Interview | 08.04.2009
Sarah und Robert Darwin sind zwei direkte Nachfahren von Charles Darwin, Ur-Ur-Enkel und Ur-Ur-Enkelin des berühmten Naturforschers, dem das Jahr 2009 gewidmet ist. Sie haben uns geschrieben und ihre Begeisterung für den „Warhol-Darwin“ zum Ausdruck gebracht, der als Logo darwin-jahr.de [2] ziert und auch eine Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft [3]. Sie benutzen das Logo, um den Geburtstags-Champagner ihres Ur-Ur-Großvaters artgerecht zu verschönern. Die Gelegenheit haben wir für ein Gespräch mit den beiden Darwins genutzt.
Sarah Darwin ist Botanikerin. Sie erforscht die Galapagos-Tomate, die kurz vor dem Aussterben steht. Als Vizepräsidentin des Galapagos Conservation Trust [4] tritt sie zudem leidenschaftlich für deren Erhaltung ein. Biologie, Galapagos – man könnte fast annehmen, dass ihr berühmter Vorfahre eine Rolle bei ihrer Berufswahl gespielt hat, aber Sarah Darwin zweifelt an einer solchen Vorsehung: Purer Zufall sei das.
Als Kind war sie sehr am Regenwald interessiert, illustrierte dann ein Buch mit den Planzen der Galapagos-Inseln und stieß dabei auf die Galapagos-Tomate. Das Interesse an ihr führte sie schließlich zum Biologie-Studium. Und erst während des Studiums hat sie erfahren, welche große Rolle ihr Vorfahre Charles Darwin in ihrem Fach spielte. Axel Meyer verwundert das nicht, schließlich habe Sarah Darwin nur 2-3% der Gene von ihrem berühmten Vorfahren geerbt und eben seinen Nachnamen. „So what?“.
Kalt lässt sie die liebe Verwandtschaft aber nicht: "Mit Charles Darwin verwandt zu sein, hatte einen gewaltigen Einfluss auf mein Leben." Nur eben nicht auf ihre Studienwahl. Die Frage, was die entscheidenden Schlussfolgerungen sind, die wir aus Charles Darwins Theorie für unser modernes Weltbild ziehen sollten, beantwortet Sarah sogar sehr leidenschaftlich:
"Charles Darwin hat die menschliche Art als ein weiteres Mitglied des Tierreichs deutlich an ihren Platz verwiesen, gewiss als eine Art mit hoher Intelligenz. Wir verfügen darum nicht über irgendein göttliches Recht, den Planeten in den Müll zu werfen. Ich bin sicher, dass, wenn Charles Darwin heute am Leben wäre, er dann tief besorgt sein würde über die Ozeane und über globale Erwärmung und die Auswirkungen beider auf den Verlust von Biodiversität und von Menschenleben. Ich nenne dir ein Zitat, das mir gut gefällt: ‚Globale Erwärmung lässt mich nachts kaum einschlafen und die Vergiftung des Ozeans lässt mich in kaltem Schweiß erwachen‘."
Auch die BBC führte kürzlich ein Gespräch mit Sarah Darwin. Das Video kann man sich online [5] ansehen.
Ihr Bruder Robert, der sogleich „Rob“ genannt werden möchte, war dagegen nie gut in Biologie. Stattdessen begeistert er sich für das moderne Forschungsgebiet der Informationstheorie.
„Interessanterweise funktioniert die Evolution auch in informationellen Ökosystemen“, erklärt er. Rob fühlt sich offenbar stärker mit seinem berühmten Vorfahren verbunden als seine Schwester. „Ich habe darüber einmal eine Vorlesung gehalten“, berichtet er stolz. „Darin habe ich demonstriert, dass Information auf Basis von kompetitiver Selektion besser evolviert als durch einfache Transmission.“
Ich erinnere mich daran, dass der deutsche Kreationist Werner Gitt mit Hilfe der Informationstheorie für die biblische Schöpfung argumentiert. Ob ihm Robert Darwins erfolgreiche Anwendung evolutionärer Algorithmen in seinem Fachgebiet wohl gefallen würde? Lange entkommt man ihr eben nicht, der allgegenwärtigen Evolution.
Ich frage Rob, ob ihm die Art und Weise zusagt, wie Charles Darwin in der Öffentlichkeit dargestellt wird und ob er angesichts seiner familiären Erinnerung an Charles etwas daran korrigieren würde?
„Ich denke, dass jemand wie Charles Darwin immer von Leuten ‚adoptiert und adaptiert‘ werden wird, die ihn benutzen wollen, um ihre eigenen Sichtweisen darzustellen! Wir sehen Charles in unserer Familie eher als Person, weniger als öffentliche Figur.“
Gerade in der aktuellen weltanschaulichen Auseinandersetzung spielt Charles Darwin jedoch als öffentliche Figur eine große Rolle, von daher kann ich Rob die nächste Frage nicht ersparen: „Bist du der Meinung, dass Wissenschaft und Religion kompatibel sind?“
„Es ist schwer für mich, das zu beantworten“, meint er, „weil ich nicht an einen Gott oder Götter glaube. Es erstaunt mich immer wieder, dass Menschen an Dinge glauben wollen, die aus Sicht der Vernunft eindeutig falsch sind – und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Religion!“
Dann sehen wir uns die Sache aus einer breiteren Perspektive an: „Was, meinst du, sind die entscheidenden Schlussfolgerungen, die wir aus Charles Darwins Theorie für unser modernes Weltbild ziehen sollten?“
„Wir sollten den großen Wert von Rationalismus und Aufklärung erkennen“, stellt Robert Darwin fest. „Ich befürchte aber, dass wir uns immer weiter von ihnen entfernen. Genießen wir sie, solange wir noch können!“
Das Interview führte Andreas Müller
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-246-410.jpg
[2] http://www.darwin-jahr.de/
[3] http://www.spektrumverlag.de/artikel/971248
[4] http://www.gct.org/apr04_4.html
[5] http://news.bbc.co.uk/2/hi/science/nature/7877754.stm