Presseschau | 30.04.2009
In Texas erobern Kreationisten die Lehrpläne, gesundes Essen ist ungesund, Sport und Diäten machen dick, das Auge taugt nichts, Termiten helfen bei der Klimaerwärmung und auch ansonsten steht die Welt Kopf: Fett hilft beim Erinnern und niemand kann die Hobbits erklären. In den USA ist derweil ein großer Streit über die Vermittlung der Evolutionstheorie entbrannt.
Normalerweise sind Meldungen über mögliche Katastrophen und Weltuntergänge reine Panikmache, nicht aber im Fall der Schweinegrippe. Diesmal bräuchten wir sogar etwa mehr, nicht Panik, aber Aufklärung und Vorkehrungsmaßnahmen. Es handelt sich nämlich wirklich um eine ernstzunehmende Bedrohung. Die Technology Review [2] informiert über angemessenes Verhalten, gerade was verantwortungsvolles Bloggen und „Twittern“ angeht. Über die Evolution von Viren erfährt man etwas bei RP Online [3]. Dort geht es ferner darum, warum sie so schwer zu bekämpfen sind: Was nicht lebt, kann auch nicht getötet werden. Auch die Süddeutsche [4] berichtet über die Gefährlichkeit des neuen Virus. Immerhin: Der Schweinevirus lenkt von der Wirtschaftskrise ab.
Franz M. Wuketits über Alexander von Humboldt und seine Bedeutung für die Wissenschaft.
Sport und Diäten machen dick [6]
Udo Pollmer bekommt Schützenhilfe. Allmählich sehen Ärzte ein, dass unser Gewicht stark genetisch bedingt ist und dass eine „gesunde Ernährung“ nicht unbedingt gesund ist.
Das Auge ist eine blödsinnige Konstruktion [7]
...sagt der Medizinforscher Detlev Ganten. In der Tat steckt die Natur voller Unsinn, was gerade Ingenieure in den Wahnsinn treiben müsste (komischerweise sind jedoch viele der einflussreichsten Kreationisten Ingenieure). Auch der Spiegel berichtet darüber [8], warum wir nichts taugen.
Kreationismus durch die Hintertür [9]
Ja, es nervt. In Texas müssen Lehrer nun die „Stärken und Schwächen“ der Evolutionstheorie lehren, was es findigen Kreationisten erlauben wird, eine Sekunde auf die Stärken einzugehen, um den Rest der Unterrichtszeit die überwiegend fiktiven Schwächen der Theorie auszubreiten. Vorsitz des entscheidenden Bildungsausschusses ist Don McLeroy, selbst ein bekennender Kreationist der absurdesten Sorte. Der Schulunterricht ist schlichtweg nicht mit einer Universität zu vergleichen, wo es durchaus im Interesse der Wissenschaftler liegt, alles zu widerlegen, was ihnen in die Quere kommt. Für die Widerlegung der Evolutionstheorie gäbe es von der wissenschaftlichen Community den Nobelpreis und Forschungsgelder ohne Ende. Nur ist das bislang eben noch niemandem gelungen.
Wissenschaft statt Wunderglaube im Unterricht [10]
Auch in der Schweiz macht man sich Sorgen über den Kreationismus, der in den USA schon Einzug gehalten hat in den Schulunterricht. „Viele Lehrkräfte seien überfordert, wenn sie den Kindern erklären müssten, dass sie die Evolutionstheorie lernen und trotzdem an Gott glauben könnten“, heißt es dort. Komisch. Warum sollten Lehrkräfte ihren Schülern so etwas erklären wollen? Theologie gehört wohl kaum zum Aufgabengebiet von Biologielehrern. Außerdem lässt sich eine mögliche Schülerfrage zum Thema, ob Evolution und Schöpfung kompatibel seien, doch ganz einfach beantworten: „Nein.“
Forscher haben ein Molekül hergestellt, das ein Protein gezielt ausschaltet. So kann Blutvergiftungen entgegengewirkt werden.
Die Erfinder des Sozialstaats [12]
Könnten uns Termiten helfen, mit der Klimaerwärmung richtig umzugehen? Dieser Artikel findet das zumindest schon.
Bei Web.de gibt es eine Bildergalerie mit Tieren, die wo komisch ausschauen. In der Tat sehenswert, welche Blüten die Evolution beizeiten treibt.
Papas Zwitschern [14]
Zebrafinken vererben ihre Stimme. Dies ist wichtig, weil sie sich an ihrem Gesang erkennen. So vermeiden sie Inzucht und werfen Kuckuckskinder aus dem Nest.
„FETT“ lautet das Motto der Unsichtbaren Universität von Terry Pratchetts fantastischer „Scheibenwelt“. Trotzdem laufen viele Zauberer einigermaßen verwirrt in den Gängen jener Bildungsstätte herum und vor allem Rincewind, Unerhörter Professor für grausame und ungewöhnliche Geographie, kann überhaupt keine Zaubersprüche im Gedächtnis behalten und hat sogar seinen eigenen Vornamen vergessen. Vielleicht essen die Herren Magier trotz ihres Mottos zu wenig Fett, denn wie man nun herausgefunden hat, setzt Fettkonsum ein Hormon frei, welches das Langzeitgedächtnis stimuliert.
Die subversive Kraft der Evolution [16]
Irgendwie steht sie halt doch im Widerspruch zur Schöpfung, die Evolution. Das macht auch Sibylle Salewski in ihrer Rezension von Philip Kitchers "Mit Darwin leben. Evolution, Intelligent Design und die Zukunft des Glaubens“ klar.
Der auch von Forschern umgangssprachlich „Hobbit“ genannte Hominid mit der Fachbezeichnung „Homo Floresiensis“ gibt viele Rätsel auf. Man weiß nicht, wo er herkam, wo man ihn im Stammbaum einordnen soll und warum er trotz seines kleinen Gehirns in der Lage war, Werkzeuge herzustellen. Vielleicht ist es ihm in Tolkiens Büchern langweilig geworden und er hat die Buchseiten in Richtung Realität verlassen?
Darwin lesen [18]
Das säkular-humanistische Center for Inquiry bietet einen weltweiten Vorlesewettbewerb an. Es geht darum, aus dem letzten Kapitel vom Ursprung der Arten in einem selbstgedrehten Video vorzulesen. Mit James Randi, Lawrence Krauss, Barbara Forrest und anderen ist die Prominenz der Szene schon beim Einstimmen.
Biologen streiten über Evolutionsvermittlung [19]
Die Evolutionsbiologen Jerry Coyne, Richard Dawkins und P.Z. Myers haben sich mit mehreren wissenschaftsdidaktischen Organisationen angelegt. Sie werfen ihnen vor, bei der Vermittlung der Evolutionstheorie religiöse Argumente zu übernehmen, um die angebliche Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft zu illustrieren. Nun hat sich der berühmte Chemiker Francis Collins eingeschaltet und eine Website zum Thema aufgemacht, wo er einige von Kreationisten bekannte Argumente übernimmt [20]. „Das ist Mist“, kommentiert P.Z. Myers und Jerry Coyne schreibt sogar [21]: „Bitte erschießt mich!“ Wie zu erwarten hat die Templeton Foundation mal wieder die Finger im Spiel, die versucht, Wissenschaft und Religion zu versöhnen. „Die Akzeptanz der Wissenschaft wird nicht beschleunigt, indem man die Menschen mit religiösen Plattitüden erstickt“, schreibt Coyne weiter [22].
Immer mehr Wissenschaftler und Philosophen schließen sich der Kritik an, jüngst Richard Hoppe [23] und Russel Blackford [24].
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-262-434.jpg
[2] http://www.heise.de/tr/Wenn-das-Virus-ins-Netz-geht--/artikel/136997/0/203
[3] http://nachrichten.rp-online.de/article/politik/Viren-Parasiten-auf-dem-Sprung/37588
[4] http://www.sueddeutsche.de/wissen/844/466426/text/
[5] http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&cob=411727
[6] http://bazonline.ch/leben/rat-und-tipps/Diaeten-sind-wider-den-Koerper/story/22339675
[7] http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/hintergrund/302292.html
[8] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,621317,00.html
[9] http://www.faz.net/s/Rub1A09F6EF89FE4FD19B3755342A3F509A/Doc~E267592E0B69D452193B8C9BA5887B5B0~ATpl~Ecommon~Scontent.html
[10] http://www.derbund.ch/bern/Wissenschaft-statt-Wunderglaube-im-Unterricht/story/14537476
[11] http://bonner-wirtschaftsgespraeche.de/index.php/2009/04/30/bonn-dna-schnipsel-hilft-bei-blutvergiftungen/
[12] http://www.welt.de/wams_print/article3624484/Die-Erfinder-des-Sozialstaats.html
[13] http://magazine.web.de/de/themen/wissen/bildergalerien/7554076,image=0.html
[14] http://www.sueddeutsche.de/850384/849/2865716/Papas-Zwitschern.html
[15] http://www.dnews.de/wissenschaft/30455/fettige-nahrung-stimuliert-gedachtnis.html
[16] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/956438/
[17] http://www.nytimes.com/2009/04/28/science/28hobbit.html?_r=2&emc=eta1
[18] http://www.cfiwest.org/darwinaloud/index.html
[19] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/04/another_disappointment_from_th.php
[20] http://evaluatingchristianity.wordpress.com/2009/04/29/francis-collins-creationist/
[21] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/29/shoot-me-now-francis-collinss-new-supernaturalist-website/
[22] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/29/wednesday-relief-cat/
[23] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/28/the-dust-settles-a-little-at-pandas-thumb/
[24] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/04/25/russell-blackford-on-science-organizations-and-the-compatibility-issue/