Kirche und Evolution | 06.12.2008
Gerne gibt sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) betont weltoffen und wissenschaftsfreundlich...
Abschied von der Bibel
Vor allem EKD-Chef Wolfgang Huber und die Hannoveraner Landesbischöfin Margot Käßmann sind die durchaus telegenen Stars so mancher Talkshow, die nicht so recht in ein Feindbild aufgeklärten Denkens passen wollen.
Dabei hat die EKD jedoch ein ernstes Problem mit einem kleinen, aber umso einflussreicheren Teil ihrer Mitgliedschaft, der mit wesentlichen Aussagen des modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes geradezu auf Kriegsfuss steht: Den “wiedergeborenen“ Christen, auch “Evangelikale“ genannt.
Diese frommen Eiferer nehmen – was der EKD-Führung sehr zu missfallen scheint – die Bibel als vorgeblich unfehlbares “Wort Gottes“ ernst, und lehnen deshalb konsequent nicht nur das vielfältig abgesicherte biologisch-evolutionäre, sondern auch das geologische und kosmologische Wissensgebäude ab, da es mit den Aussagen der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht in Einklang zu bringen ist.
Auffällig ist dabei, dass die (teilweise naturwissenschaftlich hochgradig qualifizierten!) Vordenker des evangelikalen Kreationismus in der Regel noch nicht einmal bestreiten, dass ihre Behauptungen dem derzeit verfügbaren Faktenwissen (beispielsweise über das Alter unseres Planeten, das auf höchstens 10.000 Jahre veranschlagt wird) krass widersprechen. Dies wird teilweise sogar mit geradezu entwaffnender Offenheit eingestanden.
Gleichzeitig wird aber mit großer Hartnäckigkeit versucht, durch ständige Verweise auf ungelöste Fragestellungen innerhalb des Evolutionsparadigmas quasi eine Art argumentativer Patt-Situation herbeizureden. Frei nach dem Motto: Wenn ihr Evolutionisten immer noch nicht wisst, wie die ersten lebenden Vorläufer moderner Zellen entstanden sind, und dies erst recht nicht experimentell demonstrieren könnt, – dann können wir Kreationisten doch mit gleichem Recht biblisch konform behaupten, die Pflanzen (dritter Schöpfungstag) seien laut Genesis vor der Sonne (vierter Schöpfungstag) da gewesen, und Gott der HErr habe Eva aus der Rippe Adam´s geformt…
Der Führung der EKD sind solche Umtriebe zutiefst peinlich, decken sie doch die völlige Inkompatibilität biblischen und naturwissenschaftlichen Denkens auf. Vor allem aber führen die kreationistischen Evangelikalen eindrucksvoll vor Augen, wie weit sich die EKD mittlerweile von genuin biblischem Denken verabschiedet hat.
Zwischen Aufklärung und Aberglauben
So entpuppt sich etwa das vielfach gefeierte neu erschienene “Glaubensbuch“ von EKD-Chef Wolfgang Huber als schier un-glaubliche intellektuelle Mogelpackung: Auf der einen Seite betont Huber die völlige Übereinstimmung mit grundlegenden Postulaten eines naturwissenschaftlichen Weltbildes ohne jegliche göttliche Intervention; Gott beeinflusste laut Huber weder den Urknall, noch die chemische oder biologische Evolution.
Gleichzeitig aber behauptet er ad nauseam die vorgebliche Redlichkeit seines Schöpfungsglaubens, was unter semantischem Gesichtspunkt teilweise regelrecht groteske Züge annimmt (Zitat): „Der Glaube an Gott als den Schöpfer vermittelt die Gewissheit, dass diese Welt die Möglichkeit zum Guten in sich enthält; er erschließt einen Zugang zur Welt, der sich auf diese Güte verlässt und zu ihr beizutragen bereit ist. Dass Gott es mit der Welt im Ganzen ebenso wie mit meinem persönlichen Leben gut meint, ist der Grundsinn des Schöpfungsglaubens.“ (W. Huber, “Der Christliche Glaube“, S. 37 Mitte)
Dass „diese Welt die Möglichkeit zum Guten in sich enthält“, wird – wie auch immer man dieses “Gute“ auffassen mag – kein Atheist bestreiten wollen. Aber braucht es dazu denn wirklich den Glauben an ein transzendentes personales Überwesen? Und was habe ich von einem Gott, der sich jeglichen Eingreifens in den Lauf des Universums oder meines Lebens enthält, aber es trotzdem ganz treuherzig „gut meint“? Woran soll ich denn überhaupt erkennen, dass dieser Gott es wirklich gut mit uns allen meint, – und nicht etwa das Gegenteil?
Auf solche Fragen wird man von der liberalen Wischiwaschi-Theologie eines Wolfgang Huber kaum redliche Antworten erwarten dürfen. Für den psychologisch geschulten Betrachter stellen sich solche pseudointellektuellen Purzelbäume lediglich als hilflose Versuche dar, eine Reduktion kognitiver Dissonanz zu erreichen: Man möchte – gleichzeitig – an unbewiesene und in sich selbst völlig unschlüssige Postulate glauben, da sie Geborgenheit in einer sonst als bedrohlich empfundenen Wirklichkeit versprechen, dabei aber auch als aufgeklärter und wissenschaftlich denkender Zeitgenosse akzeptiert werden.
Genau das aber geht nicht.
Hat die Evangelische Kirche somit nur die Wahl zwischen Verlogenheit und Selbstaufgabe? Nein, nicht unbedingt. Die EKD könnte sich durchaus ganz offiziell von der Doktrin einer Realexistenz Gottes verabschieden, und den Gottesbegriff statt dessen als memetisches Konstrukt auffassen, welches für die personifizierte Projektionsfläche menschlicher Werte und (realistischer) Hoffnungen steht. Täuflinge würden dann beispielsweise nicht mehr auf die patriarchale Dreier-Combo „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ getauft, sondern auf „Liebe, Güte und Gerechtigkeit“. Das apostolische Glaubensbekenntnis, welches von der Mehrheit der Kirchgänger ohnehin nur noch heruntergeheuchelt wird, würde einfach weggelassen. Viele Rituale, die ja sehr wohl einen psychologischen Zweck erfüllen, könnten durchaus bleiben, erführen aber eine zeitgemäße Interpretation. Die Evangelische Kirche würde gewissermaßen zu einer spirituellen Variante der Aufklärung.
Tatsächlich wird es aber wohl eher so sein, dass die EKD im Dauerspagat zwischen biblischem Aberglauben und Aufklärung verbleibt, und – über kurz oder lang – in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Michael Seeber
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