Presseschau | 03.07.2009
Individuelles Lernen ist gut für die Gesellschaft und Schlaf hilft gegen Parasitenbefall. Die Evolutionäre Psychologie nähert sich ihrem Ende, oder auch nicht, und Atheisten sind angeblich am Kreationismus schuld. Außerdem wurde die Entstehung des Biergeschmacks erforscht und ein Megapiranha-Fossil entdeckt. Doch das ist noch gar nichts gegen die spannende Erfolgsgeschichte der Kieselalgen! Also nehmt euch in acht, die Presseschau naht!
Entstehung des Biergeschmacks entschlüsselt [2]
Da Forscher bekanntlich nichts besseres zu tun haben, fanden sie nun heraus, wie genau der Geschmack von Bier von uns wahrgenommen wird. Auch gibt es eine genetische Variabilität der Bierwahrnehmung, wodurch unterschiedliche Biervorlieben zustandekommen. Vielleicht kann man die Ergebnisse nutzen, um schmackhafteres Bier zu brauen.
Doppeltes Spiel [3]
Mimikry heißt es, wenn Tiere so tun, als wären sie jemand anderes. Zum Beispiel gibt es eine Spinne, die wie eine Ameise riecht und die darum nicht als Spinne erkannt wird. Mehr über Mimikry erfährt man in diesem Artikel.
Fossil des Mega-Piranha entdeckt [4]
Bis zu einen Meter lang war er, dreimal so groß wie heutige Piranhas. Er aß jedoch nicht nur Fleisch, sondern auch Pflanzen. Der tatsächlich so bezeichnete „Megapiranha“ – jenseits von Hollywood ist er zum Glück ausgestorben.
Die Erfolgsgeschichte der Kieselalgen [5]
Alles Leben evolviert – auch das Uninteressante. Doch nicht nur T-Rex und Mensch haben eine evolutionäre Erfolgsgeschichte (nun, die vom T-Rex nahm ein abruptes Ende), sondern auch die Kieselalgen. In diesem Artikel kommen sie zu ihren lange verdienten fünf Minuten Ruhm.
Die Evolution der Thymusdrüse [6]
Wer die Evolution der Kieselalge noch nicht langweilig genug fand, kann sich in diesem Artikel über die Evolution der Thymusdrüse informieren. Und da sagen Kreationisten, es gäbe keine Belege für die Evolution, wo es doch für jedes kleine, noch so unbekannte Organ eine evolutionäre Geschichte gibt. Immerhin: Ohne die Thymusdrüse würde unsere Immunabwehr alt aussehen, also spotten wir nicht zu sehr über sie.
Warum können manche mit den Ohren wackeln? [7]
Die Ohren-Wackelei ist für den Menschen ziemlich unwichtig, er setzt auf die Macht der Optik und hört gut genug, auch ohne die Ortung durch Ohr-Ausrichtung. Ob wirklich nur manche Menschen mit den Ohren wackeln können, ist derweil fraglich. Vielleicht ist alles nur Übungssache.
Bei warmem Wetter evolviert es sich besser. Das gilt auch für Säugetiere, wie man jetzt herausgefunden hat.
Konformismus bis zum Untergang [9]
„Das Risiko eines Kollapses kann durch Förderung des individuellen Lernens gegenüber der sozialen Konformität verringert werden“, sagt der Forscher Hal Whitehead. Was heißt das? Dass die Alten auch mal auf die Jungen hören müssen und die Angepassten auf die Außenseiter, weil ansonsten die Gesellschaft untergeht.
Die Urzeit-Wesen von Banks Island [10]
In der kanadischen Artikis leben Moschusochsen und andere Tiere, die an längst vergessene Zeitalter und an Mammuts erinnern. Jedenfalls steht das so in diesem Artikel.
Rätsel um Chloroplasten-Geheimgang gelöst [11]
Für die Photosynthese werden auch Eiweißmoleküle benötigt. Nun hat man herausgefunden, wie sie durch die Chloroplasten geschleust werden. Zugleich könnte diese Erkenntnis zur Entwicklung eines Malaria-Heilmittels beitragen. Da sieht man wieder einmal, wie man die Grundlagenforschung beizeiten unterschätzt. Man weiß nie, wozu sie gut ist.
Schlaf für Parasitenschutz [12]
Der Schlaf dient, zumindest bei vielen Tieren, für die Stärkung des Immunsystems und hilft gegen Parasitenbefall.
Hier geht es um die Evolution der menschlichen Sprache und ihre tierischen Vorformen.
Wie der Mensch die Menschlichkeit lernte [14]
Spieltheorie und Computersimulationen zeigen auf, warum sich Moral aus Sicht der Evolutionstheorie lohnt.
Kognitive Archäologie und menschliche Evolution [15]
Wie haben sich unsere kognitiven Fähigkeiten entwickelt? Dieser Frage gehen 13 Wissenschaftler in diesem neuen Buch nach, das Beda Stadler empfiehlt.
Wer die Evolution nicht versteht... [16]
...der glaubt, dass Religion und Wissenschaft kompatibel sind. So könnte man das Ergebnis einer neuen internationalen Studie des British Council zusammenfassen. Laut dieser Studie stehen Russland, (48%), die USA (42%), Südafrika (41%) und Ägypten (25%) den wissenschaftlichen Belegen für Darwins Theorie skeptisch gegenüber. Dies sind sogleich die Länder, in denen ein besonders großer Teil von der Vereinbarkeit von Evolutionstheorie und Gottesglaube ausgeht: Russland, USA (53%), Südafrika (54%) und Ägypten (45%).
Buchanan muss gehen [17]
In einem offenen Brief fordert Biologe Greg Laden die MSNBC auf, ihren reaktionären Kommentator Pat Buchanan zu entlassen. Der Gipfel seiner Bemühungen, dem Ansehen der Wissenschaft zu schaden (weil ihre Ergebnisse nicht in sein Weltbild passen), war seine Kolumne: PJB: Making a Monkey Out of Darwin [18]. Darin macht er die Evolutionstheorie für Eugenik, den Ersten Weltkrieg, den Nationalsozialismus, den Kommunismus und den Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Außerdem sei die Evolutionstheorie gar keine Wissenschaft, sondern eine Religion, was dann ja wohl bedeutet, dass mit Religion etwas nicht stimmt...
Wallace an Darwins rechten Platz? [19]
Obwohl Alfred Russel Wallace davon ausging, dass einige Körperteile und der menschliche Geist von spirituellen Wesen erschaffen wurden (Intelligent Design) gelangte er auch zeitgleich mit Darwin auf den Gedanken der natürlichen Selektion. Der Streit um seinen rechten Platz in der Wissenschaftsgeschichte dauert an.
Die Neuen Atheisten natürlich. Das sagt inzwischen sogar Chris Mooney, der ein Buch über den „Krieg der Republikaner gegen die Wissenschaft“ geschrieben hat. Und nicht nur in einem Artikel, sondern ein ganzes Kapitel seines neuen Buches widmet er dem Thema, wie die Neuen Atheisten religiöse Menschen von der Wissenschaft abbringen, weil sie sagen, dass Religion und Wissenschaft unvereinbar sind. Sollte es nicht wenigstens ein bisschen zählen, was denn nun eigentlich wahr ist, gerade für Wissenschaftler? Oder ist am Ende alles nur Politik? Zudem stützen die Belege Mooneys These überhaupt nicht. Seit Jahrzehnten betreiben Wissenschaftsorganisationen eine versöhnliche Politik und die Kreationisten sind so stark und so zahlreich wie vorher, wenn nicht sogar noch stärker.
War die Evolutionäre Psychologie ein Irrweg? [21]
In Newsweek schreibt Sharon Begley eine Kritik an der Evolutionären Psychologie. Hier eine Zusammenfassung:
Zu den Thesen aus diesem Bereich gehört jene, dass es ein Modul für Vergewaltigung im Gehirn gäbe, dessen genetische Grundlage adaptiv ist. Nach einer empirischen Überprüfung dieser These sieht es aber so aus, als würde sich Vergewaltigung als Fortpflanzungsstrategie nicht lohnen, also nicht adaptiv sein. Da sich die Umweltbedingungen, in denen sich unsere Vorfahren zurechtfinden mussten, sehr oft geändert haben, ist der Mensch äußerst flexibel bei der Auswahl einer Strategie, um seine Gene weiterzugeben.
Diese Flexibilität gilt auch für die Partnersuche. So mögen Männer dickere, stärkere Frauen in Kulturen, in denen diese an der Nahrungssuche beteiligt sind, bzw. in denen sie arbeiten. Wo Frauen ökonomisch von Männern abhängen, bevorzugen Männer das „Barbie-Modell“. Ebenso suchen sich Frauen eher Männer nach dem Aussehen aus, wenn sie selbst finanziell unabhängig sind.
Die von Anhängern der Evolutionären Psychologie vertretene These, dass Stiefväter die Kinder ihrer neuen Frau schlechter behandeln als ihre leiblichen Kinder, ist ebenfalls unter Beschuss geraten. Zum Beispiel sind Stiefväter mit höherer Wahrscheinlichkeit Psychopathen und darin liegt oftmals der Grund, warum sie die Kinder schlecht behandeln, nicht im Verwandtschaftsgrad. Witwen bekommen tendenziell nicht die besten Männer. Es kann ebenso ein adaptiver Vorteil für Männer sein, die Kinder ihrer neuen Frau gut zu behandeln – schließlich wollen sie ja selbst ihre Gene weitergeben, was die potenzielle Mutter andernfalls ablehnen könnte.
Eine weitere These aus dem Bereich der Evolutionären Psychologie betrifft den Adaptivität des „Krieger-Gens“. Erfolgreiche Krieger sind jedoch der Gefahr ausgesetzt, dass sich der feindliche Stamm an ihnen rächt und auch ihre Frauen und Kinder tötet. Manchmal kann ein aggressives Verhalten adaptiv gewesen sein, in anderen Umgebungen jedoch nicht. Auch wurde behauptet, dass sexuelle Untreue von Frauen nicht als so schlimm empfunden wird wie emotionale Untreue. Das hängt allerdings, wie auch bei Männern, ganz davon ab, ob sexuelle Untreue in einer bestimmten Gesellschaft das Ende einer Beziehung einleitet oder ob man sie als weniger dramatisch wahrnimmt. Die Eifersucht hängt also vor allem von der vermuteten Beziehungsgefährdung ab.
Auch gegen die Evolutionäre Psychologie spreche, dass menschliche Gene entdeckt wurden, die erst 10 000 Jahre alt sind. Für den Phänotyp, den sie ausbilden, wäre es recht egal, was Steinzeitmenschen getrieben haben und was nicht. Dieses Verhalten würde einfach zu lange zurück liegen, als dass es noch in unseren Genen verankert sein könnte.
Die sogenannte „Verhaltensökologie“ möchte nun die Evolutionäre Psychologie ablösen.
Thomas Junker hält den Artikel für Unsinn, während ihn der Biologe Jerry Coyne wärmstens empfiehlt [22]. Wir werden noch genauer auf seine Thesen eingehen, in den USA hat er eine hitzige Debatte ausgelöst.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-294-476.jpg
[2] http://www.schweizmagazin.ch/2009/07/01/entstehung-des-biergeschmacks-entschlusselt/
[3] http://www.wissenschaft-online.de/artikel/999949
[4] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-10109-2009-06-29.html
[5] http://www.laengsynt.de/laengsynt/index.php/newsneues-mainmenu-145/35-neues/454-warum-sind-kieselalgen-so-erfolgreich
[6] http://idw-online.de/pages/de/news322835
[7] http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Kultur+Wissen/Artikel,-Das-mit-dem-Ohren-wackeln-_arid,1686227_regid,2_puid,2_pageid,9634.html
[8] http://diepresse.com/home/science/490588/index.do?_vl_backlink=/home/science/index.do
[9] http://diepresse.com/home/science/490586/index.do?_vl_backlink=/home/science/index.do
[10] http://www.abendblatt.de/reise/article1071220/Die-Urzeit-Wesen-von-Banks-Island.html
[11] http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4425669,00.html
[12] http://www.tiergesundheit-aktuell.de/kleintiere/aktuelles-450.php?seite=
[13] http://www.sueddeutsche.de/wissen/697/477193/text/
[14] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,631846,00.html
[15] http://www.kyriacou.ch/files/leseempfehlung_zum_darwin_jahr_cognitive_archaelogy_and_human_evolution.html
[16] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/07/the_sorry_state_of_the_public.php
[17] http://scienceblogs.com/gregladen/2009/07/msnbc_time_to_retire_buchanan.php?utm_source=mostactive&utm_medium=link
[18] http://buchanan.org/blog/pjb-making-a-monkey-out-of-darwin-1588
[19] http://news.yahoo.com/s/ap/20090628/ap_on_sc/as_fea_malaysia_forgotten_evolutionist_1
[20] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/07/i_was_wondering_about_that.php
[21] http://www.newsweek.com/id/202789/output/print
[22] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/06/26/genetic-determinism-not-so-fast/