Presseschau | 31.07.2010
Warum? Zunächst einmal gehen uns die originellen Überschriften aus. Außerdem hat sich gezeigt, dass es gute Gründe gibt, die Polygamie nicht zu legalisieren und lieber auf monogame Zweisamkeit zu setzen, wie Gott es für uns vorgesehen hat. So lange man dabei keine Kinder zeugt, ist alles im Lot. Ansonsten gibt es wieder herkömmliche, traditionsreiche Science-News, seit Jahrtausenden bewährt.
Auflösung des Zeitreise-Paradoxons [2]
Es hat zwar nicht viel mit Evolution zu tun und ist extrem spekulativ – aber es ist doch zu interessant, um hier nicht erwähnt zu werden. MIT-Physiker Seth Lloyd hat eine theoretische Zeitmaschine für das Quantenreich konstruiert, die auf dem Prinzip der „Closed Timeline Curves“ (CTC) beruht, also Raumzeitpfade, die an ihren Ursprung zurückkehren. Er kombinierte Quanten-Teleportation mit der „Postselection“, also die Teleportation winziger Teilchen mit dem Prinzip, dass Quantensysteme nur bestimmte Resultate zulassen. Als solche Resultate hat Lloyd nur selbst-konsistente Zustände akzeptiert, deren vergangener und gegenwärtiger Zustand miteinander vereinbar sind.
Was bringt das alles? Es bringt zumindest eine neue Lösung für das Großvater-Paradoxon für gequälte Sci-Fi-Enthusiasten: Reist man in die Zeit zurück und erschießt seinen eigenen Großvater, wird man nicht geboren und kann nicht in die Zeit zurückreisen, um seinen Großvater zu erschießen. Bei CTCs mit Postselection unter Lloyds Bedingungen wäre es unendlich schwierig, seinen eigenen Großvater zu erschießen, denn die Existenz des Zeitreisenden wäre nicht vereinbar mit dem Tod seines Großvaters. Es würde also immer etwas schiefgehen oder dazwischenkommen.
Der Menschenrechtsaktivist
Auch nicht viel mit Evolution zu tun hat der folgende Sketch, der sich aber immerhin mit Tierrechten befasst, und Tiere sitzen ja irgendwie mit der Evolution im selben Boot. Es geht um einen Menschenrechtsaktivisten, der sich an radikalen Tierrechtlern orientiert. Wie radikale Tierrechtler Menschen verletzen, um etwas gegen Tierquälerei zu unternehmen, verletzt der Kandidat in dem Video Tiere, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Ergibt auf jeden Fall Sinn:
Sind Menschen von Natur aus gut? [3]
…oder von Natur aus böse? Oder ist die Frage falsch gestellt? Mit diesem Problembereich befassen sich Steven Pinker, Frans de Waal und Richard Wrangham in einer Reihe von Videos des britischen Guardian-Magazins und der Leakey-Stiftung. Wrangham ist der Meinung, dass ein Schalter in unserem Kopf auf „Angriff“ gestellt wird, sobald die Resourcen knapp werden. In Kriegen, wo es ein großes Ungleichgewicht der Kräfte gibt, haben die Angreifer Lust am Schmerz und an der Zerstörung, die sie verursachen. De Waal betont unsere Verwandtschaft mit dem Bonobo, der unbekannte Individuen, denen er begegnet, nicht ermordet, sondern Sex mit ihnen hat. Er räumt jedoch ein, dass wir mit den Schimpansen fremdenfeindliche Neigungen teilen. Steven Pinker betont unsere Fähigkeit, Mitgefühl mit anderen Menschen zu empfinden, eine Fähigkeit, die wir auf Nicht-Verwandte ausweiten können, gerade wenn wir uns die zerstörerischen Folgen der Vergeltung ansehen.
Musikhören beim Hausaufgabenmachen schadet der Leistung und der Konzentration, unabhängig davon, ob die Kids ihre Musik mögen oder nicht. Dies wurde in einer neuen Studie erneut bestätigt. Wer intellektuelle Arbeit zu verrichten hat, sollte dies lieber an einem ruhigen Ort tun.
Schützt Bildung vor Demenz? [5]
In einer Studie von britischen und finnischen Wissenschaftlern, die in der Fachzeitschrift Brain erscheinen wird, haben Forscher die Gehirne von 872 verstorbenen Menschen untersucht, von denen 56% an Demenz litten. Sie hatten an drei 20 Jahre andauernden Langzeitstudien über die Folgen des Alterns teilgenommen, bei denen auch ihre Bildung erfasst wurde. Ergebnis: Pro zusätzlichem Ausbildungsjahr sinkt das Demenzrisiko um 11% – was sehr viel ist. Bislang war unklar, ob das geringere Demenzrisiko der Höhergebildeten mit anderen Faktoren zusammenhängen könnte, wie dem höheren Einkommen und der gesünderen Lebensweise.
Nach Untersuchung der Gehirne habe sich jedoch gezeigt, dass tatsächlich eine höhere Bildung dazu führt, dass die Folgen der Demenz besser ausgeglichen werden können. Dies könnte mit der Gehirngröße zusammenhängen, welche durch die Bildung ansteigt und wodurch eine Kognitionsreserve entsteht. Die Neurowissenschaftlerin Carol Brayne von der Universität Cambridge zieht politische Konsequenzen aus den Studienergebnissen und fordert eine längere und bessere Ausbildung in der Jugend. Die Ausgaben lohnten sich auch finanziell wegen später ersparten Gesundheitskosten.
Wo wir schon dabei sind: Gerade ist mal wieder ein Fetten-Zuschlag im Gespräch, um die Gesundheitskosten zu senken, weil dicke Leute angeblich mehr kosten. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass fette Leute auch früher sterben, also weniger kosten. Nur mal so am Rande.
Glücklichkeit und Säkularismus
Immerzu diese langen Texte und wissenschaftlichen Arbeiten über den Zusammenhang zwischen Säkularismus und einer funktionierenden, glücklichen Gesellschaft. Es ist fast so, als gäbe es keine Videos zum Thema, wie etwa dieses vom Soziologen Phil Zuckerman, dem Autor des Buches „Society Without God“. Er spricht darüber, warum Gesellschaften immer besser werden, je weniger religiös sie sind:
Kinder und Frauen leiden unter Polygamie [6]
Zwei Drittel der Bevölkerung von Malaysia sind Muslime und laut Landesgesetzgebung dürfen die Männer dort bis zu vier Frauen heiraten. In der bislang umfangreichsten Studie zur Vielehe wurden von August 2008 bis April 2010 Malaysianer repräsentativ über ihre Haltung zur Vielehe befragt. Schon jetzt kann man sagen: Mindestens 90% der Kinder und fast 70% der Erstfrauen haben sich dagegen ausgesprochen. Ende des Jahres soll die Studie veröffentlicht werden.
Die Gesellschaft leidet unter Polygamie [7]
Obwohl manche Philosophen davon ausgehen, dass eine Legalisierung der Polygamie (ist in Deutschland und in den meisten modernen Ländern strafbar [8]) die Selbstbestimmungsrechte ausweiten könnte, scheint aus wissenschaftlicher Sicht das Gegenteil der Fall zu sein. Neben der oben erwähnten Studie ist eine umfangreiche Arbeit des Evolutionsbiologen und Anthropologen Joe Heinrich von der University of British Columbia erschienen, der sich vehement gegen eine Legalisierung der Vielehe ausspricht. Hintergrund ist ein kanadischer Gerichtsprozess, der entscheiden soll, ob das Polygamieverbot der kanadischen Verfassung widerspricht und die Arbeit ist Heinrichs Expertenaussage.
Laut Heinrich wurde die Monogamie absichtlich von den alten Griechen eingeführt, um ihre Stadtstaaten zu stabilisieren. Die Römer haben sie übernommen und schließlich hat die katholische Kirche die Monogamie als Gottes Plan für Frau und Mann festgelegt (obwohl die Bibel eher auf der Seite der Vielweiberei steht). Obwohl Polygamie für Jäger-Sammler-Kulturen zu funktionieren scheint, so gelte das nicht für Agrar- und noch weniger für moderne Gesellschaften. Heinrich zitiert Satoshi Kanazawa, der herausgefunden hat, dass Polygamie in modernen Gesellschaften mit höherer Kriminalität zusammenhängt. Kanazawa hat außerdem belegt, dass Nationen mit einem höheren Durchschnitts-IQ eher dazu neigen, die Polygamie abzulehnen. Er vermutet, dass dies mit einer besseren Fähigkeit des abstrakten Denkens zusammenhängt, das den Menschen erlaubt, die inhärenten Nachteile der Polygamie zu erkennen.
Doch welche inhärenten Nachteile sind das? Dies zeigt Joe Heinrich in seiner Expertenaussage auf. Hier in der Übersetzung seine Zusammenfassung:
„Wenn man ihnen erlaubt, so viele Frauen wie möglich zu beziehen, dann werden Männer ihre Bemühungen und Resourcen diesem Ziel widmen. Selbst wenn Frauen ihre Männer vollkommen frei wählen können, so werden die reichen Männer mit hohem Status einen überproportionalen Anteil der verfügbaren Frauen erhalten. Dies hat eine Reihe vorhersagbarer Auswirkungen:
Es wird den Pool der unverheirateten Männer vergrößern, die psychologisch darauf eingestellt sind, Risiken einzugehen und heftig mit anderen Männern um Reproduktionsmöglichkeiten zu konkurrieren (dies führt zu mehr Verbrechen und risikoreichem Verhalten);
Der stärkere Wettbewerb um weibliche Fortpflanzungspartner erzeugt den Druck, immer jüngere „Bräute“ dem Heiratsmarkt hinzuzufügen;
Der intensive Wettbewerb um Weibchen in einem mangelhaft besetzten „Heiratsmarkt“ bringt Männchen (wie Väter, Ehemänner und Brüder) dazu, mehr Kontrolle über die Wahl der Frauen (in Hinblick auf Sex, Dating und Kleidung) auszuüben, was die männlich-weibliche Ungleichheit verstärkt und die Rechte und die Autonomie von Frauen untergräbt. Dieser Effekt verstärkt sich noch, weil der Altersunterschied zwischen Ehemännern und Ehefrauen sowohl in polygamen wie in monogamen Beziehungen innerhalb von polygynen Gesellschaften immer größer wird;
Männer werden ihre Investitionen in Frauen und Kinder reduzieren, während sich beide über größere (in diesem Falle vielfach größere) Familien verteilen und sie werden diese Investitionen zunehmend in den Bezug von mehr Frauen kanalisieren.
Mit anderen Worten: Wenn wir die Vielehe erlauben, könnte dies dazu beitragen, dass sich unsere Gesellschaft der islamischen Welt angleicht.
In den USA ist eine neue Folge in der Seifenoper „Kuschelatheisten versus Neue Atheisten“ gelaufen. Kuschelatheisten, obwohl selbst ungläubig, zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Meinung sind, Wissenschaftler müssten sich darauf beschränken, ihre Forschung zu vermitteln. Religionskritik würde die Menschen von der Wissenschaft nur abschrecken. Die Neuen Atheisten dagegen richten sich gegen den Glauben.
Zu den einflussreichsten Kuschelatheisten in den USA gehören der Wissenschaftsjournalist Chris Mooney und seine Partnerin Sheril Kirshenbaum, die zusammen das Buch „Unscientific America“ geschrieben haben. In einem Blogbeitrag griff Mooney die Geschichte eines Kommentators namens „Tom Johnson“ auf, der sich als Biologe ausgab. Johnson behauptete, er habe Naturschutzveranstaltungen besucht, die von moderaten Gläubigen organisiert worden seien. Seine Kollegen, die große Fans von Richard Dawkins und co. gewesen sein sollen, hätten diese Veranstaltungen dazu genutzt, die Gläubigen demonstrativ auszulachen und sie als „Idioten“ und „ignorant“ zu bezeichnen. Dies habe dem gemeinsamen Anliegen, der Vermittlung des Naturschutzes, geschadet. Wenn Wissenschaftler Gläubige beleidigten, hätten diese kein Interesse mehr, auf die Forscher zu hören. Johnson eröffnete eine Website namens „You're Not Helping“, wo er neoatheistische Blogger wie P.Z. Myers kritisierte.
„Tom Johnson“ hat unter öffentlichem Druck schließlich zugegeben, dass die Geschichte erfunden war. Es gab keine Naturschutzveranstaltung, wo Gläubige von Dawkins Anhängern ausgelacht worden sind. Außerdem ist „Tom Johnson“ nicht sein richtiger Name und ein Biologe ist er auch nicht. Er hat mehrere Sockenpuppen (falsche Identitäten) im Internet angenommen, um sich selbst zu unterstützen. In seinem Entschuldigungsschreiben hat der anonyme „Johnson“ eingeräumt, dass er auch kein Doktorand sei, wie er später behauptete, aber dann stellte sich heraus, dass er doch ein Doktorand ist.
Die erfundene Naturschutzveranstaltung, von Mooney als „Beweisstück A“ bezeichnet, war für Kuschelatheisten ein derart geeignetes Anschauungsmaterial, dass sich das Gerücht auf ihren Blogs weiterhin hält, irgendetwas wäre doch dran am „Beweisstück A“. Wie für ihre Bezeichnung als „Neue Atheisten“, die eine reine Medienerfindung ist, müssen sich Dawkins, Myers, Coyne und co. wieder einmal für Dinge verteidigen, mit denen sie nichts zu tun haben.
Gott wohnt in den Schulen [10]
Wer sich für die Zukunft des deutschen Schulsystems interessiert, braucht nur nach England zu schauen. Wie die britische Regierung überlässt der deutsche Staat zunehmend religiösen Privatschulen die Bildung der Kinder und zieht sich aus seiner Verantwortung zurück.
Eine Mutter namens Pippa Crerar steht nun als Atheistin vor der Wahl, ihre Prinipien aufzugeben und ihren Sohn auf eine christliche Schule zu schicken, oder ihn auf die örtliche Schule zu schicken, die als Problemschule gilt, weil sich der Staat kaum darum kümmert. „Der Idealist in mir sagt“, so Crerar, „bleib deinen Prinzipien treu – ich glaube an die Wirkung, die engagierte Eltern auf eine Schule haben können. Das Elternteil in mir sagt: Tue, was immer für die Bildung deines Kindes am besten ist.“ Crerar hat sich für ihre Prinzipien entschieden, viele Eltern werden das nicht tun.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-456-789.gif
[2] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33043/1.html
[3] http://www.guardian.co.uk/science/2010/jul/12/human-nature-love-war
[4] http://ht.ly/2i9gM
[5] http://www.heise.de/tp/blogs/3/148086
[6] http://www.ftd.de/wissen/mensch/:malaysische-studie-polygamie-macht-nur-einen-gluecklich/50147426.html
[7] http://epiphenom.fieldofscience.com/
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Polygamie#Polygamie_in_Deutschland
[9] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2010/07/25/on-the-incivility-of-atheists-tom-johnson-and-exhibit-a/
[10] http://crerar.standard.co.uk/2010/07/i-dont-want-to-find-god-to-find-a-good-school.html