Evolution | 08.12.2008

Die Darwinsche Revolution

Darwin entschlüsselt das Geheimnis der Geheimnisse


Die natürliche Auslese

Darwin löste sich nicht völlig von den historischen Vorbildern – auch er akzeptierte die Vererbung erworbener Eigenschaften als evolutionären Faktor –, seine eigentliche Argumentation ging aber in eine andere Richtung. Zweckmäßige Variationen können durch unterschiedliche Ursachen entstehen, aber durch die natürliche Auslese bleiben sie erhalten und werden angehäuft: „Die natürliche Auslese kann nur durch die Erhaltung und Anhäufung von unendlich kleinen vererbten Abänderungen wirken, von denen jede für das erhaltene Lebewesen von Vorteil ist”. Im Laufe der Generationen werden sich so nützliche Eigenschaften verbreiten, schädliche dagegen werden seltener:


„Wegen dieses Kampfes ums Leben wird jede Variation, wie geringfügig und durch welche Ursache sie auch entstanden sein mag, wenn sie in irgendeinem Grade nützlich für ein Individuum irgendeiner Art in seinen unendlich komplexen Beziehungen zu anderen Lebewesen und zur äußeren Natur ist, dazu tendieren, dieses Individuum zu erhalten und im Allgemeinen von seinen Nachkommen ererbt werden. […] Ich habe dieses Prinzip, durch das jede geringfügige Abänderung erhalten wird, wenn sie nützlich ist, mit dem Namen ‚natürliche Auslese’ bezeichnet“.


Wie Darwin betont, geht es in diesem Zusammenhang um die Nützlichkeit eines Merkmals in Bezug auf das Wohlergehen, Überleben und die erfolgreiche Fortpflanzung der einzelnen Individuen.


Die Erklärung der biologischen Zweckmäßigkeit

Die natürliche Auslese ermöglichte Darwin eine neue und überraschende Antwort auf das alte Rätsel der Zweckmäßigkeit der Organismen und ihrer Körperteile: „Da jedes Werkzeug seinen Zweck hat und ebenso jedes Glied des Körpers, dieser Zweck aber in einer Verrichtung besteht, so ist klar, dass auch der ganze Leib als Zweck eine umfassende Tätigkeit hat“ (Aristoteles, De partibus animalium). Jede Theorie über die Entstehung der Lebewesen muss eine Aussage über dieses typische und zentrale Charakteristikum der biologischen Phänomene machen, wenn sie ihrem Gegenstand gerecht werden will. Es genügt nicht, wie der Zoologe Richard Hertwig Anfang des 20. Jahrhunderts bemerkte, „die Umbildungen [bzw. die Entstehung] der Organismen zu erklären; es muß vielmehr weiter im Auge behalten werden, daß diese Umbildungen [bzw. diese Ursprünge] zu einer zweckmäßigen Anpassung des Organismus an seine Umgebung führen; es muß zugleich diese zweckmäßige Anpassung erklärt werden“. Die beiden traditionellen Konzepte, die von der unabhängigen Entstehung und Unveränderlichkeit der Arten ausgegangen waren, d.h. die religiösen Schöpfungslehren und die naturalistischen Urzeugungstheorien, hatten hier nur ausweichende bzw. vage Antworten geben können. Erst Lamarck hatte einen zwar unzutreffenden, aber nicht völlig unplausiblen Mechanismus vorgelegt.