
Medizin | 29.06.2010
Warum folgen einige Witwen oder Witwer ihren Ehepartnern so schnell ins Grab? Scheinbar wird der sogenannte „Witwen-Effekt“ von einer Kombination aus Stress und altersbedingten Veränderungen im Immunsystem hervorgerufen.
Frühere Studien fanden heraus, dass unter älteren Männern und Frauen das Sterberisiko drei Monate nach der Verwitwung zwischen 30 und 90 Prozent erhöht ist. Es wurde vermutet, dass dies mit Veränderungen im Immunsystem zusammenhängt, dennoch war genaueres unklar.
Forschungen haben nun einige der Veränderungen identifiziert und gezeigt, dass die bei stressigen Ereignissen wie einem Trauerfall erhöhten Cortisolspiegel im Blut die Situation verschlimmern.
Dehydroepiandrosteron, oder auch DHEAS, ist am besten als Vorstufe von Sexualhormonen wie Testosteron oder Östrogen bekannt und spielt auch im Immunsystem eine Rolle. Während Cortisol die Immunreaktionen dämpft, verstärkt DHEAS sie. Die DHEAS-Spiegel erreichen in der Regel ihren Höchststand, wenn Menschen in den 30ern sind und beginnen dann, sich zu verringern.
Janet Lord, Immunologin an der Universität von Birmingham (UK), hatte zuvor herausgefunden, dass es im Blut von Personen über 66 Jahren mit einer Hüftfraktur höhere Cortisol/DHEAS Unterschiede gab als bei gleichalten Personen ohne Hüftfraktur. Die mit den höchstens Unterschieden waren in der Regel die, welche bakterielle Infektionen entwickelten und Lords Team zeigte, dass in diesen Menschen ein Teil der weißen Blutkörperchen, die neutrophilen Granulozyten, weniger einsatzbereit waren.
Sobald aktiviert, setzen diese einen Mix aus toxischen Molekülen frei, die pathogene Stoffe eliminieren. Nun zeigte Lords Team, dass die Anwesenheit von DHEAS diese neutrophilen Granulozyten dazu anregt, eine ihrer tödlicheren Verbindungen zu produzieren, sogenannte Hyperoxide.
Bei einer anderen laufenden, aber noch unveröffentlichten, Studie untersuchte Lord Witwen und Witwer im Alter von 65 und mehr Jahren, die zwei Monate zuvor einen Trauerfall zu verkraften hatten. Vorläufige Versuche weisen darauf hin, dass diese höhere Cortisol/DHEAS Unterschiede und geringere neutrophile Funktionen als Personen ohne kürzlichen Verlust hatten.
“Wenn der Cortisolspiegel hoch ist, wenn man in einer angespannten Situation ist, ist das der Augenblick wo der Mangel an DHEAS bedeutsam wird“, sagt sie. Lords Team plant nun, über einen Zeitraum von drei Monaten DHEAS-ähnliche Präparate an Menschen zu verabreichen, die eine Hüftfraktur hatten um eine Verbesserung der neutrophilen Funktion zu testen.
Peter Hornsby, vom gesundheitswissenschaftlichen Zentrum der Universität von Texas in San Antonio, sagt dass die neue Arbeit der „klarste und sauberste“ Beweis für den direkten Einfluss von DHEAS auf das Immunsystem ist. Jedoch ist er noch nicht davon überzeugt, dass der Abfall des DHEAS-Spiegels im Alter das Immunsystem in Gefahr bringt, auch nicht unter Stress.
Quelle: NewScientist [2]
Übersetzung: Arik Platzek
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-446-766.jpg
[2] http://www.newscientist.com/article/mg20627663.900-why-losing-a-loved-one-can-be-lethal.html