Presseschau | 12.02.2009
Nicht einmal an Darwins Geburtstag lassen ihn die Medien in Ruhe. Obwohl die Presseschau ein „Best Of“ der Berichterstattung über die Evolutionstheorie bietet und dabei unserer Leser Augen Unwürdiges konsequent ausfiltert, ist sie wieder recht umfangreich ausgefallen. Bereiten Sie sich vor auf das Edelste des Erhabensten...
Darwin in die Literaturwissenschaft? [2]
Wenn sich Geisteswissenschaftler in die Naturwissenschaften einmischen, ohne die geringste Ahnung zu haben, wovon sie da eigentlich reden, dann treibt das Naturwissenschaftler wie Prof. Kutschera auf die Palme [3]. Dass allerdings ein ebenbürtiger Quark dabei herauskommt, wenn sich etwa Soziobiologen in die Literaturwissenschaften einmischen, ohne sich hinreichend über Literaturtheorie informiert zu haben, das zeigt Prof. Katja Mellmann in einem sehr guten Essay bei literaturkritik.de auf. Doch belässt sie es nicht bei der pointierten und berechtigten Schelte, sondern sie zeigt auch auf, wofür die Soziobiologie tatsächlich in der Literaturwissenschaft verwendet werden kann: „Wann immer wir ,den Menschen' bemühen müssen, um bestimmte literarische Phänomene zu erklären (und das ist häufiger der Fall, als manch einer wahrhaben möchte), sollten wir uns auch gestatten, Hilfe bei denjenigen Wissenschaftsdisziplinen zu suchen, die traditionell mit der Erforschung ,des Menschen' - und zwar des wirklichen, nicht des literarisch abgebildeten - befasst sind.“ Unbedingte Empfehlung.
Weltweite Akzeptanz der Evolution [4]
Eine ältere, aber noch immer wertvolle Darstellung der globalen Akzeptanz der Evolutionstatsache kann man bei PZ Myers Blog „Pharyngula“ bewundern. Entgegen immerwährender Behauptungen, wie unglaublich säkular und aufgeklärt Deutschland doch sei, erfährt man dort, dass die ehemaligen „Barbaren aus dem Norden“, die Isländer, Dänen und Schweden, erheblich besser abschneiden. Die spanische Inquisition braucht heute zum Glück niemand mehr zu erwarten, denn selbst Spanien ist heute, zumindest evolutionsmäßig, aufgeklärter als Deutschland.
Künftige Bio-Lehrer lehnen Darwin ab [5]
Wo wir schon bei deutscher Allgemeinverblödung sind: Rund 15% der Lehramtsstudenten aller Fachrichtungen lehnen die Evolution ab. Wie der Biologiedidaktiker Dittmar Graf in diesem Interview feststellt, liegt das gar nicht mal so sehr an religiösen Überzeugungen, sondern an postmoderner Beliebigkeit. Viele Menschen unterliegen offenbar dem Aberglauben, Wissenschaft und Religion wären ebenbürtig. Und das, obwohl Religion für den Erkenntnisgewinn vollkommen wertlos ist.
Zerstörer der Schöpfungsgeschichte [6]
Ein schönes Angebot zum Darwin-Jahr findet man bei wdr.de. Dort gibt es zahlreiche Artikel und Radiosendungen, die man sich online ansehen und anhören kann, darunter ein Interview mit Thomas Junker unter dem Titel „Warum Darwin für Atheisten wichtig ist“.
Was sagte Darwin wirklich? Lest doch einfach seine Werke, fordert Dr. Matthias Glaubrecht und räumt mit einigen Falschlesungen derselbigen auf. Ein Interview mit Glaubrecht gibt es zudem hier [8].
Ein Artikel über Ken Hams Kreationistenmuseum. Außerdem sind einige enthüllende Originalzitate von Kreationisten im Angebot. In Garten Eden gegen „Entstehung der Arten“ [10] geht es um das selbe Thema, allerdings stärker mit Deutschland im Blickfeld. Auch Tagesschau.de [11] befasst sich mit den Kreationisten.
Darwin und die Stammzellenforschung [12]
Selbst wer sich über die Stammzellenforschung moralisch empören will, kommt an der Evolutionstheorie nicht vorbei. Es sei denn, er zieht es vor, sich noch uninformierter darüber zu empören.
Axel Meyer aus dem Darwin-Jahr-Komittee kann es gleich in zweierlei Hinsicht mit Gott aufnehmen: Er allgegenwärtig, jedenfalls aktuell in den Medien, und er bietet eine Erklärung für die Entwicklung des Lebens auf der Erde an. Nur: Seine Erklärung ist im Gegensatz zu der von Gott richtig. 1:0 für Axel Meyer.
Mehr als ein kleiner Stein [14]
Und schon wieder eine Einführung in die Biographie Darwins und die Grundlagen seiner Theorie. Allerdings eine sehr brauchbare von „spektrumdirekt“.
Die Artverwandten [15]
Wer alleine beim Erklang des Namens der „Beagle“ inzwischen schon sehkrank wird, weil alle Medien ständig nur über Darwins Leben berichten, der hat Glück, denn 1. muss er diese Artikel im Gegensatz zum Autor der Presseschau nicht alle lesen und 2. geht es in diesem Beitrag endlich einmal um etwas ganz anderes: Darwins lebende Nachkommen. Drei davon stellt der Tagesspiegel näher vor.
Darwin und die DNA [16]
Heute kennt man nicht nur die Gene, sondern man weiß auch zunehmend viel darüber, welche genetischen Eigenschaften den Menschen von anderen Tieren unterscheiden. Dazu gehört vor allem „FoxP2“, was zwar klingt wie ein Kampfjet, aber eigentlich mit der Sprachentwicklung zu tun hat. Um Menschwerdung durch Genverdopplung geht es derweil hier [17].
Vatikan kommentiert Evolutionstheorie [18]
Beim epd hat man sich zwar für eine andere Überschrift entschieden, nämlich „Vatikan würdigt Evolutionstheorie“, aber was er tatsächlich tut, ist doch etwas anderes. So erfährt man in der Meldung: „Die Vatikanzeitung ‚Osservatore Romano‘ beklagt in ihrer heutigen Ausgabe, dass Darwins Theorien ‚ideologisch‘ und ‚antireligiös‘ missbraucht worden seien.“ Demnach wurde Darwins Entdeckung, dass Gott die Arten nicht erschaffen hat, sondern sie sich natürlich entwickelten, „antireligiös“ missbraucht. Einen Widerspruch zwischen „Gott hat uns erschaffen“ und „Die Evolution hat uns hervorgebracht“ erkennt der Vatikan offenbar gar nicht: „Evolution und Schöpfung stünden ‚nicht im Geringsten Widerspruch‘“. Tatsächlich ist die Evolution das genaue Gegenteil der Schöpfung. Und so lange der Vatikan das nicht anerkennt, „würdigt“ er auch nicht die Evolutionstheorie. Anzuerkennen ist allerdings, dass sich katholische Wissenschaftler bei einer Konferenz im Vatikan von Intelligent Design distanziert [19] haben.
Darwin, der Mörder Adams und Evas [20]
Bei der Financial Times erfasst man, zumindest beurteilt anhand dieser Überschrift, schon besser als im Vatikan, was es mit der Evolution auf sich hat. Dort gibt es zudem eine nette Bilderserie zum Thema. Noch eine davon gibt es bei der Zeit [21].
Sind 150 Jahre Darwin nicht genug? [22]
Immer nur Darwin, jetzt reicht es aber! In Wahrheit geht es jedoch um etwas anderes: Technology Review bietet philosophische Betrachtungen zum Thema an, sowie ein bisschen wohlverdiente Medien- und Elitenschelte. Es ist zwar schön, dass jederman beteuert, an die Evolution zu glauben, aber verstanden wurde sie darum noch lange nicht.
Joachim Bauer redet Unsinn [23]
Es war zu erwarten, dass jemand das Darwin-Jahr gebrauchen würde, um Unsinn über Darwin und die Evolutionstheorie zu erzählen. Nicht zu erwarten war allerdings (na ja, vielleicht doch), dass ein großer Teil der Medienwelt voll in die Falle tappt und diesen Unsinn mit positiven Rezensionen vermarktet. Dagegen wehren sich nun Rudolf A. Jörres und Thomas Waschke von der AG Evolutionsbiologie in einem offenen Brief.
Wir sind die Site der Woche [24]
Neben unserer Allmacht und Unfehlbarkeit haben wir noch weitere erlesene Eigenschaften: Für die Berliner Zeitung ist darwin-jahr.de zum Beispiel die Website der Woche. „Die Texte lassen erkennen, dass hier Experten das Sagen haben“, heißt es dort. Das klingt gut, da schauen wir vielleicht auch mal rein.
Historiker Jim Moore über Darwin [25]
Jim Moore und Adrian Desmond stellten jüngst die These auf, dass Darwin seine Theorie entwickelte, um zu zeigen, dass Sklaverei ungerechtfertigt ist, weil alle Menschen miteinander verwandt sind.
Das Darwin-Rätsel [26]
Sein Wissen über die Evolutionstheorie überprüfen, das kann das nun bei Focus tun. Wer gelegentlich bei darwin-jahr.de reinschaut, dem gelingt das bestimmt im Schlaf.
Das ist eine verdammenswerte Glaubenslehre [27]
Schon Darwin wusste: Das Christentum taugt nichts. Einen guten Artikel über Darwins Verhältnis zur christlichen Religion findet man bei diepresse.com.
Altruismus als Überlebenstaktik [28]
Egoismus nix gut, sagt Martin Nowak.
Thomas Huxley, Darwins Bulldogge [29]
Der Grund, warum man Richard Dawkins heute als „Darwins Rottweiler“ kennt, besteht darin, dass sein Vorgänger in der leidenschaftlichen Darwin-Verteidigung, Thomas Huxley, als „Darwins Bulldogge“ bekannt war.
Nature Podcast [30]
Die Fachzeitschrift „Nature“ bietet ihren Lesern online einen umfangreichen Podcast zum Darwin-Jahr an. Kostenlos und sehr zu empfehlen.
Heat the Hornet [31]
Superklasse ist auch Richard Dawkins aktuelle Rezension von Jerry A. Coynes neuem Buch „Warum die Evolution wahr ist“. Darin tritt Dawkins für eine offensive Verteidigung der Wissenschaft ein und kritisiert einige relativistische und philosophische Einwände, warum man nicht sagen könne, dass die Evolutionstheorie wahr sei. Wie man an seinem Stil erkennen kann, bringt ihn auch der gewaltige Auftrieb von ID und Kreationismus in England nicht aus der Fassung: „Ein Wissenschaftler versichert arroganterweise, dass Donner nicht der triumphale Klang ist, der entsteht, wenn Gottes Hoden zusammenschlagen, noch ist er Thors Hammer. Er ist, stattdessen, das widerhallende Echo der elektrischen Entladungen, die wir als Gewitter kennen.“ Ganz schön anmaßend, diese Behauptung.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-209-310.jpg
[2] http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12715
[3] http://hpd.de/node/4916
[4] http://scienceblogs.com/pharyngula/upload/2006/08/public_acceptance_of_evolut.gif
[5] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1673199_Kuenftige-Bio-Lehrer-lehnen-Darwin-ab.html
[6] http://www.wdr.de/themen/kultur/stichtag/2009/02/12.jhtml
[7] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1673921_Das-Buch-des-Lebens.html
[8] http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1233594806643.shtml
[9] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1673922_Heiliger-Zorn-auf-Darwin.html
[10] http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5gVWkoRhvRTNW8OhrZEduccYYhZVA
[11] http://www.tagesschau.de/ausland/kreationisten100.html
[12] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1674051_Da-wird-man-ehrfuerchtig.html
[13] http://www.neues-deutschland.de/artikel/143760.der-mensch-und-die-algen.html
[14] http://www.wissenschaft-online.de/artikel/980931
[15] http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Die-Dritte-Seite;art705,2728586
[16] http://diepresse.com/home/techscience/wissenschaft/451779/index.do?_vl_backlink=/home/index.do
[17] http://www.wissenschaft-online.de/artikel/981624
[18] http://www.domradio.de/news/artikel_50487.html
[19] http://derstandard.at/?url=/?id=1234355075918
[20] http://www.ftd.de/forschung_bildung/forschung/470512.html
[21] http://www.zeit.de/online/2009/07/bg-darwin
[22] http://www.heise.de/tr/Sind-150-Jahre-Darwin-nicht-genug--/artikel/132349/0/201
[23] http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12745
[24] http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0211/blickpunkt/0090/index.html
[25] http://rhein-zeitung.de/on/09/02/12/news/t/rzo533200.html?a
[26] http://www.focus.de/schule/testcenter/quiz/darwin-quiz-das-vermaechtnis-des-evoluzzers_aid_370193.html
[27] http://diepresse.com/home/techscience/wissenschaft/451424/index.do?_vl_backlink=/home/techscience/index.do
[28] http://derstandard.at/?url=/?id=1234261203388
[29] http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/der_wissenschaft_hingegeben_1.1925934.html
[30] http://www.nature.com/nature/podcast/index.html
[31] http://richarddawkins.net/article,3594,Heat-the-Hornet,Richard-Dawkins