Psychologie | 29.10.2010
Die meisten Evolutionsbiologen sind der Auffassung, dass die Evolution nicht zielgerichtet ist, keinem Plan folgt und sie betonen die Rolle des Zufalls und der Unvorhersehbarkeit. Stephen Gould schrieb zum Beispiel in dem Essay Acht kleine Schweinchen [2], dass es keinen Grund außer dem Zufall gibt, warum wir fünf Finger haben und nicht sieben oder acht.
Simon Conway Morris dagegen konzentriert sich in seinem Buch „Jenseits des Zufalls [3]“ auf die zahlreichen Fälle der konvergenten Evolution.
Richard Dawkins hat das Buch im letzten Kapitel von „Geschichten vom Ursprung des Lebens [4]“ durchaus positiv aufgenommen. Dawkins ist ebenfalls der Auffassung, dass wir Konvergenz eher als Normalfall in der Evolutions betrachten sollten. Laut Conway Morris wäre ein Lebewesen, das irgendwie so ist wie der Mensch, wahrscheinlich evolviert, auch wenn man die Evolution noch einmal ablaufen lassen würde.
Bastiaan Rujens von der Universität Amsterdam hat mit seinen Kollegen eine neue Studie durchgeführt, wo er der Frage nachgeht, wie die Bedrohung des Empfindens der persönlichen Sicherheit die Haltungen der Menschen verändern kann.
Dies tat er im Anschluss an Aaron Kay von der Universität Waterloo in Ontario, der aufgezeigt hat [5], dass Menschen, die sich nicht mehr in Kontrolle fühlen, Überzeugungen entwickeln, die ihr Empfinden, dass zumindest etwas in Kontrolle ist, wiederherstellt – zum Beispiel der Glaube an einen kontrollierenden Gott oder die Unterstützung einer starken Regierung. Diese Theorie nennt man „Kompensatorische Kontrolle“.
Rutjens hat 140 Studenten unbewusst beeinflusst, indem er sie über ein negatives Erlebnis schreiben ließ, wo sie sich nicht in Kontrolle fühlten und sie mussten drei Gründe dafür angeben, warum die Zukunft unkontrollierbar ist. Die andere Hälfte erfüllte eine ähnliche Aufgabe, allerdings wurde dabei ihr Kontrollempfinden gestärkt und betont.
Danach konfrontierte man sie mit drei kurzen Beschreibungen verschiedener Evolutionstheorien und fragte sie, welche sie am ehesten für wahr hielten. Die drei Theorien waren Intelligent Design (ID), die Evolutionstheorie mit Betonung des Zufalls (TE) und die Conway-Morris-Evolutionstheorie (CMTE).
Der Graph zeigt, was die Forscher beobachtet haben. Man erinnere sich daran, dass es sich hier um die Niederlande handelt, wo die meisten Studenten eher ungläubig sind. Ohne das affektive Priming auf den Kontrollverlust stimmte so gut wie keiner von ihnen ID zu, oder CMTE.
Wenn man die Studenten aber mit dem Kontrollverlust beeinflusste, bevorzugten sie weitaus eher ID oder CMTE (obwohl noch immer eine Mehrheit der zufallsbetonten Evolution zustimmte).
Die Studenten scheinen also ihr Gefühl von Unsicherheit und Anspannung zu kompensieren, indem sie ihren Kontrollverlust durch Theorien über das Leben mäßigen, die eine Art von Plan konstatieren.
Dies hilft zu erklären, warum die Evolution so unpopulär ist in Teilen der Welt, wo das Leben voller Unsicherheiten ist. Es trägt auch zur Erklärung bei, warum Religion und die Ablehnung der Evolution so oft Hand in Hand gehen. Beide sind Werkzeuge der Kompensatorischen Kontrolle.
Wirklich interessant ist jedoch, dass ID und CMTE offenbar austauschbar sind. Vielleicht wäre die Präsentation der darwinistischen Evolution in Begriffen der CMTE ein pädagogisch sinnvoller Ansatz, um religiöse Menschen an Bord zu holen. Schließlich ist Conway Morris selbst ein Christ, was vielleicht seine Ansichten über die Evolution beeinflusste.
Man muss nur sehen, dass man es nicht übertreibt, schließlich meint Conway Morris, dass ein Schöpfer hinter der Evolution stehe, nur weil sie nicht völlig zufällig ist. Und das ist erheblich weniger plausibel als seine Betonung der konvergenten Evolution und einer gewissen Weiterentwicklung des Lebens in Richtung höherer Komplexität.
AM
Quelle: Epihenomenon [6]
Rutjens, B., van der Pligt, J., & van Harreveld, F. (2010). Deus or Darwin: Randomness and belief in theories about the origin of life Journal of Experimental Social Psychology, 46 (6), 1078-1080 DOI: 10.1016/j.jesp.2010.07.009 [7]
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-493-890.jpg
[2] http://www.stephenjaygould.org/library/gould_eight-piggies.html
[3] http://www.amazon.de/Jenseits-Zufalls-Menschen-einsamen-Universum/dp/3940432075/
[4] http://www.denkladen.de/product_info.php/info/p1128_Dawkins--Geschichten-vom-Ursprung-des-Lebens.html/XTCsid/60ad5da7f9d64d977b43280301f098e0
[5] http://epiphenom.fieldofscience.com/2009/06/out-of-control-how-anxiety-over-loss-of.html
[6] http://epiphenom.fieldofscience.com/2010/10/do-people-reject-evolution-because-it.html?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed:+BhaScienceGroup+(Epiphenom)
[7] http://dx.doi.org/10.1016/j.jesp.2010.07.009