
Zoologie | 23.06.2010
Ein blutiger, zehnjähriger Konflikt im Ugandischen Dschungel endete Mitte 2009 damit, dass die Sieger Territorien besetzten, die zuvor von den nunmehr Besiegten besiedelt waren.
Dieser Vorfall war der erste echte Beleg, dass Schimpansen ihre Rivalen töten, um sich deren Gebiete anzueignen und diese Entdeckung könnte dabei helfen, evolutionäre Ursprünge einiger Aspekte von sowohl aggressivem wie auch kooperativem Verhalten beim Menschen zu erklären.
John Mitani, Primatenforscher an der Universität von Michigan in Ann Arbor, und sein Team hatten die Ngogo-Schimpansen in Ugandas Kibale Nationalpark mehr als zehn Jahre lang beobachtet. Zwischen 1999 und 2009 waren sie Augenzeugen von 18 tödlichen Angriffen, die von Ngogo-Männchen auf andere, kleinere Gruppen von Schimpansen verübt wurden. Außerdem gab es indirekte Anzeichen für drei weitere tödliche Attacken, womit der Ngogo-Clan eine der gewalttätigsten Gruppen von Schimpansen wäre, die bisher untersucht werden konnten.
Mit über 150 Individuen ist dieser Clan zwei bis drei Mal so groß wie andere Gruppen, die ebenfalls gut untersucht worden sind. Zahlenmäßige Überlegenheit erlaubt es den Schimpansen, im Hinterland von Territorien zu patrouillieren, wo sie voraussichtlich kleineren, benachbarten Gruppen begegnen. „Angriffe gibt es dann, wenn mehr von ihnen als von den anderen da sind“, sagt Mitani.
Mitte 2009 bemerkte sein Team, dass die Ngogo-Schimpansen schließlich Teile des Heimatgebietes ihrer Rivalen besetzt hatten, wodurch sich ihr Territorium um 6,4 Quadratkilometer bzw. um 22 Prozent vergrößert hatte. Wo Gebiete zuvor nur von erwachsenen Männchen auf Patrouille betreten wurden, konnte das Team nun beobachten, wie sie mit Weibchen und Kindern hineingingen, um dort ein Verhalten und Rufen zu zeigen, als ob sie in der Mitte ihres Heimatterritoriums wären“, stellte Mitani fest. Angezogen wurden die Ngogo-Schimpansen vermutlich von Nahrungsquellen: Zur Zeit der Landnahme begannen schwarze Maulbeerbäume in der Gegend Früchte zu tragen.
Der Flächengewinn bringt wahrscheinlich weitere Vorteile. Schimpansen, die zu Clans mit großen Heimatterritorien gehören, neigen zu einem höheren Gewicht als jene mit kleineren Gebieten und ihre Weibchen neigen dazu, mehr Nachwuchs zu haben. Darüber hinaus könnten Gebietsgewinne Weibchen von benachbarten Gruppen anlocken, was den Männchen mehr Paarungsmöglichkeiten verschafft.
Ähnliche Entwicklungen konnten in menschlichen Jäger-Sammler-Gesellschaften beobachtet werden, aber Mitani warnt davor, zu viele Parallelen zwischen unseren Kriegen und denen der Schimpansen zu ziehen. Denn ob Konflikte um Ressourcen oder Religionen: Menschen zögen aus einer Vielzahl von Gründen in den Krieg und häufig können solche Konflikte durch Verhandlungen beigelegt werden. „Wir könnten hier Äpfel und Birnen zu vergleichen versuchen“, findet er.
Statt die evolutionären Ursprünge für Kriege zu erklären, könnten die Streitigkeiten der Schimpansen tatsächlich viel eher dabei helfen, die Evolution menschlicher Kooperation zu verstehen. Samuel Bowles vom Santa-Fe-Institut in New Mexiko benutzte evolutionäre Modelle und archäologische Belege, um darzulegen, dass sich menschlicher Altruismus als Ergebnis gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Gruppen mit Individuen, die bereit waren, für ihre Kameraden zu sterben, und egoistischeren, individualistischen Stämmen entwickelt haben könnten – wobei die altruistischen Kriegergemeinschaften obsiegt hätten.
Gleichermaßen, so Mitani, haben die Ngogo-Schimpansen als eng verknüpfte Zusammenschlüsse operiert, um ihre Gegenspieler umzubringen und der siegreichen Gruppe Vorteile zu sichern.
„Es gibt definitiv eine interessante Beziehung zwischen Zusammenarbeit und Wettbewerb; sowohl bei Schimpansen, wie auch bei den Menschen“, sagt Michael Wilson, Primatologe an der Universität von Minnesota, der an der Studie jedoch nicht beteiligt war.
Quelle: New Scientist [2], 21. Juni 2010
Übersetzung: Arik Platzek, AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-444-756.jpg
[2] http://www.newscientist.com/article/dn19064-chimpanzees-kill-to-win-new-territory.html?DCMP=OTC-rss&nsref=human-evolution