
Presseschau | 20.03.2010
Wer jung denkt, bleibt es auch! Wie man Midlife-Crisis und Altersschwächen vermeidet und unbesiegt durchs Leben geht, erfahren Sie hier. Die Evolutionäre Medizin verspricht die Vermeidung und Bezwingung von Krankheiten, außerdem wurde die genetische Grundlage für Selbstheilung entdeckt und mit einem neu ergründeten Wirkstoff könnte man vielleicht die Lebenszeit um zehn Jahre oder mehr erhöhen und dabei allerlei Krankheiten umgehen. Auf dem Weg zu einem glücklicheren und längeren Leben – mit Wissenschaft und kritischem Denken!
Beim amerikanischen Online-Skeptiker gibt es eine neue Rezension von Dawkins aktuellem Buch „The Greatest Show on Earth“. Ein interessantes Beispiel daraus: Die Lenski-Experimente dienten der Erforschung evolutionärer Prozesse – und zwar im Labor! Hierfür verwendete man Bakterienkolonien des Bakteriums Escherichia Coli. Nach 33 000 Generationen vermehrte sich eine der zwölf Bakterienkolonien auf einen Schlag sechs Mal so oft wie die anderen. Was war geschehen? Die Nährflüssigkeit für die Bakterien bestand überwiegend aus Traubenzucker, jedoch war auch ein wenig Zitrat beigemischt. E Coli ist an sich nicht in der Lage, Zitrat zu „essen“. Doch eine der Bakterienkolonien entwickelte eine Möglichkeit, Zitrat zu verarbeiten! Und dies erlaubte ihr eine sechsmal so schnelle Vermehrung wie alle anderen Kolonien, also einen evolutionären Vorteil. Das ist Evolution in Aktion und man kann sie direkt beobachten.
Evolution total falsch (mal wieder)! [3]
Oliver Burkeman hat im britischen Guardian einen dieser großspurigen Artikel geschrieben, laut dem „alles, was man ihnen über Evolution gesagt hat, falsch“ sei. Und warum ist diesmal alles falsch? Zunächst einmal ist gar nicht alles falsch, sondern die natürliche Selektion sei lediglich nicht der einzige Evolutionsmechanismus, wie man schnell erfährt. Gut, das wissen wir sowieso schon, es gibt ja auch die sexuelle Selektion. Aber für Burkeman steht eine Revolution kurz bevor! Und zwar wegen der Epigenetik. Die muss einmal mehr als Che Guevara der Biologie herhalten. Also nochmal: Die Epigenetik ist kein bedeutender Evolutionsmechanismus. Nur in sehr wenigen Fällen wurde gezeigt, dass sich erworbene Verhaltenstendenzen über sehr wenige Generationen erhalten können. Laut dem Biologen Jerry Coyne [4] stehen tausende DNA-basierte Veränderungen einer Handvoll epigenetischer Veränderungen gegenüber, wobei die epigenetischen Veränderungen für die Evolution nicht einmal von Bedeutung sind, da sich Evolution über tausende von Generationen erstreckt und nicht über zwei oder drei.
Evolutionäre Medizin ist Hitler [5]
Wenn irgendwas neu ist und die Gottesebenbildlichkeit des Menschen in Frage stellt, dann wird das gerne mit den Nazis verglichen. Nun hat es auch die Evolutionäre Medizin erwischt, die aus unserer Lebensweise während des Großteils der menschlichen Existenz Rückschlüsse auf eine gesunde Lebensweise zieht. Außerdem befasst sie sich mit der Evolution von Krankheitserregern wie den HI-Viren.
Anne Gammelgaard, Medizin-Ethikerin an der University of Kopenhagen, nennt sie „Darwin Medizin“, weil die EM den Eindruck erwecken könne, es sei widernatürlich, kranke Menschen zu behandeln. Diese Befürchtung entspringt einer irrationalen Angst vor dem Sozialdarwinismus, wann immer von Evolution die Rede ist. Die evolutionäre Medizin ist – eine Medizin! Und Medizin dient laut Definition der Heilung von kranken Menschen. Wie sollte es eine Medizin geben können, für welche die Heilung von kranken Menschen widernatürlich ist? Die Evolutionäre Medizin erkennt lediglich wissenschaftliche Fakten an, die seit gut 150 Jahren bekannt sind und die beachtlich einflussreiche Einfallspinsel noch immer nicht anerkennen und damit medizinische Fortschritte behindern und unnötiges Leid verursachen. Angenommen, man stößt mit Hilfe der Evolutionären Medizin auf ein Heilmittel gegen Aids, würden das moralpredigende Bioethiker ablehnen, weil dadurch der Eindruck entstehen könnte, es sei widernatürlich, Aids zu heilen?
Genetische Grundlage für Selbstheilung gefunden [6]
Bei Mäusen wurde nun das Gen entdeckt, das man abschalten muss, damit bei den Tieren abgestorbenes Gewebe nachwächst. Es heißt „p21“. Bis man sich spaßeshalber den Arm abhacken kann, um ihn dann nachwachsen zu lassen, wird es aber noch eine gute Weile dauern.
Hunde waren mesopotamische Wölfe [7]
Alle Hunde stammen von Wölfen aus der Region von Israel, Saudi-Arabien und Irak ab, wie man nun mit Genanalysen herausgefunden hat. Vor 100 000 Jahren haben Menschen vielleicht damit angefangen, die ersten Wölfe zu zähmen. Die frühesten Skelette von Haushunden sind 13 000 Jahre alt. Der Evolutionsbiologe Robert Wayne vermutet, dass wir Wölfe erst zur Jagd mitnahmen, sie dann als Zugtiere verwendeten und schließlich als freundschaftliche Begleiter.
Harvard-Mediziner David Sinclair entwickelt unter anderem aus dem Rotwein-Bestandteil Resveratrol Wirkstoffe, welche die Lebenszeit um zehn Jahre oder mehr verlängern könnten. Resveratrol macht Enzyme namens „Sirtuine“ aktiver. Dem Körper wird suggeriert, er bekomme zu wenig Nahrung und befinde sich im Stress. Die Sirtuine schützen dann den Körper vor Krankheiten. Tierstudien haben gezeigt, dass Resveratrol gegen Diabetes, Osteoporose, grauen Star, Krebs, Herzerkrankungen und Alzheimer wirkt. Allerdings gibt es noch keine Studien am Menschen. Resveratrol kann man bereits einfach in der Apotheke kaufen, sollte sich aber vorher darüber informieren. Durchaus ein vielversprechendes Mittel.
Der Papagei „Alex“ von Kognitionsforscherin Irene Pepperberg konnte „mehr als 100 Gegenstände erkennen, benennen, anfordern und zurückweisen“. Auch Bienen leisten Erstaunliches bei der Kommunikation über Futterstellen (Schwänzeltanz). Nur der Mensch beherrscht jedoch eine grammatikalisch-syntaktische Sprache.

Nichts kann dich bezwingen! [10]
Warum Rente mit 65? Warum nicht mit 70 oder 80 oder gar nicht? Eine ganze Reihe an Studien zeigen nämlich auf, dass der Ruhestand das Risiko für kognitiven Verfall erheblich steigert. In der RANT-Studie über „Mental Retirement“ heißt es zum Beispiel: „Wir haben herausgefunden, dass frühe Pensionierung einen signifikant negativen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten von Menschen in ihren frühen 60ern hat, der sowohl quantitativ relevant und kausal ist.“ Auch das Risiko, an einem Herzinfarkt oder Krebs zu sterben, steigt durch den Ruhestand erheblich an. Dies liegt an der veränderten Lebensführung, die den Metabolismus schädigt. Man bemüht sich nicht mehr, hängt nur faul herum und der Körper reagiert entsprechend.
Aber keine Panik: Ein nachgewiesenermaßen wirksames Rezept gegen Altersprobleme lautet: Lebe, als wärest du jung. Denke, du wärest du jung. Und dann bleibst du auch jung. Geistige Fitness erreicht man auch im Alter, indem man sich kritisch mit anderen Meinungen auseinandersetzt und nicht immer nur mit Leuten verkehrt, die einem zustimmen. Die Midlife-Crisis kann man übrigens auch vermeiden durch positives Denken und einen optimistischen Blick in die Zukunft (die ein entsprechendes Verhalten nach sich ziehen). Wenn man also denkt: „Ich werde nicht alt“, dann wird man nicht alt.
Klingt fragwürdig, aber die biologische Erklärung, wie sie in den hier verlinkten Studien dargestellt wird, ist trivial: Das Denken beeinflusst das Verhalten. Wer noch viel von seinem Leben erwartet, der vermeidet mit höherer Wahrscheinlichkeit schlechte Angewohnheiten wie Rauchen, Trinken, mangelnde Bewegung und geistigen Stillstand. Nichts Magisches daran. Wer sich Zeit seines Lebens heroisch allen Herausforderungen stellt, stirbt nach einem langen, zufriedenen Leben voller Energie und Heldentaten als vom Alter unbezwungener Hercules.
Moral, mit Grenzen [11]
Der Philosoph Russel Blackford setzt sich in diesem Artikel kritisch mit dem neuesten Beitrag von Michael Ruse auseinander, in dem er Philosophie und Moral als bloße Epiphenomene darstellt (siehe auch meine Kritik [12]). „Wir sind nicht die Sklaven der Evolution“, betont Blackford, obgleich er unsere natürlichen Verhaltenstendenzen anerkennt: „Also mag unsere evolvierte Psychologie dem Grenzen setzen, was realweltliche Moralsysteme realistischerweise von Menschen verlangen können und dabei vielleicht die extremeren Ambitionen von Konservativen und Liberalen gleichermaßen bezwingen. Es ist vielleicht nicht realistisch, von uns gegenseitig zu verlangen, dass wir entweder so selbstverleugnend sind, wie Moralkonservative es zu fordern scheinen, noch so altruistisch, wie es Liberale offenbar möchten.“
Wir brauchen auf jeden Fall die Erkenntnisse der evolutionären Psychologie nicht zu fürchten: „Falls dies zu einer Abschwächung extremer politischer Erwartungen führt und zu einigen vernunftbasierten Korrekturen traditioneller Moralität, dann sollten wir es willkommen heißen.“
Bio-Konsumenten sind asozial [13]
Menschen werden von einer ausgleichenden Ethik geleitet. Tun sie etwas Gutes, glauben sie, das gäbe ihnen das Recht, es mit schlechten Taten wieder auszugleichen. Wer schon laut Definition gut ist, zum Beispiel ein katholischer Priester, der kann das ruhigen Gewissens wettmachen durch den Missbrauch von ein paar Kindern. Und wer die Natur rettet, indem er Bio-Produkte kauft, kann es sich leisten, dass er stiehlt und betrügt. Das tun Bio-Konsumenten laut einer neuen Studie nämlich häufiger als die Vergleichsgruppe, nachdem sie Bio-Produkte gekauft hatten. Man sollte sich bewusst machen, dass es zur eigenen Zufriedenheit beiträgt, immer gut zu handeln und nicht dem Ausgleichs-Instinkt nachzugeben. Dafür muss man sein eigenes Verhalten stets infrage stellen. Außerdem ist Bio-Food sowieso nicht besser als normales Essen (obgleich die Tiere offenbar besser gehalten werden).
Säuglinge können von Natur aus tanzen [14]
In einer britischen Studie hat man herausgefunden, dass bereits Säuglinge ihre Bewegungen nach dem Takt von Musik synchronisieren können und ihnen das offenbar gut gefällt, weil sie häufig dabei lachen.

Atheisten missbrauchen Kind für Propagandavideo [15]
So lautete jedenfalls die Theologen-Kritik an dem Video [16] zu Michael Schmidt-Salomons Buch „Susi Neunmalklug erklärt die Evolution“. Von Natur aus sind Kinder nämlich Christen und dürfen als solche als Sternsinger und Domspatzen aktiv sein. Doch wenn sich ein Kind in einem Video für Wissenschaft ausspricht oder für irgendwas nicht vollkommen Irres, dann ist das Kindesmissbrauch. Das Project Reason von Sam Harris macht aktuell einen Videowettbewerb zur Förderung des kritischen Denkens. In dem hier verlinkten Beitrag ist eine kleine Feenwissenschaftlerin am Werk und erklärt die skeptische Vorgehensweise an das Thema. Schändlich, wie diese Atheisten selbst kleine Kinder zum Nicht-Verrücktsein indoktrinieren. Sehr professionell und originell gemacht ist außerdem das Video „Imagine No Religion [17]“. Ebenfalls sehr witzig: „Es ist nur ein Buch [18]“. (Empfehlungen von Astrodicticum [19]). Hier die Finalisten [20].
Michael Ruse ist Kuschelatheist und stolz darauf [21]
Das schreibt der Philosoph jedenfalls in seinem aktuellen Artikel, der erste Teil einer ganzen Serie, in der er den Kuschelatheismus („Accommodationism“) verteidigt. Die Serie erscheint bei der Biologos-Stiftung, die neben der Templeton-Stiftung der größte Wissenschafts- und Religionsversöhner im englischen Sprachraum ist. Viele Argumente bringt er nicht, dafür beschwert sich Ruse darüber, dass ihn P.Z. Myers einen „ahnungslosen Schwätzer“ genannt hat und Jerry Coyne meinte, das Haltbarkeitsdatum seiner Ideen laufe bald ab. Ruse wies jedoch auch darauf hin, dass er keineswegs herumheulen wolle, was er ja nun in seiner Artikelserie beweisen kann (im zweiten Teil geht es um seine christliche Kindheit). Leider scheint das Center for Inquiry, eine der einflussreichsten säkular-humanistischen Organisationen der Welt, auch immer kuscheliger zu werden. Jerry Coyne nimmt einen aktuellen Kuschelartikel auseinander [22], den sie in ihrem Blog veröffentlicht hat. Zur Erinnerung: Chef-Allversöhner Chris Mooney wurde zum Moderator einer Radiosendung des C.F.I. ernannt.
Ungläubige Priester unter der Lupe [23]
Es gibt eine ganze Reihe an ungläubigen Priestern (Michael Schmidt-Salomon bekommt gelegentlich Post von ihnen). Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett hat nun mit Kollegin Linda LaScola in einer Studie einen näheren Blick auf diese ungläubigen Pfarrer geworfen. Was motiviert sie?
Oftmals haben die betroffenen Pfarrer noch eine Art von vagen Glauben, meist Pantheismus. Zwei der fünf detailliert befragten Priester haben ihren Glauben unter anderem durch die Lektüre von Büchern der Neuen Atheisten (einer sogar durch Bill Mahers „Religulous“) verloren. Die Pfarrer möchten weiterhin ihrer Gemeinde Werte vermitteln und ihnen wichtige Botschaften mit auf den Weg geben und dazu gebrauchen sie eine religiöse Sprache, oder missbrauchen sie, weil man das von ihnen erwartet. Einer der Priester sagte sogar, dass er Menschen helfen möchte, die durch das Christentum geschädigt wurden – atheistische Seelsorge von der Kanzel. Aber auch finanzielle Erwägungen spielen eine Rolle. Schließlich war das eben der Karriereweg, den sie eingeschlagen haben, und etwas anderes können Priester nicht.
Vielleicht ist das gar nicht mal so schlecht: Man könnte die Kirchen von innen unterwandern, sich an ihrem Geld bereichern, ihre Gemeinden zum Unglauben verführen und die Kirchen schließlich in säkular-humanistische Einrichtungen umbauen.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-409-693.jpg
[2] http://www.skeptic.com/eskeptic/10-03-17/
[3] http://www.guardian.co.uk/science/2010/mar/19/evolution-darwin-natural-selection-genes-wrong
[4] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2010/03/19/worst-science-journalism-of-the-year-darwin-completely-wrong-again/
[5] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/2443545_Wir-sind-nicht-fuer-die-Zivilisation-gemacht.html
[6] http://www.heise.de/tp/blogs/3/147261
[7] http://www.welt.de/die-welt/wissen/article6839755/Wo-der-Hund-zum-ersten-Mal-bellte.html
[8] http://www.heise.de/tr/artikel/Altern-ist-eine-Krankheit-957871.html
[9] http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Hirnforschung;art304,3056922
[10] http://www.bakadesuyo.com/is-retirement-lethal
[11] http://networkedblogs.com/p29799853
[12] http://www.darwin-jahr.de/../../../../../../../../evo-magazin/gott-moral-philosophie-alles-quatsch
[13] http://www.heise.de/tp/blogs/3/147263
[14] http://www.firmenpresse.de/pressinfo179493.html
[15] http://www.youtube.com/watch?v=akk5EvTMGKo
[16] http://www.youtube.com/watch?v=X-j3I4kjHWI
[17] http://www.youtube.com/watch?v=1etVFaFaYA8
[18] http://www.youtube.com/watch?v=GBLyvp0_00w
[19] http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/03/wenn-kinder-forschen-die-elfenwissenschaftlerin.php?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed:+ScienceBlogs/AstrodicticumSimplex+%28ScienceBlogs+/+Astrodicticum+Simplex%29
[20] http://www.project-reason.org/contests/video_contest/
[21] http://biologos.org/blog/accommodationist-and-proud-of-it-part-i/
[22] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2010/03/20/weekend-accommodationism/
[23] http://newsweek.washingtonpost.com/onfaith/Non-Believing-Clergy.pdf