Presseschau | 19.02.2009
Darwins Geburtstag ist vorrüber, sein Geburtsjahr liegt noch vor uns. Und es zeichnet sich bereits ab, womit wir dann unsere Zeit verbringen müssen: Wir kommen in den Genuss kreationistischer Schulen in Deutschland, außerdem widerspricht die Existenz von Atheisten angeblich der Evolution, während die Religiosität zunehmend häufig mit ihr gerechtfertigt wird. Diesmal gibt es immerhin ein paar Eingriffsmöglichkeiten für unsere Leser, um dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten.
Franz M. Wuketits befasst sich in der aktuellen Ausgabe von „Psychologie Heute“ mit Darwins sozialer Utopie, die so gar nichts mit dem Sozialdarwinismus zu tun hatte.
Seepferdchen heißt Debelius [3]
Der Meeresforscher Helmut Debelius aus dem Darwin-Jahr-Komitee hat eine neue Seepferdchenart entdeckt, die nach ihm benannt wurde: „Hippocampus debelius“. Das ist die vierte Tierart nach einem Kaiserfisch („Centropyge debelius“), einer Feuergarnele und einem Riffhummer, die seinen Namen trägt.
Warum die Evolution den Kuss erfunden hat [4]
Man hört ja immer wieder davon, dass es Menschen geben soll, die sich küssen. Aber warum tun sie das? Inzwischen wissen wir, dass Küssen ein menschlicher Instinkt ist (den wir uns, wie alle Instinkte, auch abgewöhnen können, weshalb sich 10% aller Menschen nicht küssen). Dabei werden allerlei Chemikalien ausgetauscht, was der Qualitätskontrolle des Partners dient.
Widerspricht Atheismus der Evolution? [5]
In einem bizarren Artikel möchten uns die Evangelikalen vom Medienmagazin „pro“ einreden, dass der Atheismus der Evolution widerspricht. Dort heißt es: „Kinder sind offenbar dazu bestimmt, an einen Schöpfer zu glauben. Die Idee einer Evolution, einer zufälligen Entstehung allen Lebens aus dem Nichts, widerspricht hingegen der natürlichen Anlage des Menschen.“ Der Witz an der Sache: „Pro“ lehnt in mehreren Artikeln [6] die Evolutionstheorie ab. Die Theorie, auf die sie sich allerdings beziehen, um ihre Behauptung des widernatürlichen Atheismus zu stützen, ist eben jene Evolutionstheorie, an die sie nicht glauben.
Ist auch die Verehrung übernatürlicher Kreaturen, wie das Küssen oder die Sprachfähigkeit, eine angeborene Verhaltensweise des Menschen? Einige Psychologen und Soziobiologen halten das für durchaus möglich. Einiges spricht aber auch dagegen, zum Beispiel stellt sich die Frage: Was sind dann Atheisten? Vielleicht der nächste Schritt in der Evolution?
Darwin und das Wunder des Lebens [8]
Die Evolution wird noch nicht überall anerkannt, in der Tat scheinen sich die Lager immer mehr zu spalten. Dazu heißt es in diesem Artikel: „Trotz der offensichtlichen Erfolge des naturwissenschaftlichen Ansatzes, auf dem letztlich die gesamte moderne Zivilisation beruht, tendiert der Mensch im persönlichen Bereich zu irrationalen, glaubensbasierten Entscheidungen.“
Noch ein Missing Link gefunden [9]
Zur Abwechslung wurde mal wieder ein „Missing Link“ gefunden, diesmal geht es um das Fossil eines Dinosauriers, genauer dem Bindeglied zwischen fleisch- und pflanzenfressenden Dinosauriern. Der Dino mit dem Namen „Panphagia protos“ lebte vor rund 228 Millionen Jahren und war, wie Mensch und Schwein, ein Allesfresser.
Kreationisten auf dem Vormarsch [10]
Trotz seiner beizeiten doch arg zweifelhaften Beiträge, befasst sich „Welt der Wunder“ in diesem Artikel auf brauchbare Art und Weise mit dem Kreationismus.
Bitte keine Post mehr von Wagner [11]
Die „Bild“ bleibt ihrem Niveau treu und veröffentlicht einen offenen Brief ihres regelmäßigen Kommentators Franz Josef Wagner, in dem er die Evolutionstheorie ablehnt. Das tut er mit folgender Logik: „Mozart war kein Schimpanse, der Mensch, der das Rad erfunden hat, war kein Rhinozeros, das Eichhörnchen hat auch nicht die Zahnpasta erfunden. Wann hat ein Gorilla gedichtet wie Goethe, ein Spatz Einfluss auf Kunst, Musik, Literatur gehabt? Hat ein Hamster die architektonischen Wunder wie den Kölner Dom oder das Empire State Building geschaffen?“ Nach diesen Zeilen widerspricht er sich noch mehrmals selbst, wenn er zunächst die Evolution als ersten Schritt in Gottes „ewigem Plan“ bezeichnet und sie dann auf einmal wieder ablehnt.
Sagenhaft. Natürlich behauptet kein Mensch auf diesem Planeten, dass Mozart ein Schimpanse war und dass Goethe wie ein Gorilla dichtet. Statt das zu behaupten, sollten Sie lieber mal Goethe lesen, Herr Wagner, oder überhaupt mal irgendetwas lesen. Die Evolutionstheorie besagt keineswegs, dass Menschen Eichhörnchen und Rhinozerose sind. Wie kann man bloß einen solchen Quatsch veröffentlichen? Allerdings findet sich unter dem Artikel die Mailadresse des Autors. Wer möchte, kann ihn ja einmal aufklären. Und vergessen Sie die Bild-Redaktion nicht.
Biodiversität: Was ist eine Art? [12]
Geo befasst sich mit der Frage, was eine Art ist? Je näher man ihr kommt, desto schwerer ist sie zu beantworten.
Kreationismus an deutschen Schulen [13]
"Wir sind eine staatliche anerkannte, christlich-orientierte Weltanschauungsschule", sagt Clemens Volber, Geschäftsführer des Trägervereins FESB, laut diesem Artikel. In der „Corrieten-Boom-Schule“ im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg wird der Kreationismus gelehrt, mit staatlicher Absegnung. Das gilt für zwei Grund- und eine Realschule der „Freien Evangelischen Schulen Berlin“ (FESB). Professor Kutschera stellte zum Thema fest: „Solche Privatschulen sind Ableger esoterischer Sekten und erfüllen meiner Ansicht nach mit ihren vor-darwinschen Ansichten den Tatbestand einer Volksverdummung.“ Es sieht leider nicht so aus, als würde die Schulaufsicht eingreifen wollen. Es sei denn vielleicht, man schickt ihr ganz viele Briefe:
Schulaufsicht Pankow
Fröbelstr. 17
10405 Berlin
Der Wettlauf mit den Viren [14]
Viren und Heilmittel gegen Viren befinden sich in einem beständigen Wettlauf. Werden Viren die Menschheit vernichten? Eher nicht, denn Viren profitieren in keiner Weise von der Auslöschung ihres Wirtes, weshalb das auch nur bei wenigen Viren als „Unfall der Evolution“ der Fall ist.
Mit Hilfe der Genanalyse verschiedener Varianten des Rhinovirus können Forscher seine Stammesentwicklung rekonstruieren und, vielleicht, dem Schnupfen ein Ende bereiten. Die Anwendung der Evolutionstheorie in der Medizin trägt zunehmend Früchte.
Parasitische Wespen setzen Virus gegen Wirt ein [16]
Unser allguter Schöpfer ist mal wieder auf eine geniale Idee gekommen: Vor 100 000 Jahren sorgte er dafür, dass sich die parasitische Brackwespe mit einem Virus infiziert, den sie im Laufe der Zeit sozusagen domestiziert hat, um ihn nun zu ihren eigenen Zwecken zu gebrauchen. Die Wespe flößt dem Wirtsinsekt den Virus zusammen mit ihrem Gift und dem Wespenei ein. Der Virus beeinflusst nun das Imunsystem des Wirtes so, dass er das Wespenei nicht zerstören kann, gleichzeitig fördert sein Fremdprogramm das Wachstum der nahrhaften Teile des Wirtes, so dass die junge Wespe schließlich den Wirt von innen heraus bei lebendigem Leibe auffressen kann. Der Virus profitiert von der Prozedur durch seine Verbreitung im Wirt und sein Überleben in der Wespe.
Die kruden Thesen deutscher Antidarwinisten [17]
Ulrich Kutschera nimmt sich in diesem Beitrag für Spiegel Online deutsche Evolutionsgegner vor. Dabei geht es nicht nur um ID-Kreationisten, sondern auch um „Öko-Esoteriker, Homöopathen und andere Pseudowissenschaftler“.
Des Menschen niedere Abkunft [18]
Franz M. Wuketits befasst sich in diesem Artikel mit Darwin, seiner Evolutionstheorie und mit ideologischen Fehldeutungen des „Darwinismus“.
Die Evolution der Religion [19]
Die kommende Ausgabe von „Gehirn & Geist“ befasst sich mit der Evolution der Religiosität. Zu den Autoren gehört auch Franz M. Wuketits. Das Magazin erscheint am 20. März.
Die mikroskopischen Spiele der Evolution [20]
Der Mikrobiologe Jörg Hacke sieht sich in diesem Artikel die Evolution der kleinsten Lebewesen näher an. Wer Evolution beobachten will, braucht nur ein Mikroskop.
Ernst Haeckel wird 175 Jahre alt! [21]
Der deutsche Evolutionsvorkämpfer Ernst Haeckel popularisierte die Theorie in Deutschland schon erfolgreich, als sie in England noch kein großes Interesse auslöste. Über seine Theorien zum Verhältnis der individuellen Geschichte und der Stammesgeschichte wird heute noch nachgedacht. Leider werfen seine sozialdarwinistischen Vorstellungen ein schlechtes Licht auf ihn. Malte Jessl setzt sich derweil auf welt.de [22] mit Ernst Haeckel auseinander.
Darwins Geburtstagsfeier in München [23]
Der bfg München feierte ebenfalls Darwins Geburtstag. Einen Veranstaltungsbericht hat der Humanistische Pressedienst im Angebot.
Evolution ohne Fortschritt [24]
Über die Neuauflage seines Buches „Evolution ohne Fortschritt“ spricht Franz M. Wuketits im hpd-Interview. Dabei erfahren wir Näheres zur allgemeinen Planlosigkeit der Evolution.
Die Evolution erklärt unser Leben [25]
Eine Rezension des „Darwin Code“ von Thomas Junker und Sabine Paul bietet der hpd auch noch an. Was erklärt die Evolutionstheorie im Hinblick auf den Menschen?
Darwin als Erzieher [26]
Wieder von der arbeitswütigen hpd-Redaktion stammt dieser Veranstaltungsbericht von der Konferenz über die Didaktik Darwins.
Der tausendste „Steve“ ist gefunden! [27]
Das Projekt „Steve“ begann als Antwort des „National Center for Science Education“ auf eine Liste von kreationistischen Wissenschaftlern, welche die Evolution ablehnten. Das NCSE [28] suchte daraufhin nach Wissenschaftlern mit dem Vornamen „Steve“, welche die Evolution anerkennen. Mit „Steve Darwin“ ist nun der tausendste Evolutionsbefürworter mit diesem Vornamen gefunden.
Evolution: Education and Outreach [29]
Das kostenlose Fachjournal Evolution: Education and Outreach befasst sich mit der Umsetzung des Themas im Schulunterricht. Die Ausgaben kann man sich einfach hier [30] runterladen.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-215-341.jpg
[2] http://www.psychologie-heute.de/artikel/heft0903.html?a=6
[3] http://www.hna.de/frankenbergstart/00_20090212182915_Seepferdchen_heisst_Debelius.html
[4] http://www.welt.de/welt_print/article3217651/Warum-die-Evolution-den-Kuss-erfunden-hat.html
[5] http://www.pro-medienmagazin.de/themen/gesellschaft/gesellschaft-single/datum/18/02/2009/forscher-atheismus-widerspricht-der-evolution/
[6] http://www.pro-medienmagazin.de/themen/kommentar/kolumnen-single/datum/16/02/2009/evolutionskritiker-fuer-kutschera-esoteriker/
[7] http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Evolution-Religion-Placebo-Gott;art304,2732809
[8] http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Evolution-Charles-Darwin;art141,2732996
[9] http://weltderwunder.de.msn.com/mensch-und-natur-article.aspx?cp-documentid=14286516
[10] http://weltderwunder.de.msn.com/mensch-und-natur-article.aspx?cp-documentid=13966489
[11] http://www.bild.de/BILD/news/standards/post-von-wagner/2009/02/13/post-von-wagner.html
[12] http://www.geo.de/GEO/natur/59834.html
[13] http://www.ftd.de/forschung_bildung/forschung/:Kreationismus-Darwin-muss-nachsitzen/476209.html
[14] http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1952436
[15] http://www.zeit.de/online/2009/08/tsp-schnupfen-viren
[16] http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=090218038
[17] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,607704,00.html
[18] http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&cob=395663&currentpage=1
[19] http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/981186
[20] http://www.faz.net/s/Rub71E8665493FD4CB29D4E0759DF21C32C/Doc~EEC25C8A49CBC4451B11097F453D1D6FD~ATpl~Ecommon~Scontent.html
[21] http://www.abendblatt.de/daten/2009/02/16/1050110.html
[22] http://www.welt.de/welt_print/article3211594/Der-Mann-der-uns-zum-Affen-machte.html
[23] http://hpd.de/node/6376
[24] http://hpd.de/node/6362
[25] http://hpd.de/node/6352
[26] http://hpd.de/node/6393
[27] http://ncseweb.org/news/2009/02/steve-darwin-is-steve-1000-004308
[28] http://www.ncseweb.org/
[29] http://www.springer.com/life+sci/journal/12052
[30] http://www.springerlink.com/content/120878/