
Presseschau | 18.04.2010
Das findet zumindest der britische Philosoph John Gray. Diesmal bekommen die Pessimisten eine eigene Presseschau: Theistische Evolution ist nicht besser als Kreationismus, überall Dämonen, Menschen sind egoistisch, Lehrer mögen keine kreativen Schüler, die Templeton-Stiftung schreitet voran auf ihrem Feldzug gegen die Wissenschaft. Wenigstens kann es jetzt nur noch besser werden (oder es fängt an zu regnen).
Das findet jedenfalls Peter Hess, Leiter des „Glaubensprojekts“ vom amerikanischen „National Center for Science Education“. Dass eine Organisation, die sich der Wissenschaftsvermittlung verschrieben hat, über ein „Glaubensprojekt“ verfügt, dessen Aufgabe darin besteht, Religion und Wissenschaft zu versöhnen – das ist schon Blasphemie gegen die Wissenschaft. Aber Intelligent Design ist keine Blasphemie gegen Gott, wie der Mathematiker Jason Rosenhouse auf seinem Blog argumentiert.
Laut Hess kann der Gott des Intelligent Design nicht mit dem Leid auf der Welt vereinbart werden. Allerdings gilt das auch für den Gott der theistischen Evolutionisten, der ja ebenfalls allgut und allmächtig sein soll. Warum tut er nichts gegen das Leid in der Welt? Warum hat er es überhaupt erschaffen?
Erstaunlich genug, aber Hess beantwortet diese Frage mit dem Argument, dass eine Welt voller Leid und mit der Evolution darin aufregender und interessanter wäre als eine Welt ohne Krieg, Seuchen und Erdbeben. Das soll er mal den Opfern von Krieg, Seuchen und Erdbeben klarmachen.
Schließlich behauptet Hess, dass ID die wissenschaftliche Herangehensweise verlässt, weil es nach Belegen für Gottes Design in der Natur sucht. Vielmehr stünde Gott außerhalb der Welt und sein Handeln könne nicht im Diesseits erkannt werden. Aber warum sollte jemand an einen Gott glauben wollen, der überhaupt nichts mit dieser Welt zu tun hat? ID verlässt zwar den methodologischen Naturalismus, wenn es Gott in der Natur erkannt haben will, aber das ist das geringere Problem mit ID. Vielmehr ist es schlechte Wissenschaft, wenn man es als Wissenschaft bezeichnen will, weil die ID-Vertreter Lücken unseres Wissens mit „Gott“ ausfüllen und oftmals nicht einmal anerkennen, wenn die Lücken mit natürlichen Erklärungen gefüllt wurden. Intelligent Design ist eine Art von pathologisches Gott-Herbeifantasieren.
Im Gegenteil wäre es ein sehr lobenswerter Ansatz für Theologen, wenn sie sich einmal ansehen, was wir über die Welt wissen und dies ernsthaft vergleichen mit ihren Vorstellungen über Gottes Wirken. ID ist nur ein Trick, Gott überall dort festzustellen, wo es Forschungslücken gibt – oder auch nicht. Sucht man jedoch ernsthaft nach Gottes Wirken in der Natur, stellt man bald fest, dass die Welt ein ganz anderer Ort sein müsste, existierte ein allguter und allmächtiger Schöpfer.
Die Top-10-Kreationistenargumente
Dämonen und Geisteskrankheit [3]
Gemeinhin wird angenommen, dass Geisteskrankheiten im Mittelalter stets mit dämonischer Besessenheit erklärt wurden. Mehrere Arbeiten haben nun aufgezeigt, dass es auch im Mittelalter bereits das Konzept einer geistigen Krankheit gab und dass versucht wurde, dämonische Einflüsse und Geisteskrankheiten voneinander zu unterscheiden. Dafür haben evangelikale Ärzte noch im ausgehenden 19. Jahrhundert neurowissenschaftliche Erkenntnisse als Belege für Dämonen gedeutet.
"Ältere und kinderlose Befragte sind weniger geneigt, öffentliche Transfers für Familien mit Kindern zu unterstützen, sind aber mehr geneigt, eine Rentenpolitik zu bevorzugen, die der jüngeren Generation eine größere Last aufbürdet".
So die Worte des Demografie-Forschers Harald Wilkoszewski. Im Grunde gilt diese egoistische Tendenz aber für alle Altersgruppen. Die politischen Ansichten wandeln sich mit dem eigenen Vorteil. So sind junge Menschen weitaus eher für eine Kindergelderhöhung zu haben als alte Menschen. Vielleicht wird jemand diese statistischen Erkenntnisse zum Anlass nehmen, eine kohärentere politische Meinung zu vertreten, die das Wohl aller Menschen unabhängig des eigenen Alters im Auge hat. Denn die aktuellen Positionen sind Armutszeugnis für die menschliche Rasse.
Lehrer verachten Kreativität [5]
Zwei Studien haben die Schülerpräferenz von Grundschullehrern untersucht. Ergebnis: Lehrer behaupten zwar, dass sie kreative Schüler haben möchten, aber das entspricht nicht den Tatsachen. Kreative Schüler gehören zu denjenigen, die sie am geringsten wertschätzen. Der Psychologe Dr. Vaughan Bell sagte dazu auf dem Blog Mindhacks: „Das ist ein typisches Beispiel für den Konflikt, der entsteht, wenn eine Institution, die strikte Verhaltensstandards für Gruppen festlegt, behauptet, sie würde Individualität und Selbstausdruck fördern.“ Aber im Grunde ist das kein Wunder, da sich Schüler still und aufmerksam verhalten müssen, damit der Unterricht nicht gestört wird. Die Folgen für Persönlichkeitsentwicklung und freie Entfaltung fallen entsprechend düster aus.
Eine andere Studie [6], die letztes Jahr erschienen ist, belegt die Ablehnung ethischer Abweichler durch die Gruppe: Individuen, die aus gerechtfertigten ethischen Gründen bei einer Aufgabe nicht mitmachen, werden von der Gruppe abgelehnt, selbst wenn individuelle Mitglieder der Gruppe den ethischen Gründen zustimmen. Besonders pikant: Es ging um eine rassistische Aufgabe.
John Gray wünscht sich Vernichtung der Menschheit [7]
John Gray ist ein britischer Philosoph und Kritiker der „Neuen Atheisten“. In seinem aktuellen Buch „Von Menschen und anderen Tieren“ verflucht er den Humanismus und den ganzen Rest und erklärt die Menschheit zur Seuche, die den Planeten Erde heimsucht und die besser damit aufhören sollte, zu existieren. Empfohlen sei diese aufschlussreiche Rezension von Alan Posener.
Der Wissenschaftsjournalist Simon Singh hatte die Chiropraktik [9] (Manipulation der Wirbelsäule, basiert auf mystischen Konzepten) als „Bogus“, also „Unsinn“ bezeichnet, und dafür hing ihm die British Chiropractic Association eine Klage an. Aufgrund der mangelnden Erfolgsaussichten hat die BCA das Verfahren nun eingestellt. Dies könnte die Veränderung der britischen Rufmordgesetze beschleunigen, die Wissenschaftler immer wieder in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, wenn sie pseudowissenschaftlichen Quark kritisieren.

Warum der Gottesglaube nicht angeboren ist [10]
Die Templeton-Stiftung orientiert ihre Politik an Insekten der Gattung Homalotylus, die ihre Opfer von innen auffressen, nur dass die Wissenschaft ihr Opfer ist und nicht unsere Marienkäfer. Die Stiftung, die über hunderte von Millionen Dollar verfügt, hat in Zusammenarbeit mit der Oxford-Universität ein Multimillion-Dollar-Projekt angekündigt, dass aufzeigen will, warum die Religion so weit verbreitet ist. Dabei steht ihre Antwort bereits fest, wie man an den Büchern, welche die Stiftung finanziert, feststellen kann: Religion sei angeboren und von Vorteil für die Menschheit (dazu mehr in kommenden Beiträgen).
Der Forscher Gregory Paul, Autor von einflussreichen soziologischen Studien zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft, widerspricht: Er weist darauf hin, dass religiöser Glaube überall in der entwickelten Welt rückläufig ist. Auch sind lange nicht alle Naturvölker religiös, beispielsweise kommen die Hadza in Ostafrika mit einem Minimum an Religion und sogar ohne einen Glauben an ein Nachleben aus.
„In jeder wohlhabenden Demokratie mit universeller Gesundheitsfürsorge, Arbeitsplatz- und Rentensicherheit und geringen Graden an Gesellschaftskrankheiten wie Mord, Gefängnisinsaßen, Jugend- und Erwachsenensterblichkeit, Scheidungen und so weiter, hat die Mehrheit der Mittelschicht die Kirchen in Scharen verlassen, weil sie nicht länger die Notwendigkeit sieht, Schutz und Unterstützung bei übernatürlichen Kräften zu suchen.“
Dawkins und Hitchens wollen Papst verhaften lassen [11]
Die beiden populärsten Atheisten der Welt wollen den Papst in England verhaften lassen. Der Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschheit. Dawkins und Hitchens haben sich mit zwei Anwälten zusammengetan, die eine realistische Chance sehen, den Papst, wie bereits den chilenischen Diktator Augusto Pinochet, bei seinem Großbritannienaufenthalt festnehmen zu lassen. Dem Papst wird vorgeworfen, den Kindesmissbrauch in seiner Organisation systematisch verschleiert zu haben, in drei Fällen sei er direkt und persönlich für die Vertuschung des Missbrauchs und die Versetzung von Tätern verantwortlich gewesen.
Der Anwalt und Menschenrechtsexperte Geoffrey Robertson, der bereits Salman Rushdie vertreten hat, plädiert für die Verhaftung des Papstes [12] und hält sie für möglich. Sogar Michael Ruse, der die Neuen Atheisten von Anfang an kritisiert hat, schloss sich Richard Dawkins in einem Artikel [13] an. Überschrift: „Die katholische Kirche: Warum Richard Dawkins recht hatte und ich danebenlag“.
„Es war eine Überraschung für mich, auf wie viele Psychopathen ich unter den Priestern traf“ [14]
So die Worte des Psychotherapeuten Leslie Lothstein vom Institute of Living, der eigenen Angaben zufolge schon 300 katholische Priester behandelt hat, nicht nur solche mit sexuellen Problemen, sondern auch mit Geisteskrankheiten, Alkoholismus und so weiter. Dr. Lothstein weist darauf hin, dass nur eine kleine Minderheit der psychisch kranken Priester echte Pädophile sind, viele sind dagegen „ephebophil“, interessieren sich also für Jugendliche im Alter von 13 bis 15.
Die Unterscheidung ist darum wichtig, weil Ephebophilie normal ist und das sexuelle Interesse der Betroffenen verändert werden kann. Echte Pädophile dagegen sind von Natur aus anders gepolt und können nicht behandelt werden. Sie glauben, dass Kinder sie verführen wollten und sie interessieren sich nicht nur für Sex, sondern für echte Liebesbeziehungen mit Kindern. Echten Pädophilen kann man nur klarmachen, dass das angebliche sexuelle Interesse von Kindern an ihrer Person eine Fehlinterpretation darstellt.
Dr. Lothstein hatte auch mit Priestern zu tun, die Frauen geschwängert hatten, die dann Abtreibungen durchführen ließen. Auf die Frage, warum sie kein Kondom verwendet hätten, antworteten die Priester, dies widerspreche der Lehre der Kirche. Ist natürlich blöd, da Abtreibungen ja auch der Kirchenlehre widersprechen.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-419-706.jpg
[2] http://scienceblogs.com/evolutionblog/2010/04/is_id_blasphemous.php
[3] http://www.mindhacks.com/blog/2010/04/neurodemonology.html
[4] http://www.heise.de/tp/blogs/6/147411
[5] http://www.mindhacks.com/blog/2010/04/no_dark_sarcasm_in_t.html
[6] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18605853
[7] http://www.welt.de/die-welt/kultur/literatur/article7220464/Besser-waers-der-Mensch-verschwinde.html
[8] http://www.guardian.co.uk/science/2010/apr/15/simon-singh-libel-case-dropped
[9] http://www.gwup.org/infos/themen-nach-gebiet/77-komplementaer-und-alternativmedizin-cam/900-vorsicht-vor-der-chiropraktischen-falle
[10] http://online.wsj.com/article/SB10001424052702304222504575173890997846742.html
[11] http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,688350,00.html
[12] http://www.smh.com.au/opinion/society-and-culture/pope-must-answer-for-crimes-against-humanity-20100403-rkro.html
[13] http://www.huffingtonpost.com/michael-ruse/the-catholic-church-why-r_b_532987.html
[14] http://www.nytimes.com/2010/04/10/us/10beliefs.html?scp=1&sq=pope%20and%20psychopaths&st=cse