Presseschau | 01.10.2009
...war diese Presseschau. Doch nicht nur die, denn mit „Ardipithecus ramidus“ wurde nun ein echter Missing Link entdeckt, ein Hominid, der nahe am spätesten gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch liegt. Leider haben wir zu wenige Parasiten, was die Freude über „Ardi“ senkt. Zum Ausgleich wurde immerhin die erste Schutzzone für Haie eingerichtet. Außerdem: Katholiken wissen nicht, was sie glauben, Pandas sollen endlich aussterben und mehr.
Echter Missing Link entdeckt [2]
Jetzt, wo die Leute nach dem Ida-Hype enttäuscht sind und neue Funde mit besonders skeptischem Auge betrachten, wurde ein tatsächlicher Missing Link entdeckt, also der späteste mögliche Vorfahr des Menschen, den er nicht mit dem Schimpansen gemeinsam hat, der jemals gefunden wurde (es gibt aber noch frühere, man geht von sechs Millionen Jahren für den letzten Vorfahren des Menschen aus, von dem zugleich auch die Affen abstammen). Sein Name ist „Ardi“ oder Ardipithecus ramidus.
Der Fund ist von einiger Bedeutung, denn er revidiert unsere Vorstellung [3], dass unser gemeinsamer Vorfahre mit den anderen Affen eher wie ein Affe (genauer: Pan) ausgesehen hat, denn wie ein Mensch (Homo). Ardi lief bereits vor 4,4 Millionen Jahren aufrecht auf zwei Beinen [4]. Trotzdem kletterte er meist auf Bäumen herum, wie seine Fußform aufzeigt. Der jüngere Australopithecus verbesserte seine Fähigkeit des aufrechten Gangs. Im Grunde sieht er fast so aus, wie man sich gemeinhin Big Foot vorstellt. Ardi lebte nicht in der offenen Savanne, sondern in einem feuchten Waldland. So viel zum Aufrichten des Menschen, damit er einen guten Überblick hat.
Siehe dazu auch die Frankfurter Rundschau [5] und das Handelsblatt [6].
Falsch konstruiert für die moderne Welt [7]
Unsere Vorfahren sind viel gelaufen und hatten eher wenig zu essen. Wir laufen gar nicht und essen die ganze Zeit. Das bringt gesundheitliche Probleme mit sich.
Wir haben zu wenige Parasiten [8]
Offenbar hatten Darmparasiten einen Einfluss auf die Entwicklung des menschlichen Immunsystems. Zwar schwächen sie dieses, damit sie nicht von ihm attackiert werden, allerdings führt die Schwächung wiederum zu Gegenreaktionen des Immunsystems und stärkt es, bis ein Gleichgewicht entsteht. Nun hat man festgestellt, dass Kinder, die von Parasiten befallen sind, erheblich seltener unter Allergien leiden als solche, die nicht befallen sind. Macht uns der Mangel an Parasitenbefall für Allergien anfällig? Auf Basis dieses Wissens arbeiten Forscher an neuen Behandlungsmethoden gegen Allergien und Asthma.
Die Inselkette Palau richtet die erste Schutzzone für Haie ein. Sie dürfen in dem 600 000 Quadratkilometer großen Gebiet nicht gejagt werden. Leider verfügt Palau, das 2008 bereits den Export von lebenden Rifffischen verboten hatte, um seine Korallenriffe zu schützen, nur über ein einziges Patrouillenboot. Damit lässt sich ein Gebiet, das so groß ist wie Frankreich, kaum überwachen, darum bat der Präsident von Palau die Staatengemeinschaft um Unterstützung.
Evolutionäre und philosophische Ethik [10]
Unser Wissen über die biologische Verfasstheit des Menschen hilft bei der Entwicklung einer ihm angemessenen, realistischen Ethik. „Eine wirkliche Provokation kann die evolutionäre Ethik nur für diejenigen sein, die daran festhalten wollen, dass die Menschheit die moralischen Normen auf dem Berg Sinai von höchster Stelle fix und fertig mitgeteilt bekommen hat“, schreibt der Philosoph Kurtz Bayertz in diesem Artikel. Wenn man über Ethik spricht, lässt sich Religionskritik offenbar kaum vermeiden.
Dinosaurier-Eier in Indien gefunden [11]
Ungefähr 65 Millionen Jahre alte Dinosaurier-Eier wurden in Indien entdeckt. Sie waren mit vulkanischer Asche bedeckt, woraus die Forscher schließen, dass womöglich Vulkanausbrüche zum Aussterben der Dinos, jedenfalls in dieser Region, geführt haben.
Denn sie wissen nicht, was sie glauben [12]
Nimmt man die Aussagen, die katholische Bischöfe in letzter Zeit getätigt haben, könnte man fast meinen, dass sie nicht mehr an den christlichen Gott glauben. Stattdessen ist der Deismus nun angesagt. In einem Beitrag auf kath.net macht nun ein katholischer Theologiestudent weiter mit dem Versuch, Evolution und Christentum zu versöhnen.
„Der Zufall stünde seit Darwin an der Stelle Gottes. Dies wollen die Atheisten uns zumindest so glauben machen“, schreibt er. Nein, wollen wir nicht. Die natürliche Selektion basiert nicht auf Zufall. Nur Mutationen sind zufällig, werden aber nicht zufällig weitergegeben. Die am besten an ihre Umwelt angepassten Lebewesen überleben, nicht einfach irgendwelche Lebwesen.
„Woher kommt alles, was wir sehen? Bei diesen Fragen stößt die Naturwissenschaft von ihrer Methodik her an ihre eigenen Grenzen. Sie kann aus den beobachtbaren Phänomenen der Natur auf ihre Gesetzmäßigkeiten schließen, also auf das Wie der Vorgänge in der Natur. Aber auf die Frage, wieso da etwas ist und woher dieses Etwas kommt, ist sie methodisch nicht in der Lage, eine Antwort zu geben.“
„Wieso“ ist allerdings eine unsinnige Frage, wenn es um die Natur geht. Naturgesetze haben keine Absichten, Menschen haben Absichten. Man fragt doch auch nicht, welche Farbe der Gesang des Kuckucks hat, also warum fragt man nach dem „Wieso“ der Evolution?
„Glaube und Naturwissenschaft geben also Antworten auf verschiedene Fragen. Sie ergänzen sich, können sich aus katholischer Sicht aber nicht widerprechen“, schreibt der Autor des Gastbeitrags. Aber was ist, wenn sie sich doch widersprechen? Was macht die katholische Sicht dann? Die Augen verbinden?
„Die katholische Kirche glaubt ja auch an die creatio continua, die kontinuierliche Schöpfung durch Gott. Dies Schöpfung ist nicht abgeschlossen, sondern dauert heute noch fort. Würde Gott, der alles im Dasein erhält, sich zurückziehen, würde alles ins Nichts versinken. Dies alles geht sehr gut mit dem Evolutionsgedanken zusammen.“
Nein, das geht wirklich überhaupt nicht zusammen! Und das hat auch nichts mehr mit dem deistischen Schöpfergott von weiter oben zu tun, sondern ist Kreationismus pur, mehr noch: Der Gott dieser Passage erinnert an Allah, der ebenfalls ständig in die Welt eingreifen muss, weil sich sonst nichts tun würde (laut islamischer Lehre gibt es keine Naturgesetze, da ist das Christentum für gewöhnlich großzügiger).
„Das naturwissenschaftliche Weltbild ist seit Darwin von der Evolution geprägt. Daran kommen wir nicht mehr vorbei. Damit ist aber nicht dieses (atheistisch) evolutive Weltbild gemeint, das Evolution als Erklärung für alles und jedes heranzieht – auch für die Moral.“
Eine solche Unterscheidung existiert in der Biologie aber nicht. Dieses Fachgebiet ist nicht aufgeteilt in „normale Biologie“ und „atheistische Biologie“. Auch die menschliche Moralfähigkeit ist evolutionär entstanden, das ist eine wissenschaftliche Tatsache und keine „atheistische“ Fiktion.
„Wie groß muss unser Gott doch sein, dass er die Entwicklung der Arten durch einen evolutiven Prozess gestalten konnte.“
Na, auf jeden Fall leidet er unter ernsthaften psychischen Problemen, wenn sein Plan darin besteht, 99% seiner Schöpfung wieder aussterben zu lassen und einen Stein auf die Dinos zu kicken, damit sie Platz machen für den Menschen.
Englische Presse
Gefiederte Dinos wurden zu Vögeln [13]
Dinosaurier, konkret fleischfressende Therapoden wie der Velociraptor, entwickelten sich zu Vögeln. Für diese These sind weitere Belege in Form von Fossilien aufgetaucht, die einmal gefiederte Dinosaurier waren.
Wilde Brüllaffen wurden erstmals dabei beobachtet, wie sie Hühnern ihre Eier stehlen und sie auffressen. Bislang war man der Meinung, Brüllaffen ernährten sich rein vegetarisch.
Weltgrößter Online-Zoo eröffnet [15]
Bilder und Videos von 370 Tieren hat die BBC auf einer neuen Website [16] versammelt. Der bekannte Tierfilmer David Attenborough ist an dem Projekt aktiv beteiligt und liefert neues Material.
Das sagt zumindest Wildtierexperte und Tierschützer Chris Packham. Er kritisiert, dass wir so viel Aufwand betreiben, um niedliche und kuschelige Tiere zu retten, anstatt mehr auf die Erhaltung von Ökosystemen zu setzen. Wenn der Panda aus natürlichen Gründen ausstirbt, dann soll er eben aussterben und Platz machen für fittere Tiere. Die WWF widerspricht, schließlich ist der Panda nicht umsonst ihr Markenzeichen, denn er dient zur Popularisierung der Idee des Tierschutzes. Essenziell hat Packham allerdings recht, dass die Erhaltung von Ökosystemen Vorrang haben sollte vor dem Schutz einzelner Arten, die noch dazu nach dem willkürlichen Kriterium beschützt werden, dass wir sie süß finden.
AM
Ardi-Bild: Science [18]/ JH Matternes
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-329-558.jpg
[2] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/10/01/welcome-to-ardi-a-new-member-of-our-family/
[3] http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/326/5949/73/DC2
[4] http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/326/5949/71/DC2
[5] http://fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1986357_Urahnin-Ardi-Aufrechter-Gang-seit-44-Millionen-Jahren.html
[6] http://www.handelsblatt.com/technologie/forschung/ardi-revolutioniert-bild-unserer-urahnen;2463810
[7] http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,651415,00.html
[8] http://hpd.de/node/7837
[9] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1973695_Erste-Schutzzone-fuer-Haie.html
[10] http://www.sueddeutsche.de/wissen/761/465353/text/6/
[11] http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/8284695.stm
[12] http://www.kath.net/detail.php?id=24078
[13] http://www.guardian.co.uk/science/2009/sep/24/dinosaur-fossil-discovery-china
[14] http://news.bbc.co.uk/earth/hi/earth_news/newsid_8270000/8270801.stm
[15] http://www.guardian.co.uk/environment/2009/sep/28/bbc-wildlife-finder-online-zoo
[16] http://www.bbc.co.uk/wildlifefinder
[17] http://www.channel4.com/news/articles/science_technology/should+we+let+pandas+go+extinct/3354397
[18] http://www.sciencemag.org/content/current/