
Presseschau | 07.01.2010
Wir sind zurück! Erfolgreich sind wir dem Aschenbecher entstiegen, in dem wir unseren Winterschlaf verbrachten, wie der Phönix im zugehörigen Mythos (oder so ähnlich). Die Presseschau ist nun facettenreicher und spannender geworden, weil wir Forschungsbereiche wie Anthropologie, Psychologie und Hirnforschung zusätzlich zu unserem leiblichen Kind, der Evolutionsbiologie, adoptiert haben. Wo wir schon dabei sind, haben wir die wissenschaftliche Erforschung der Religion auch noch als fächerübergreifendes Thema mit aufgenommen.
Als eingebildete Anthropozentriker konzentrieren wir uns in Zukunft stärker auf den Menschen und erwähnen Tiere nur noch, wenn es etwas wirklich Interessantes über sie zu sagen gibt. Das allerdings ist bereits in dieser Presseschau mehrmals der Fall, also müssen sich auch Tierfreunde in Zukunft keine Sorgen machen. Anstelle der Deutsch/Englisch-Unterteilung ist die Presseschau nun nach Themengebieten aufgeteilt, die jeweils mit einem feschen Bild angekündigt werden.
Sammlung von Alfred Russel Wallace entdeckt [2]
Der heutige US-Anwalt Robert Heggestad kaufte sich im Jahre 1979 ein unscheinbares Schränkchen aus Palisanderholz in einem Antiquitätengeschäft in Arlington. In den letzten Jahren hat es ihn dazu getrieben, einmal ernsthaft herauszufinden, was es mit dem Schränkchen auf sich hat. Unter Hinzuziehung mehrerer Experten konnte zweifelsfrei belegt werden, dass es sich bei dem Schränkchen um nichts geringeres als die Sammlung von Alfred Russel Wallace, dem Mitbegründer der darwinschen Evolutionsbiologie, handelt. In 26 Fächern sammelte der Naturforscher darin rund 1500 Insekten. Wie das Schränkchen seinen Weg in den Arlingtoner Antiquitätenladen fand, ist weitgehend unklar. Ein neuer Motivationsschub für Schatzjäger.
Darwin litt unter zyklischem Erbrechen [3]
Endlich weiß man, was Darwin ein Leben lang so geplagt hat. Wie unverbesserliche Materialisten bereits vermuteten, hatte sein Leiden eine rein körperliche Ursache: Charles Darwin litt unter zyklischem Erbrechen, eine Krankheit, die normalerweise bei Kindern auftritt, aber auch ein Leben lang Bestand haben kann. Sehr wahrscheinlich wurde die Krankheit mütterlicherseits an Charles genetisch vererbt, da sie und ihr jüngerer Bruder an den selben Symptomen litten. Darwin hatte zeitlebens mit einer Vielzahl an gesundheitlichen Problemen zu kämpfen: Wiederkehrende Anfälle von Übelkeit und Erbrechen, sowie Durchfälle, Kopf- und Bauchschmerzen sind nur einige der Symptome des zyklischen Erbrechens.
Eidechsen evolvieren im Turbo-Modus [4]
Innerhalb von nur 6000 Jahren (für Kreationisten das gesamte Alter des Universums, aber für Evolutionsbiologen eine sehr kurze Zeitspanne) haben sich Eidechsen in einem Gebiet voller weißem Sand in Neumexiko weiß verfärbt. Ein Lehrbuch-Beispiel für natürliche Selektion: Die etwas weißeren Eidechsen waren im weißen Sand besser getarnt, haben häufiger überlebt und sich erfolgreicher fortgepflanzt, bis es irgendwann fast nur noch weiße Eidechsen gab.
Evolution direkt beobachtet [5]
Forscher vom Max-Planck-Institut in Tübingen und von der Indiana University in Bloomington haben nun beobachtet, wie oft sich Genome verändern. Sie haben die Geschwindigkeit gemessen, mit der Mutationen in Planzen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendein Buchstabe des genetischen Codes innerhalb einer Generation verändert, beträgt demnach 1: 140 Millionen. Das Ergebnis verrät, warum Pflanzen schon nach wenigen Jahren gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent werden können (140 Millionen sind in evolutionären Zeiträumen nicht so viel, wie man meinen könnte).
Eigentlich ist bereits eine Erdbeer-Krabbe bekannt, aber nun wurde eine wahrscheinlich neue Art entdeckt, die noch mehr so aussieht wie eine Erdbeere. Wird sie der ersten Erdbeer-Krabbe den Platz im Unterwasser-Fruchtkorb streitig machen?
Krötenweibchen ganz schön aufgeblasen [7]
Wer möchte sich schon mit aufgeblasenen Weibern paaren? Männliche Aga-Kröten möchten das im Grunde schon, aber wenn die Weibchen das nicht möchten, blasen sich sich so groß auf, dass die Krötenmännchen sich nicht mehr an ihnen festkrallen können. So können sie leicht von anderen Männchen verdrängt werden, bis einer dabei ist, der den Weibchen den sprichtwörtlichen Atem raubt.
Fokus Evolution in der Ärzte-Woche [8]
In der österreichischen „Ärzte-Woche“ vom 10.12.2009 befinden sich zwei Artikel von Mitgliedern des Darwin-Jahr-Komitees: Beda Stadler und Franz Wuketits schreiben darin über evolutionäre Themen.
Geistloser Prozess ohne Richtung und Zweck [9]
Neun rechts: „Evolution“. Und ein Schritt weiter im Kreuzworträtsel. Hier geht es um die Ansichten des Philosophen Daniel Dennett. Er traf bei einem Vortrag in München auf Widerspruch von jenen, die gerne Metaphysisches in ihrem Weltbild unterbringen. Aber dem hat Dennett glatt widersprochen.
Was geschah mit den Hominiden, die schlauer waren als wir? [10]
Gar nichts, weil es keine gab. Trotzdem ist 2008 wieder ein Buch namens „Big Brain“ erschienen, in dem großartig über den sogenannten „Boskop“-Menschen spekuliert wird. Er soll so ausgesehen haben wie Hollywood-Aliens, mit großen Augen, einem großen Gehirn und außergewöhnlichen mentalen Kräften. Aber das ist nur ein seit 50 Jahren widerlegter Mythos, der auf der falschen Einordnung eines unvollständigen Schädels basiert. Es gab nie einen Boskop-Menschen. Das Problem: Das Buch stammt von zwei renommierten Neurowissenschaftlern namens Gary Lynch und Richard Granger, die nur nichts von Anthropologie und Evolution verstehen. Wenn wieder einmal jemand über die Bewohner von Atlantis schreiben will, kann er jetzt zwei echte Wissenschaftler zitieren.
Zehn neurowissenschaftliche Fragen für 2010 [11]
Die Neurowissenschaften stehen erst am Anfang mit ihrer Erkundung des menschlichen Gehirns. Zehn Aufgaben, welche die Hirnforschung 2010 lösen könnte, erfährt man bei Telepolis. Nur für den Fall, dass den Forschern die Ideen ausgehen.
Größere Männer haben attraktivere Partnerinnen [12]
Wie eine neue Studie aus dem Bereich der Evolutionären Psychologie zeigt, bevorzugen Frauen große Partner. Außerdem bekommen große Männer tendenziell attraktivere Partnerinnen, sind mit geringerer Wahrscheinlichkeit kinderlos und haben eine größere Anzahl an Kindern als ihre kleineren Rivalen. Größere Männer sind zudem glücklicher und weniger eifersüchtig, allerdings neigen sie auch dazu, mehr Zeit von ihrer Partnerin zu beanspruchen und vermutete Rivalen zu bedrohen, vielleicht, so vermuten die Forscher, weil sie es sich erlauben können.
Im Gegenzug sind kleinere Männer eifersüchtiger, investieren aber auch mehr Liebe und Fürsorge in ihre Partnerinnen, vielleicht um sie zu behalten. Insofern haben auch kleinere Männer durchaus ihre Vorzüge.
Gibt es einen freien Willen? [13]
Dieser Frage gehe ich in einer dreiteiligen Artikelreihe beim Humanistischen Pressedienst nach und komme dabei zu anderen Ergebnissen als Michael Schmidt-Salomon in seinem aktuellen Buch Jenseits von Gut und Böse [14]. Wem die MSSsche Willensunfreiheit nicht gefallen hat, kann vielleicht mehr mit meinem Ansatz anfangen.
Es ist wie in einem Süßwarenladen. Bei uns ist für jeden etwas dabei.
Männer total erregt [15]
Die subjektiv empfundene und die physiologisch messbare sexuelle Erregung entsprechen sich bei Männern, bei Frauen liegen sie weiter auseinander. Die Forscher vermuten, dass Scham oder Schuldgefühle dazu führen, dass die Frauen behaupten, sie wären nicht erregt, obwohl sie es sind. Diese Unterschiede scheinen genetisch zu sein. Vielleicht ist es aus evolutionärer Sicht sinnvoll, wenn Frauen ihre Erregung gegebenenfalls verschweigen und Männer sie einfach ausplaudern (ist bei ihnen auch schwerer zu verstecken).
Sauberkeitsgeruch macht ethischer [16]
Schon Charles Dickens schrieb über den Zusammenhang zwischen einer sauberen Umwelt und sozialem Verhalten. Inzwischen haben zahlreiche Studien seine Meinung bestätigt, dass sich Menschen in heruntergekommenen Ghettos schlechter verhalten als in schönen Villenvierteln und dass dies tatsächlich mit dem bloßen „Look“ der Umgebung zusammenhängt. Nun hat eine neue Studie gezeigt, dass selbst der Reinlichkeitsgeruch von Pflegemitteln einen starken Einfluss auf das Verhalten der Menschen hat: In frisch duftenden Räumen verhalten wir uns fairer und großzügiger.
Kreationismus auf dem Vormarsch [17]
Christoph Lammers berichtet über vormarschierende Schöpfungsgläubige. Mal sehen, was sie dieses Jahr so treiben werden. Vielleicht wird der christliche Fundamentalismus irgendwann nur noch ein Randphänomen im Schlussverkauf der Ideologien sein, ähnlich wie heute der Stalinismus. Aber warten wir es ab.
Weniger Religion dank Dawkins? [18]
Eine Studie hat die Wirkung der religionskritischen Literatur von Richard Dawkins untersucht. Ergebnis: Laut Aussage der Testpersonen nahm ihr Glaube leicht ab. Dem Impliziten Assoziationstest zufolge nahm der tatsächliche Glaube an Gott nach Lektüre eines kurzen Dawkins-Textes sogar ganz erheblich ab. Selbst wenn man dem IAT nicht traut (er misst, sozusagen, das spontane Bauchgefühl, das aber nicht dem tatsächlichen Glauben entsprechen muss), kann man auf jeden Fall davon ausgehen, dass Dawkins wirkt.
Gläubige sind Gott [19]
Mit Hilfe von Gehirnscans und anderen Tests wurde herausgefunden, dass Gläubige ihre eigene Meinung auf Gott projizieren. Was immer sie denken – der Schöpfer des Universums stimmt mit ihnen überein. Das bedeutet keineswegs, dass Religion sie nicht bei der Meinungsfindung beeinflussen würde, aber das Ergebnis übertragen Gläubige einfach auf Gott und versichern sich auf diese Weise, dass ihre Meinung richtig ist. Welch amüsanter Zeitvertreib.
Der Traum vom ewigen Leben [20]
Der Physiker Marcelo Gleiser geht in diesem Artikel auf zwei Möglichkeiten ein, wie man das menschliche Leben verlängern könnte. Eine verminderte Exprimierung des Gens „mclk1“ hat bei einigen Tieren bereits nachweislich den Alterungsprozess verlangsamt. Vielleicht, so Gleisner, wird das menschliche Durchschnittsalter im Jahre 2040 auf 125 Jahre steigen, das Rentenalter auf 100 Jahre. Ewiges Leben wäre vielleicht durch Klonen und das Kopieren von Erinnerungen wie im Schwarzenegger-Film „The 6th Day“ möglich. Aber das ist Gleiser eher skeptisch.
Am letzten Freitag wurde ein neuer Hominid entdeckt. Diese faszinierende Art weist viele Ähnlichkeiten mit dem Homo sapiens auf, aber ihr Verhalten lässt darauf schließen, dass es sich um eine andere, bislang unbekannte Art handeln muss.
Der Wissenschaftler und Mitentdecker der Art, Dr. Michael Blume, taufte die neue Spezies auf den Namen „Homo religiosus“. Im Vergleich zum Homo sapiens zeichnet sich die Art durch ein besonders unterwürfiges und irrationales Verhalten aus. (Satire)
Glaube und Wissen vertragen sich nicht [22]
Eine Umfrage des Pew-Instituts enthüllt, dass Religion ein zentraler Faktor bei der Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist. Gefragt, was sie tun würden, falls Wissenschaftler einen bestimmten religiösen Glauben widerlegen würden, antworteten 64% der befragten US-Amerikaner, dass sie daran festhalten würden, was ihre Religion lehrt und sich nicht beeinflussen lassen würden von der gegenteiligen wissenschaftlichen Erkenntnis. 81% sagen, dass „aktuelle Entdeckungen und Fortschritte“ in der Forschung ihre religiösen Ansichten nicht signifikant beeinflusst haben. 14% geben sogar an, dass sie diese Entdeckungen religiöser gemacht hätten.
Die Arche war rund [23]
Eine kleine Ergänzung zu meinem Artikel über den sumerischen Schöpfungsmythos [24]: Laut einer neu entdeckten Keilschrift-Tafel von vor 1700 v. Chr. war die Arche in der sumerischen Urfassung rund und kein längliches Schiff, wie wir es heute kennen. Auch die Sumerer-Arche hat aber nie existiert und ist in diesem Punkt der biblischen Arche ganz ähnlich.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-371-624.jpg
[2] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/02/07/AR2009020702104_2.html?sub=AR&sid=ST2009020702514
[3] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/2163341_Leiden-des-Naturforschers-Darwin-litt-unter-zyklischem-Erbrechen.html
[4] http://www.nytimes.com/2010/01/05/science/05oblizard.html?ref=science
[5] http://www.physorg.com/news181467990.html
[6] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2010/01/06/new-species-the-strawberry-crab/
[7] http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/309193
[8] http://www.springer.com/springerwiennewyork/medicine/journal/11636
[9] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31796/1.html
[10] http://johnhawks.net/weblog/reviews/brain/paleo/return-amazing-boskops-lynch-granger-2009.html
[11] http://www.heise.de/tp/blogs/3/146831
[12] http://blogs.usatoday.com/sciencefair/2009/10/study-tall-people-have-more-attractive-partners.html
[13] http://hpd.de/node/8392/
[14] http://www.denkladen.de/product_info.php/info/p1278_Schmidt-Salomon--Jenseits-von-Gut-und-Boese.html/XTCsid/f6c4d10c25f7a0a4c06a4b1b32e834db
[15] http://www.heise.de/tp/blogs/3/146850
[16] http://www.sciencedaily.com/releases/2009/10/091025091148.htm
[17] http://www.jungewelt.de/2009/12-30/008.php
[18] http://feuerbringer.com/2010/01/02/wirkt-dawkins/
[19] http://feuerbringer.com/2009/12/16/glaubige-sind-gott/
[20] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,669276,00.html
[21] http://feuerbringer.com/2010/01/02/neue-spezies-entdeckt/
[22] http://pewforum.org/docs/?DocID=243
[23] http://www.guardian.co.uk/uk/2010/jan/01/noahs-ark-was-circular
[24] http://www.darwin-jahr.de/../../../../../../../../evo-magazin/sumerische-schoepfungsmythos