Presseschau | 30.10.2009
Genauer: Craig Venter spielt Gott und erschafft neue Lebewesen und wir sehen zu. Außerdem wurden Grottenkrebse, vielborstige Ringelwürmer und ein geflügeltes Einhorn entdeckt. Kreationisten bekommen einen Auftritt in einem staatlichen Naturkundemuseum spendiert, Kollektivismus hilft gegen Depressionen und Elektroautos haben Gemeinsamkeiten mit Walen. Schließlich wurden Dinosaurier von einem noch größeren Meteoriten platt gemacht, als wir bisher dachten, außerdem von dem Meteoriten, von dem wir das bisher dachten und von Vulkanen.
Das Zeitalter der digitalen Biologie [2]
Craig Venter ist immernoch dabei, neue Lebensformen zu erschaffen, wobei er sich der Rekombination von DNA bedient. Eine dieser Lebensformen ist eine Algenart, die Öl produziert. So könnte man Biotreibstoffe aus Algen herstellen. Ölkonzern Exxon ist durchaus angetan und würde Milliarden bereitstellen. Aber spielt Craig Venter dabei nicht Gott? „Das ist ein alter und noch dazu falscher Vorwurf. Ich verkörpere ja keine mythischen Charaktere“, so Venter im Interview.
Geflügeltes Einhorn in Bernstein [3]
Es wurde eine Urzeit-Fliege entdeckt, die ein zusätzliches Horn mit Augen daran hatte. Damit behielt sie die Übersicht über kleine Blüten. Als die Blüten aber größer geworden sind, starb die Fliege aus.
So riechen Sie [4]
Gut. Die Wahrnehmung von Gerüchen im Gehirn funktioniert schön der Reihe nach: Erst beurteilen wir, ob die Gerüche neu sind, oder schon bekannt, dann beurteilen wir sie als angenehm oder unangenehm.
Kreationisten im staatlichen Naturkundemuseum [5]
Reinhold Leinfelder ist Vorsitzender des Konsortiums Deutsche Naturwissenschaftliche Forschungssammlungen (DNFS), zu dem das Staatliche Museum für Naturkunde [6] in Stuttgart gehört. Und er kann es nicht leiden [7], dass wir, also die Giordano Bruno Stiftung und die AG Evolutionsbiologie, auch auf die weltanschaulichen Konsequenzen der Evolutionstheorie eingehen. Er hat uns sogar untersagt, auf Veranstaltungen in Museen der DNFS auf darwin-jahr.de hinzuweisen. Was er dagegen offenbar leiden kann, ist ein Auftritt von Kreationisten im Naturkundemuseum Stuttgart, der einen Teil des Rahmenprogramms zur Sonderausstellung „Der Fluss des Lebens - 150 Jahre Evolutionstheorie“ darstellt. Auf diese Veranstaltung weisen wir doch einmal hin.
Dort treten nämlich Dr. Stephen Meyer oder Dr. Douglas Axe vom „Discovery Institute“ (US-Intelligent-Design-Zentrale) auf, außerdem „Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig (MPI)“ und Dr. Reinhard Junker (Wort und Wissen), wobei Wort und Wissen, das muss noch einmal betont werden, rein gar nichts mit dem Discovery Institute zu tun hat. Auf dieser Podiumsdiskussion achten die Kreationisten darauf, mit ihren Doktortiteln aufzukreuzen, um möglichst seriös zu wirken und Herr Lönnig schaut sogar im Namen des „MPI“, des Max-Planck-Instituts, dort vorbei, obwohl er sich im Ruhestand befindet. Endlich mal eine Diskussion zwischen Wissenschaftlern über die Wissenschaft des Intelligent Design, über die man innerwissenschaftlich unbedingt diskutieren muss, weil ID so unglaublich seriös und so wissenschaftlich ist. Nach der Arche Noah im Naturkundemuseum in Erfurt [8] der nächste große Hit für die Sechs-Tage-Theoretiker.
Die Medizin betrachtet Krankheiten und unsere Anfälligkeit dafür zunehmend aus evolutionärer Perspektive. Bei artgerechter Haltung ist der Mensch gesünder.
Hilft Kollektivismus gegen Depressionen? [10]
In den asiatischen Ländern, also im „fernen Osten“, haben 70-80% der Bevölkerung die kurze Variante des Gens 5-HTTLR. Wer die kurze Variante hat, fokussiert sich stärker auf Bedrohliches und ist ängstlicher, auch Depressionen hängen mit der Genvariante zusammen. Forscher haben nun die Theorie aufgestellt, dass diese Genvariante zur Entwicklung des östlichen Kollektivismus beigetragen hat, einer Gesellschaftsform, welche die Gruppe und die Gemeinschaft ins Zentrum rückt und wo Dinge wie Familienehre und Autorität eine größere Rolle spielen. Nun könnte aber genau dieser Kollektivismus eine Anti-Psychopathologie-Funktion haben, also vielleicht ist er der Grund, warum Depressionen trotz der genetischen Anfälligkeit im fernen Osten seltener vorkommen als hier. Antidepressiva hätten den Kaiser von China insofern gut ersetzen können.
Die relativen Dinosaurierhasser [11]
Es gibt Menschen, denen Einsteins spezielle Relativitätstheorie nicht gefällt. Ihre Argumentationsstrukturen ähneln jenen der Kreationisten.
Was haben Mäuse und Echsen gemein? [12]
Nicht viel. Aus der Rolle tanzen allerdings die Kurzschwanzspitzmaus und eine Skorpion-Krustenechse, die sich mit dem selben Gift verteidigen. Hier spricht man von Analogie oder Konvergenz, der Entwicklung von ähnlichen Merkmalen bei nicht-verwandten Arten.
Was haben Elektroautos und Wale gemein? [13]
Auch nicht viel. Allerdings finden Wissenschaftler Parallelen zwischen der technischen Entwicklung und der biologischen Evolution. Technikhistoriker Thomas Wieland von der Technischen Universität München sagte über den Vergleich mit der Evolution: „Die Technikgeschichte schafft es so, von einer bloßen Aneinanderreihung einzelner Erfinder und heroischer Momente wegzukommen.“
Bisher unbekannte Tierarten auf Lanzarote entdeckt [14]
Neue Arten – es ist ein Wettlauf zwischen Entdecken und Ausrotten. Diesmal waren die Forscher schneller und haben auf der Vulkaninsel Lanzarote Grottenkrebse und vielborstige Ringelwürmer entdeckt. Die Grottenkrebse gehören einer 200 Millionen Jahre alten Krebstiergruppe an, haben also Tradition.
Wie das Gehirn Wirklichkeit konstruiert [15]
Auf YouTube gibt es eine Dokumentation rund um die neueste Hirnforschung mit Wolf Singer und co.
Englische Presse
Noch größerer Meteorit tötete Dinos [16]
Vor 65 Millionen Jahren schlug ein Meteorit in Mexiko ein und erzeugte einen „nuklearen Winter“, der die Dinosaurier tötete. Sollte das nicht gereicht haben, halfen starke Vulkanausbrüche zur selben Zeit nach. So die weit verbreitete Annahme über das Aussterben der Urzeitechsen. Nun ist ein dritter Unglücksfaktor hinzugekommen, nämlich ein noch größerer Meteorit, der zur etwa selben Zeit in Indien eingeschlagen ist. Der Krater des Riesen-Meteoriten ist ganze 500 Kilometer groß, der mexikanische Krater bringt es nur auf 10 Kilometer. Was also führte zum Aussterben der Dinosaurier? Dreimal großes Pech.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-346-587.jpg
[2] http://derstandard.at/fs/1256255986897/Forschung-Spezial-Wir-leben-im-Zeitalter-der-digitalen-Biologie
[3] http://www.scienceticker.info/2009/10/27/gefluegeltes-einhorn-in-bernstein/
[4] http://www.20min.ch/news/wissen/story/So-riechen-Sie-24125837
[5] http://www.evolution2009.de/startseite.html
[6] http://www.evolution2009.de/partner/kooperationspartner.html
[7] http://achdulieberdarwin.blogspot.com/2009/03/instrumentalisierung-von-darwin-durch.html
[8] http://www.darwin-jahr.de/../../../../../../../../evo-magazin/wenig-aber-viel?page=0,1
[9] http://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article1249062/Biologie-Evolution-als-Krankheitsursache.html
[10] http://diepresse.com/home/science/517931/index.do?from=gl.home_wissenschaft
[11] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31242/1.html
[12] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,658135,00.html
[13] http://www.sueddeutsche.de/wissen/9/492366/text/
[14] http://derstandard.at/fs/1256743710163/Bisher-unbekannte-Tierarten-auf-Lanzarote-entdeckt
[15] http://www.youtube.com/watch?v=Wl224WyYLgY
[16] http://www.economist.com/sciencetechnology/displayStory.cfm?story_id=14698363