
Presseschau | 08.05.2009
Senkrechte Seepferdchen stammen von waagerechten ab, Forscher vernichten die Erde, Craig Venter will das Leben selbst verändern, Dornröschen wird Genetiker, Evolution fällt in die Medizin ein und Menschen schmecken gut. Außerdem wurde ein Lehrer für Kreationismus-Beleidigung verurteilt und der Streit um die Vermittlung der Evolution in den USA geht in die heiße Phase über.
Auch ein mildes Virus kann gefährlich werden [2]
Endlich haben wir einen legitimen Grund für ein wenig Panikmache, es gilt einiges aufzuholen. In diesem Interview erklärt der Virologe Thorsten Wolff, warum wie die Schweinegrippe nicht unterschätzen sollten, auch wenn komischerweise die meisten Medien das Interesse an ihr verloren haben.
Ursprung der senkrechten Seepferdchen [3]
Schon wieder Seepferdchen, seit ihrer Musical-Nummer in Disneys „Arielle“ wird man sie einfach nicht mehr los. Hier geht es um die Evolution der heutigen, senkrecht schwimmenden Seepferdchen von waagerechten Vorfahren.
Forscher machen Erde platt [4]
Enttäuscht darüber, dass das schwarze Loch des LHC die Erde nun doch nicht eingesaugt hat, wollen deutsche Forscher nun einen Meteoriten auf unsere Heimatkugel werfen, um zu sehen, ob er alles Leben zerstört, oder ob die Evolution von Neuem beginnen kann. Zum Glück nur in einer Computersimulation.
Ein Artikel über die biologische Beschaffenheit der Völker in Star Trek. Evolution ist eben überall. Selbst die Vulkanier entkommen ihr nicht.
Craig Venter: Wir werden das Leben selbst verändern [6]
Mit Hilfe der Gentechnik könnten wir Mikroorganismen entwickeln, die Biosprit produzieren und CO2 recyceln. Durch die Beschleunigung und Steuerung der Evolution durch Gentechnik könnten wir das Leben selbst verändern, sagt der berühmte Craig Venter. Ich glaube, ich kenne genau die Leute, die bei Erklang jener Worte schon einmal vorsorglich ihre Mistgabeln schärfen.
Moos stellt menschliche Proteine her [7]
Nach dem Killer-Mais nun das Killer-Moos. Gentechniker pflanzen menschliche Gene in Blasenmützenmoos ein. So lässt sich günstig der Bedarf an therapeutischen Proteinen wie Insolin decken, das für viele Menschen lebensnotwendig ist. Die Worte der Gentechnik-Kritiker klingen schon unheilvoll in den Ohren: Welch schändlicher Eingriff in die Schöpfung! Was, wenn das Moos mutiert und uns alle auffrisst wie die berüchtigten Killertomaten, etc.
Schlimmer geht’s immer. Nun vergreifen sich nicht nur Menschen an der Schöpfung, sondern es gibt doch tatsächlich Pflanzen, die ihre Gene miteinander selbst austauschen. Ein Gräuel!
Dornröschen als Gentechniker [9]
Da setzen wir noch einen drauf: Forscher haben mit „Dornröschen“ ein verbessertes Werkzeug für die Gentherapie entwickelt. Das macht die teuflische Genetik effektiver als jemals zuvor!
Evolution in die Medizin! [10]
Evolution gehört auch ins Medizinstudium, findet der Humangenetiker Karl Sperling. Möglichkeiten werden durch die Genanalyse auch in Richtung evolutionäre Medizin eröffnet, mit der man seine biologische Krankengeschichte nachvollziehen kann, um effektivere Heilmittel zu finden.
Evolutionäre Medizin [11]
Für den Biologen Randolph Nesse ist die Evolution schon in der Medizin angekommen, allerdings hat er große Probleme damit, ihre Bedeutung zu vermitteln. Offenbar stecken ihn Mediziner gerne mit Homöopathen in eine Schublade. Und noch ein Grund mehr, die Evolution besser in unserem Bildungswesen zu verankern.
Sprachbegabte Vögel wie Papageien bewegen sich rhythmisch zu Musik. Mit anderen Worten: Sie tanzen! Dies legt nahe, dass unsere Musikalität als Nebenprodukt unserer Sprachfähigkeit entstanden ist. Die Tanzereien der Vögel kann man sich in äußerst amüsanten YouTube-Videos [13] ansehen.
Kannibalischen Gourmets zufolge schmecken Menschen wie Hühnchen. In diesem Artikel geht es allerdings um den menschlichen Geschmackssinn, der, wie sich heraugestellt hat, sehr viel besser ist, als man das bislang dachte. Auch das hängt mit der Evolution zusammen, weil unser guter Geschmackssinn ja irgendwie entstanden sein muss.
Einzellige Extremsportler [15]
Die „Archae“ genannten Bakterien halten sich gerne in extrem unwirtlichen Gegenden wie Vulkanen auf. Wer's braucht.
Lebewesen folgen Fließmuster [16]
Forscher haben entdeckt, dass ein Naturgesetz universeller gilt als bisher angenommen: Lebewesen entwickeln ihre Bewegungsabläufe nach dem sogenannten „konstruktalen Gesetz“, das aus der Mechanik bekannt ist. Das steht immerhin im Fachjournal Physics of Life Review, also wird etwas dran sein.
Bedrohung für die Freiheit der Wissenschaft [17]
Zumindest amerikanische Kreationisten bedrohen die Freiheit der Wissenschaft, indem sie die Forschung ihrem Weltbild unterordnen wollen. In Texas und anderswo konnten sie entsprechend Erfolge verzeichnen. Für Deutschland sollte man die Lage aber auch nicht überdramatisieren. Hier gibt es eher theistische Evolutionisten, die auch sehr seltsame Dinge glauben.
Der Zebrafink als Kaspar Hauser [18]
Experimente, in denen Zebrafinken isoliert aufgezogen wurden, zeigen, dass ihr Gesang zum Teil vererbt und zum Teil erlernt ist.
Lehrer wegen Beleidigung des Kreationismus verurteilt [19]
In Kalifornien wurde ein Geschichtslehrer verurteilt, weil er die kreationistischen Ansichten eines Schülers beleidigt habe: „Corbett äußert einen unmissverständlichen Glauben, dass Kreationismus ‘abergläubischer Unfug’ sei”, sagte Richter James Selna in seiner 37-seitigen Urteilsbegründung. „Dieses Gericht kann keinen legitimen säkularen Zweck in dieser Bemerkung erkennen, auch wenn sie im Kontext betrachtet wird.”
Der Zweck ist Information und Warnung vor extremistischen Positionen, insofern ist diese Entscheidung schwer nachvollziehbar. Genau genommen wurde der Lehrer als Staatsrepräsentant für seine Parteinahme für ein bestimmtes Weltbild (Atheismus) und gegen ein anderes (Christentum) verurteilt. Dazu muss man allerdings sagen, dass er das Christentum ja nicht per se beleidigt hat, sondern den fundamentalistischen Kreationismus, eine konkrete Position in Bezug auf Alter und Herkunft der Erde und der Lebewesen. Und er hat auch keinen Schüler diskriminiert oder beleidigt, sondern nur ein bestimmtes Element eines fundamentalistischen Weltbilds. Ein folgenreiches Urteil für Lehrer, die nun wohl noch seltener absurde Vorstellungen ihrer Schüler kritisieren werden. Irgendwann gibt es dann eine Eins für deren Meinung, dass der Mond aus Käse besteht.
Intuition spart Zeit und Energie [20]
Intuition ist ein Produkt überwiegend unbewusster Prozesse im Gehirn und insofern zeit- und kostengünstig. Aus evolutionärer Sicht eine praktische Sache. Nur kann man sich für wichtige Entscheidungen nicht auf seine Intuition verlassen. Bewusst Erfahrungen sammeln und Nachdenken sind trotz der Vorteile der Intuition bei manchen Belangen unverzichtbar. Die Scheidungsstatistik zeigt ja, wie verlässlich die intuitive Liebe auf den ersten Blick ist.
Der große Didaktikstreit spitzt sich zu [21]
Der Evolutionsbiologe Jerry Coyne hat nun eine Einladung zum World Science Festival ausgeschlagen, um gegen dessen Versuch zu protestieren, Religion und Wissenschaft als kompatibel darzustellen. Damit spitzt sich der amerikanische Didaktikstreit zu, bei dem es um die richtige Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse geht. Große Organisationen wie die NCSE konzentrieren sich darauf, die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion zu betonen, wobei diese jahrzehntelange Strategie keine nennenswerten Erfolge verzeichnen konnte und nicht nur darum zunehmend Protest auslöst.
„Man kann große Literatur und Wissenschaft würdigen, ohne irgenwelche philosophischen Widersprüche dabei akzeptieren zu müssen, aber man kann dies nicht mit der Religion tun“, schreibt Coyne [21] in seinem Ablehnungsschreiben. „Genauso sind moderne Medizin und Homöopathie philosophisch und substanziell unvereinbar.“
Dabei gehört Jerry Coyne keineswegs zu den „Neuen Atheisten“, was ihm gelegentlich vorgeworfen wird. Er ist bislang nicht als Religionskritiker aufgetreten, sondern er fordert lediglich, dass Wissenschaftler ihr Gebiet vermitteln und sich dabei aus der Theologie raushalten. „Wer wissen möchte, wie er seinen Glauben mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbaren kann, der soll seinen Pfarrer fragen“, betont er. Aus dem selben Grund lehnt er das Sponsoring des Festivals durch die Templeton Foundation ab, die Wissenschaft und Religion als vereinbar darstellen möchte und „die Wissenschaft korrumpiert“.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-267-440.jpg
[2] http://www.welt.de/die-welt/article3682837/Auch-ein-mildes-Virus-kann-gefaehrlich-werden.html
[3] http://www.scienceticker.info/2009/05/06/eine-weide-fuer-seepferdchen/
[4] http://www.welt.de/wissenschaft/weltraum/article3678726/Deutsche-Forscher-simulieren-Meteoriten-Crash.html
[5] http://www.welt.de/die-welt/article3675726/Kleine-Star-Trek-Voelkerkunde.html
[6] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,621584,00.html
[7] http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/090505_mensch_moos_mas/index
[8] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/959805/
[9] http://www.idw-online.de/pages/de/news312751
[10] http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/art304,2792165
[11] http://www.welt.de/die-welt/article3662138/Genetisches-Erbe-der-Steinzeit.html
[12] http://derstandard.at/?url=/?id=1240550304812
[13] http://www.youtube.com/watch?v=ERpIWTh18cY
[14] http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Biologie-Allesfresser-Geschmack;art304,2788364
[15] http://diepresse.com/home/science/475664/index.do?from=gl.home_wissenschaft
[16] http://pressetext.com/news/090504005/forscher-entschluesseln-formgebung-der-natur/
[17] http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/kultur/2009/5/5/news-118981546/detail.html
[18] http://derstandard.at/?url=/?id=1240550511913
[19] http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/838/467412/text/
[20] http://www.perspektive-mittelstand.de/Intuition-Der-Geistesblitz-im-richtigen-Moment/management-wissen/2591.html
[21] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/05/06/in-which-i-refuse-an-invitation-to-the-world-science-festival-on-grounds-of-accommodationism/