of-man.html
[14] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/23/aaas-also-engages-in-accommodationism/
[15] http://www.aaas.org/
[16] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/24/id-sympathizer-is-an-officer-of-the-aaas/
[17] http://metamagician3000.blogspot.com/2009/04/jerry-coyne-on-science-organisations.html
[18] http://metamagician3000.blogspot.com/2009/05/science-religion-weasel-words-and.html
[19] http://metamagician3000.blogspot.com/2009/05/nas-on-compatibility-of-science-and.html
[20] http://pandasthumb.org/
[21] http://pandasthumb.org/archives/2009/04/let-me-try-agai.html#more
[22] http://evaluatingchristianity.wordpress.com/2009/04/29/francis-collins-creationist/
[23] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/04/another_disappointment_from_th.php
[24] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/29/shoot-me-now-francis-collinss-new-supernaturalist-website/
[25] http://www.templeton.org/
[26] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/29/wednesday-relief-cat/
[27] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/30/accommodationism-and-the-nature-of-our-world/
[28] http://www.worldsciencefestival.com/
[29] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/05/06/in-which-i-refuse-an-invitation-to-the-world-science-festival-on-grounds-of-accommodationism/
[30] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/05/the_templeton_conundrum.php#more://
[31] http://scienceblogs.com/evolutionblog/2009/05/accommodationism_and_all_that.php
[32] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/05/20/contest-name-a-truth-revealed-by-faith/
[33] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/05/26/karl-giberson-defends-accommodationism/
[34] http://metamagician3000.blogspot.com/2009/05/varieties-of-accommodationism.html
[35] http://www.nytimes.com/2009/06/02/science/02essay.html?pagewanted=1&8dpc&_r=3
[36] http://blogs.discovermagazine.com/intersection/2009/05/31/civility-and-the-new-atheists/#more-2220
[37] http://www.slate.com/id/115965/
[38] http://scienceblogs.com/evolutionblog/2009/06/coyne_is_right_mooney_is_wrong.php
[39] http://www.dailykos.com/storyonly/2009/6/5/739119/-On-new-atheists-and-religious-moderates,-Mooney-is-wrong
[40] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/06/10/rosenhouse-vs-mooney-redux-jason-is-doing-my-job-for-me/
[41] http://www.naturalism.org/epistemology.htm#concessions
[42] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/06/16/science-vs-theism-a-debate-with-kenneth-miller-part-i-throat-clearing/
[43] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/06/17/science-vs-theism-a-debate-with-kenneth-miller-part-ii-out-of-context/
[44] http://scienceblogs.com/evolutionblog/2009/06/ruse_news.php
[45] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/06/a_little_sympathy_for_the_snoo.php
[46] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/06/21/fighting-back-against-templeton/
[47] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/06/the_god_mob.php
[48] http://blogs.discovermagazine.com/cosmicvariance/2009/06/23/science-and-religion-are-not-compatible/
[49] http://www.reasonproject.org/archive/item/what_should_science_dosam_harris_v_philip_ball/
[50] http://www.reasonproject.org/newsfeed/item/how_much_reason_do_you_want/
[51] http://www.reasonproject.org/
[52] http://www.nature.com/nature/journal/v454/n7202/full/454253b.html
[53] http://online.wsj.com/article/SB124597314928257169.html
[54] http://www.darwin-jahr.de/../../../../../../../../evo-magazin/halbierte-darwin