Astrophysik | 18.02.2009
Zwar steht die Evolution im Widerspruch zu den monotheistischen Schöpfergöttern, sie schließt allerdings nicht den deistischen Gott aus, der das Universum erschuf, um die Dinge dann ohne göttliche Interventionen "laufen zu lassen". Diesem widerspricht allerdings die moderne Astrophysik, wie der Physiker Bernd Vowinkel im Folgenden näher ausführt. Dabei geht er vor allem auf die Fragen ein, wie wahrscheinlich die menschliche Existenz ist und ob es außeridisches Leben geben könnte.
Definition des anthropischen Prinzips
In den letzten Jahrzehnten wurde die Evolutionstheorie durch die enormen Fortschritte der Naturwissenschaften und hier vor allem der Genetik stark untermauert. Sie wird inzwischen von ernstzunehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht mehr angezweifelt. Auch der Vatikan konnte sich dieses Druckes der Fakten nicht entziehen. Es gibt zwar vom Vatikan keine wirklich klare, eindeutige Anerkennung der Evolutionstheorie, aber es wird jetzt von Seiten der katholischen Theologie zunehmend die Position vertreten, dass die Evolutionstheorie dem katholischen Glauben nicht wirklich widerspricht. So wird der Versuch unternommen, sie in den Glauben zu integrieren – mit dem folgenden Argument: Der Herr hat ganz offensichtlich die Naturgesetze, die Naturkonstanten sowie die besonderen Eigenschaften der Erde und unseres Sonnensystems so geschickt gewählt, dass über die Gesetzmäßigkeiten der Evolution zwangsläufig hier der Mensch entstehen musste. Während der Evolution hat Gott dann nicht mehr eingegriffen. Dieses war aber auch gar nicht mehr nötig. Als wichtigstes Argument für diese Lehre wird angeführt, dass die Wahrscheinlichkeit zur Entstehung intelligenten Lebens von sehr vielen Faktoren abhängt und insgesamt so extrem klein ist, dass sie an ein Wunder grenzt.
Dieser Argumentation setzt das anthropische Prinzip, das erstmals 1973 vom Kosmologen Brandon Carter formuliert wurde, entgegen, dass wir zwangsläufig in einem Universum leben, das für die Entwicklung von intelligentem Leben geeignet sein muss, da es uns andernfalls nicht gäbe. Es gibt mittlerweile verschiedene Formulierungen des anthropischen Prinzips. Versionen, die teleologisch interpretiert werden können, werden vom Standpunkt der Naturwissenschaften als pseudowissenschaftlich eingestuft. So gelten die von Carter erstmals aufgestellten Versionen des allgemeinen und schwachen anthropischen Prinzips als wissenschaftlich, die des starken anthropischen Prinzips als weniger wissenschaftlich, da hier „muss“ steht:
Allgemeines anthropisches Prinzip:
Was wir zu beobachten erwarten können, muss eingeschränkt sein durch die Bedingungen, welche für unsere Gegenwart als Beobachter notwendig sind.
Schwaches anthropisches Prinzip:
Wir müssen vorbereitet sein, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass unser Ort im Universum in dem Sinne notwendig privilegiert ist, dass er mit unserer Existenz als Beobachter vereinbar ist.
Starkes anthropische Prinzip:
Das Universum (und deswegen die fundamentalen Parameter, von welchen es abhängt) muss derart sein, dass es die Entstehung von Beobachtern in ihm in manchen Phasen erlaubt.
Beim schwachen anthropischen Prinzip werden die Naturgesetze und die Naturkonstanten als gegeben vorausgesetzt und es wird angenommen, dass sie aus uns noch unbekannten Gründen zwangsläufig so sind, wie sie sind. Die Frage konzentriert sich hier mehr darauf, wie wahrscheinlich die Existenz von Planeten ist, auf deren Oberfläche Bedingungen herrschen, die die Entwicklung von intelligentem Leben erlauben. Damit ist dann auch die Frage verbunden, ob es eventuell außerirdisches Leben gibt. Das starke anthropische Prinzip bezieht auch noch die Naturgesetze und die Naturkonstanten mit ein und fragt, wie unser gesamtes Universum beschaffen sein muss, um intelligentes Leben entstehen zu lassen.
Nun kann man natürlich argumentieren, dass die Feststellung, dass wir zwangsläufig in einer Welt leben, die auch die Voraussetzungen für Leben bereitstellt, eine Trivialität ist. Es bleibt dann aber immer noch die Frage, ob nicht schon die Existenz dieser Voraussetzungen an ein Wunder grenzt. Wir müssen uns also zunächst in Bezug auf das schwache anthropische Prinzip mit der Frage befassen, wie wahrscheinlich die einzelnen Faktoren sind, die auf der Erde die Voraussetzungen zur Entwicklung von intelligentem Leben ergeben haben.
Sonderfall Erde?
Unser Sonnensystem und damit auch die Erde entstanden vor ungefähr 5 Milliarden Jahren durch die Zusammenballung von interstellarem Gas und Staub. Für die Entstehung des Lebens auf der Erde war eine ganze Reihe von einschränkenden Voraussetzungen zu erfüllen. Zuerst musste unsere Sonne die richtige Größenordnung der Masse haben. Massereichere Sterne haben erheblich kürzere Lebenserwartungen. Die verfügbare Zeitspanne für die Entwicklung von intelligentem Leben wäre in ihrer Umgebung dann zu kurz. Auf der anderen Seite darf die Masse eine gewisse Größe nicht unterschreiten, um im Innern noch genügend Druck und Temperatur zur Zündung der Kernfusion zu erreichen. In der richtigen Größenordnung liegt aber ein recht hoher Prozentsatz der Sterne, so dass diese Voraussetzung unkritisch ist.
Sehr viel kritischer ist dagegen der Gesamtaufbau des Planetensystems. So spielen in unserem Planetensystem die Masse und die Bahn des Planeten Jupiter eine wichtige Rolle. Da seine Bahn einen größeren Abstand von der Sonne hat als die Erde, ist er aufgrund seiner relativ großen Masse in der Lage, wie ein Staubsauger, Kometen und andere größere Bruchstücke einzufangen und so die Erde davor zu schützen. Erste Entdeckungen und Messungen anderer Planetensysteme haben gezeigt, dass eine solche Anordnung eher selten ist.
Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Abstand der Erde zur Sonne. Die Oberflächentemperatur stellt sich aus dem Gleichgewicht zwischen der von der Sonne zugestrahlten Energie und der von der Erde an den Weltraum abgestrahlten Energie ein. Ein geringerer Abstand würde zu hohe Oberflächentemperaturen zur Folge haben, so dass der größte Teil des Wassers in Form von Dampf vorliegen würde. Andererseits würde ein größerer Abstand das Wasser zu Eis gefrieren lassen. Aber gerade das Wasser war zur Entwicklung des Lebens von entscheidender Bedeutung. Insgesamt liegt der brauchbare Abstandsbereich zur Sonne innerhalb einer Schwankungsbreite von 5 bis 10%. Bei Sternen mit einer wesentlich geringeren Masse als der Sonne, liegt dieser Abstandsbereich näher am Zentralgestirn, wegen der geringeren Leuchtkraft. Ein geringerer Abstand führt aber zu einer stärkeren Abbremsung der Eigenrotation der Planeten, soweit die Rotationsachse in etwa senkrecht zur Bahnebene steht. Das führt dann langfristig zu einer synchronen Rotation des Planeten. Das heißt, es wird dann immer die gleiche Hälfte des Planeten beleuchtet, was zu extrem lebensfeindlichen Temperaturen führt. Genauso ungünstig ist generell eine Lage der Rotationsachse in der Bahnebene, weil dann während einer Umdrehung überwiegend das gleiche Gebiet vom Zentralgestirn beleuchtet wird.
Zur Lagestabilisierung der Erdachse trägt unser Mond ganz erheblich bei. Andernfalls hätte sich vermutlich in der Vergangenheit die Lage der Erdachse stark verändert, was wiederum zu extremen Temperaturverhältnissen und eventuell zur Auslöschung des Lebens geführt hätte. Planeten, die von einem Trabanten umkreist werden, der die Größe unseres Mondes hat, dürften aber extrem selten sein, denn nach der allgemein anerkannten Theorie entstand unser Mond durch eine Kollision der Erde mit einem Planetoiden von der Größe des Mars. Eine solche Kollision hat eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit.
Weiterhin ist die Masse der Erde ein wichtiger Faktor. Eine zu geringe Masse führt dazu, dass Teile der Atmosphärengase in den Weltraum entweichen. So besitzt zum Beispiel unser Mond aufgrund seiner geringen Masse überhaupt keine Atmosphäre. Eine zu große Masse würde andererseits zu einer ungünstigen Zusammensetzung der Atmosphäre führen. So wären dann größere Anteile von Wasserstoff und Wasserstoffverbindungen die Folge. Außerdem wäre eine mit der größeren Masse verbundene größere Anziehungskraft ungünstig für die Entwicklung höherer Lebensformen.
Zur Abschirmung der lebensfeindlichen Partikelstrahlung aus dem Weltraum und vor allem von der Sonne, ist ein Magnetfeld erforderlich. Dies wiederum erfordert einen flüssigen Metallkern. Bei der Erde wird die Aufrechterhaltung der hohen Temperaturen im Erdinneren durch den Zerfall radioaktiver Elemente gewährleistet. Bei der Entwicklung einer für das Leben optimalen Atmosphäre hat nach neueren Erkenntnissen die Plattentektonik der Erdkruste eine wichtige Rolle gespielt. Diese funktioniert wiederum nur in Zusammenhang mit einem bestimmten Aufbau des Erdinnern und der dadurch bedingten Temperaturverteilung. Die Plattentektonik ist wichtig für das Recycling von Kohlendioxid. Während der Verwitterung nimmt das Gestein Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Beim Übereinanderschieben der Plattenränder taucht das Gestein in den flüssigen Erdmantel ein und wird aufgeschmolzen. Dabei wird das Kohlendioxid wieder freigesetzt und über Vulkane an die Atmosphäre zurückgegeben.
Die Entwicklung der Erdatmosphäre war wahrscheinlich ebenfalls ein sehr kritischer Vorgang. Die erste Uratmosphäre bestand überwiegend aus Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Stickstoff. Zu diesem Zeitpunkt lag die Temperatur auf der Erdoberfläche noch bei 1500 Grad Celsius, kühlte sich aber langsam ab. Im Anfangsstadium der Sterne vom Typ der Sonne durchlaufen sie eine kurze Phase, in der große Gasmengen abgestoßen werden. Vermutlich ist hierdurch die Uratmosphäre der Erde teilweise weggeblasen worden. Sie wurde aber wieder durch Gase ersetzt, die aus Vulkanen ausgestoßen wurden. Es bildete sich so eine zweite Uratmosphäre, die aus Kohlendioxid, Wasserstoff, Methan, Ammoniak und geringen Mengen an Edelgasen bestand. Der hohe Anteil an Kohlendioxid erzeugte über den Treibhauseffekt Durchschnittstemperaturen um 40° Celsius auf der Erdoberfläche, so dass das Wasser zu einem erheblichen Teil in Form von Dampf vorlag, der erst in höheren Atmosphärenschichten zu Wolken kondensierte. Das wiederum führte zu einer ständig geschlossenen Wolkendecke. In den ersten 2 Milliarden Jahren nach Entstehung der Erde wurde das Kohlendioxid langsam durch die Bildung von Silikatverbindungen an der Oberfläche abgebaut.
In den obersten Atmosphärenschichten wurden Wassermoleküle durch Photolyse in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Während der Wasserstoff aufgrund seines geringen Atomgewichts weitgehend in den Weltraum entwich, wurde der Sauerstoff teilweise an das in den Gesteinen vorkommende Eisen gebunden. Ein weiterer Anteil des Sauerstoffs reagierte mit dem Methan und dem Ammoniak in der Atmosphäre und erzeugte damit Wasserdampf und Stickstoff. Vor etwa 2 Milliarden Jahren war der Kohlendioxidanteil unter 5% gesunken, so dass der Treibhauseffekt nachließ. Durch die sinkende Oberflächentemperatur regneten die Wolken langsam ab. Da die Sonne zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Strahlungsintensität erreicht hatte, sank die Durchschnittstemperatur auf unter 10° Celsius. Die Eiskappen an den Polen wuchsen und es fehlten nur wenige Grad um die gesamten Meere zu Eis erstarren zu lassen. Durch das hohe Reflexionsvermögen von Schnee und Eis hätte sich dann die Oberflächentemperatur noch weiter abgesenkt und die Erde wäre zu einer Eiswüste geworden. Wahrscheinlich war dies einer der kritischsten Punkte in der Evolution. Bereits eine um ein Prozent größere Entfernung der Erde zur Sonne hätte ausgereicht, um dieses Umkippen des Klimas herbeizuführen.
Bei dieser Vielzahl von Zufällen mit zum Teil recht geringer Wahrscheinlichkeit, erscheint vielen die Entstehung des Menschen auf unserem Planeten als ein Wunder. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass wir bisher nur diesen einen Planeten mit intelligentem Leben kennen und aus einem einzigen Ereignis kann man grundsätzlich keine statistische Aussage über dessen Wahrscheinlichkeit machen. Man kann bestenfalls die Wahrscheinlichkeiten einzelner Faktoren, die zur Entwicklung des Lebens Voraussetzung sind, genauer bestimmen. Auf der anderen Seite gibt es womöglich eine Vielzahl von erdähnlichen Planeten in unserem Universum, so dass damit die geringe Gesamtwahrscheinlichkeit für die Entstehung von Lebensbedingungen wieder kompensiert wird. Sollte das Universum gar unendlich groß sein, so müsste intelligentes Leben bei noch so geringer Wahrscheinlichkeit zwangsläufig irgendwo entstehen. John D. Barrow und Frank Tipler haben mit diesen Argumenten das schwache anthropische Prinzip folgendermaßen formuliert:
Die beobachtbaren Werte aller physikalischen und kosmologischen Größen sind nicht gleich wahrscheinlich, aber sie nehmen Werte an, die beschränkt sind durch die Erfordernisse für die Existenz von Orten, an denen sich kohlenstoffbasiertes Leben entwickeln kann, und durch die Erfordernis, dass das Universum alt genug sein muss, dass dieser Vorgang bereits eingetreten ist.
Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Faktoren ist Gegenstand intensiver naturwissenschaftlicher Forschung, insofern kann das schwache anthropische Prinzip als eine überprüfbare wissenschaftliche Hypothese angesehen werden. Insbesondere die Erforschung anderer Planetensysteme wird uns schon in der nahen Zukunft in die Lage versetzen, die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von intelligentem Leben im Kosmos genauer zu bestimmen und damit auch genauere Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Existenz außerirdischer Lebewesen zu machen. So konnten bereits eine ganze Reihe größerer Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zweifelsfrei nachgewiesen werden. Planeten von der eher geringen Größe der Erde sind allerdings nur sehr schwer zu entdecken. Dazu müssen neue, noch größere Teleskope gebaut werden.
Feinabstimmung der Naturkonstanten?
Zur Diskussion des starken anthropischen Prinzips müssen wir nun noch einen Schritt weiter gehen und fragen, warum sind die Naturgesetze und die Naturkonstanten so wie sie sind und nicht anders? Fragen wir uns dazu zunächst einmal, wie viele fundamentale Naturkonstanten es überhaupt gibt. Da noch keine „Theorie für Alles“ existiert, ist auch die Definition von fundamentalen Naturkonstanten im Moment noch etwas willkürlich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es unter den Physikern dazu unterschiedliche Meinungen gibt. In der Literatur werden häufig folgende sieben Naturkonstanten als fundamental angegeben:
Ein Argument für die Anzahl der fundamentalen Naturkonstanten kann man aus der Menge der physikalischen Einheiten ableiten. Für jede Einheit sollte es eine dazugehörige Konstante geben. Gäbe es mehr Konstanten als Einheiten, so könnte man die Einheit der überzähligen Konstanten aus den anderen zusammensetzen. Die grundlegenden Einheiten sind: Zeit (s), Länge (m), Masse (kg), elektrische Spannung (V), elektrischer Strom (A), thermodynamische Temperatur (K), Menge von Substanz (mol). Nun lassen sich aber die letzten vier Einheiten durch die ersten drei ausdrücken. Damit bleiben Zeit, Länge und Masse als grundlegende Maßeinheiten übrig. Interessanterweise sind diese drei Einheiten bereits von dem Mathematiker C.F.Gauss (1777-1855) als grundlegend identifiziert worden. Nach dem Physiker L.B.Okun sind die drei fundamentalen Naturkonstanten dann die Lichtgeschwindigkeit (c), das Plancksche Wirkungsquantum (h) und die Gravitationskonstante (G). Diese Konstanten haben nicht nur die Eigenschaft, dass sie sich nicht durch andere Konstanten irgendwie zusammensetzen lassen, sondern sie sind direkt mit einer eigenständigen physikalischen Theorie verbunden. So lässt sich mit diesen drei Konstanten das Gebäude der physikalischen Theorien in Form eines Würfels darstellen (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Die drei fundamentalen Naturkonstanten und die entsprechenden physikalischen Theorien (Bronshtein-Zelmanov-Okun-Würfel)
Durch die im letzten Jahrhundert entwickelten modernen Theorien der Quantenmechanik, der Quantenfeldtheorie und der Relativitätstheorie sind die älteren Theorien der klassischen Physik und der Newtonschen Mechanik nicht als falsch entlarvt worden, sondern sie sind in ihrem Gültigkeitsbereich eingeschränkt worden. Und zwar gelten sie nur für makroskopische Objekte bei Geschwindigkeiten, die wesentlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit sind und nur in schwachen Gravitationsfeldern. Das trifft aber auf den größten Teil der Objekte unserer Alltagsrealität zu. Eine „Theorie für Alles“ muss dagegen die Eigenschaft besitzen, keinerlei Einschränkungen zu unterliegen.
Gelingt es, die Quantentheorie mit der Theorie der Gravitation zur Quantengravitation zu vereinigen, so könnte sich eventuell die Zahl der Naturkonstanten weiter reduzieren lassen. Diese Meinung vertritt z.B. der Physiker G.Veneziano. Mit der Stringtheorie lassen sich seiner Meinung nach das Planksche Wirkungsquantum und die Gravitationskonstante durch die Stringlänge ^s [Anm: "^" steht für den griechischen Buchstaben "Delta"] ersetzen. In der 1995 formulierten modernen M-Theorie kann diese Funktion der dreidimensionalen Membran-Länge ^3 zugesprochen werden. Die dann noch verbleibenden Einheiten sind die Zeit und die Länge. Einige Physiker wie z.B. M.J.Duff vertreten sogar die radikale Meinung, dass es überhaupt keine fundamentalen Naturkonstanten gibt. Mit einer „Theorie für Alles“ ließen sich vielleicht sogar die Werte der Naturkonstanten theoretisch ableiten und sie würden dann ihren Status als unabhängige Konstanten verlieren.
Ein weiteres Problem ist, dass es prinzipiell möglich sein müsste, den Wert einer Naturkonstante irgendwelchen Außerirdischen mitzuteilen, um zu überprüfen, ob in ihrem Bereich des Universums die Naturkonstante den gleichen Wert hat. Bei der Lichtgeschwindigkeit (Einheit: m/s) hätten wir da große Probleme, denn die Außerirdischen könnten mit unserer Definition von Meter und Sekunde nichts anfangen. Das gleiche Problem tritt auf, wenn wir überprüfen wollen, ob eine Naturkonstante wirklich konstant ist. Bei den auf Einheiten basierenden Naturkonstanten hat man dann generell das Problem, dass man nicht unterscheiden kann, ob die Konstante oder die Einheit zeitliche Veränderungen aufweist. Das zeigt, wie problematisch die Überprüfung der Konstanz von Naturkonstanten sein kann, die auf Einheiten basieren. Sinnvoller erscheint es daher, wenn man dimensionslose Naturkonstanten auf deren zeitliche Konstanz überprüft.
Dazu bietet sich die Feinstrukturkonstante "Alpha" [Anm: der griechische Buchstabe lässt sich hier leider nicht darstellen] an. Ihr Wert liegt nahe bei 1/137. Sie ist ein Maß für die elektromagnetische Wechselwirkung. Sie ist eine der Naturkonstanten, deren Wert bis weit zurück in die Vergangenheit überprüft werden kann. Hierzu muss das Licht von entfernten Objekten wie Galaxien und Quasaren spektral untersucht werden. Allerdings gehen in die Berechnung bestimmte Annahmen über die Entwicklung des Kosmos und andere Konstanten mit ein. Erste Messungen ergaben, dass die Feinstrukturkonstante eine sehr geringe Änderung von -1,09 +/-0,36 x 10exp(-5) über die Dauer von einigen Milliarden Jahren erfahren hat. Allerdings sind die Messungen für eine endgültige Beurteilung noch viel zu unsicher und sie werden inzwischen auch angezweifelt. Berechnungen zeigen, dass eine Änderung des Wertes der Feinstrukturkonstante um nur 1% schon zu so gewaltigen Änderungen der physischen Welt führen würde, dass darin intelligentes Leben nicht mehr möglich wäre, bzw. gar nicht erst hätte entstehen können. Ähnliches gilt auch für die anderen Naturkonstanten und daraus abgeleitete Parameter. So kann man umgekehrt sogar aus dem anthropischen Prinzip Einschränkungen für die Werte der Naturkonstanten ableiten. Ein Beispiel ist der Mindestwert für die Protonenlebensdauer. Sie muss mindestens 10exp(16) Jahre betragen. Andernfalls wäre die radioaktive Strahlung der Protonen, die ein wesentlicher Bestandteil der Materie sind, so groß, dass wir nicht existieren könnten. Die Frage, ob wir jemals die Werte der Naturkonstanten wissenschaftlich erklären oder gar theoretisch berechnen können, ist im Moment nicht abschließend zu beantworten.
Wenn wir auch mit dem anthropischen Prinzip erklären können, dass wir zwangsläufig in einer Welt leben müssen, die aufgrund ihrer Naturgesetze und ihrer Naturkonstanten intelligentes Leben erlaubt, so bleibt dennoch die Frage, woher die Naturgesetze und die Naturkonstanten kommen. Muss es nicht doch jemanden geben, der sie gemacht hat und auf die Entstehung des Menschen Ziel gerichtet aufeinander abgestimmt hat? Theologen reden hier von einer wunderbaren Feinabstimmung der Naturkonstanten, die nach ihrer Meinung kein Zufall sein kann.
Einige Physiker, wie z.B. Stephen Hawking glauben, dass es gar keine bestimmten Naturgesetze gibt, sondern dass es eine unendlich große Zahl von Welten gibt, mit unterschiedlichen, beliebigen Naturgesetzen. In gewisser Weise betrachten diese Physiker das Universum wie ein Quantengebilde, das gleichzeitig in mehreren parallelen Zuständen existiert. Jedes Universum hat eigene Naturgesetze und Naturkonstanten. Die moderne Superstringtheorie stützt diese These. Nehmen wir einmal an, es gäbe eine Vielzahl von Universen mit unterschiedlichen Naturgesetzen und Naturkonstanten, so würden nur die Universen als solche erkannt werden, die intelligentes Leben hervorgebracht haben. Ob es Universen gibt, die unbewohnt sind, ist naturwissenschaftlich nicht zu beantworten, da solche Universen naturwissenschaftlichen Beobachtungen und Messungen prinzipiell nicht zugänglich sind.
Es können also grundsätzlich nur solche Universen wahrgenommen werden, deren Naturgesetze und Naturkonstanten so angelegt sind, dass intelligentes Leben entsteht. Damit hätten die Naturgesetze und die Naturkonstanten keine bestimmte Ursache, sondern wären letztlich Folge von Zufällen. Selbst wenn es mehrere Paralleluniversen geben sollte, die von intelligenten Wesen bevölkert sind, so wäre eine gegenseitige Wahrnehmung wahrscheinlich nicht möglich. Denn diese Universen stehen womöglich nicht in kausalem Zusammenhang miteinander und mit unserem eigenen Universum. Der Begriff „parallel“ ist hier im naturwissenschaftlichen Sinn auch nicht definierbar, denn andere Universen hätten weder zeitlich noch räumlich irgendeinen Bezug zu unserem Universum. Es stellt sich damit hier die Frage, ob das starke anthropische Prinzip noch als wissenschaftliche Hypothese gewertet werden kann. Allerdings kann man nicht ausschließen, dass die modernen Theorien der Superstringtheorie oder der Schleifenquantengravitation zu überprüfbaren Aussagen führen, die dann zumindest die Existenz von Paralleluniversen plausibel machen könnten.
Von den meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden die beiden mathematischen Konstanten als noch grundlegender als die Naturkonstanten angesehen, da sie unabhängig von den Naturgesetzen existieren. Selbst wenn es eine Vielzahl von Paralleluniversen gäbe mit unterschiedlichen Naturgesetzen und Naturkonstanten, so müssten wir dennoch davon ausgehen, dass die mathematischen Konstanten immer die gleichen Werte hätten. Diese Aussage ist aber nur eine Vermutung, denn es ist keine Möglichkeit abzusehen, dies zu überprüfen.
Der Physiker John Archibald Wheeler geht nun noch einen Schritt weiter und formuliert das allgemeine anthropische Prinzip folgendermaßen:
Beobachter sind notwendig, um das Universum zu erzeugen.
Diese Formulierung ist der philosophischen Position des Konstruktivismus zuzuordnen. Grundlage dieser Form des anthropischen Prinzips ist die so genannte Kopenhagener Deutung der Quantentheorie. In dieser Deutung wird die quantenmechanische Wellenfunktion durch einen bewussten Beobachter zu einer messbaren Größe reduziert. Danach spielt also der Beobachter selbst eine wesentliche Rolle in der physikalischen Beschreibung der Welt. Eine weitere sehr spekulative Form des anthropischen Prinzip ist das von Barrow und Tipler formulierte „endgültige anthropische Prinzip“ (engl. Final Anthropic Principle, abgek. FAP):
Intelligente Informationsverarbeitung muss im Universum entstehen, und, wenn sie einmal entstanden ist, wird sie niemals aussterben.
Wegen ihrer Unbeweisbarkeit wird diese Version von den meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als unwissenschaftlich bezeichnet und damit abgelehnt.
Zusammenfassung
Zusammenfassend können wir sagen, dass die zum Teil geringen Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Faktoren, die zur Entwicklung des Menschen auf der Erde geführt haben, kein Argument für einen Schöpfer sind. In einer unendlich großen Welt oder in einer Welt mit unendlich vielen Paralleluniversen werden noch so geringe Wahrscheinlichkeiten durch die unendliche Menge der Möglichkeiten kompensiert. Der Zufall reicht damit zur Erklärung unserer Existenz vollkommen aus. Dies ist zwar kein Beweis gegen die Existenz eines Schöpfergottes, aber es macht ihn restlos überflüssig.
Quellen
Arkani-Hamed, N., Dimopoulos, S., Dvali, G., Die unsichtbaren Dimensionen des Universums, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 1/2003, S.56-63
Barrow, J.D., Die Entdeckung des Unmöglichen, Forschung an den Grenzen des Wissens, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin, 1999
Barrow, J.D., Das 1x1 des Universums, Neue Erkenntnisse über die Naturkonstanten, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2004
Caldwell, R.R., Kamionkowski, M., Der Nachhall des Urknalls, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 2/2002, S.14-19
Davies, P., Der Plan Gottes, Die Rätsel unserer Existenz und die Wissenschaft, Insel Verlag, Frankfurt/Main, 1996
Davies, P., Gribbin, J., Auf dem Weg zur Weltformel, Superstrings, Chaos, Komplexität, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 4.Auflage, Nov. 1995
Duff, M.J., Okun, L.B., Veneziano, G., Trialogue on the number of fundamental constants
Fischer, E.P., Grenzen des Wissens, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 2/2002, S.6-13
Guitton, J., Bogdanov, G. und I., Gott und die Wissenschaft, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1998
Hofstadter, D.|R., Gödel Escher Bach, 1979, Ausgabe Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 9. Auflage September 2003
Hogan, C.J., Auf der Suche nach dem Quanten-Ursprung der Zeit, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 1/2003, S.90-98
Steinhardt, P.J., Turok, N., A Cyclic Model of the Universe, Sciencexpress, http://www.sciencepress.org [2], 25April2002
Tipler, F.J., Die Physik der Unsterblichkeit, 1994, Ausgabe Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 3.Auflage Februar 1998
Veneziano, G., Die Zeit vor dem Urknall, Spektrum der Wissenschaft, August 2004, S.30-39
Weinberg, S., Eine Theorie für alles?, Spektrum der Wissenschaft, Dossier 1/2003, S.40-47
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-213-329.jpg
[2] http://www.sciencepress.org