
Presseschau | 12.12.2009
Kochen ist super und Testosteron ist auch super. Es gibt Mütter mit 150 Millionen Kindern. Das Leben kommt aus dem All und die Dinos kommen aus Afrika. Affen führen Krieg und Killertomaten greifen Blattläuse an. Schrecklich aber wahr: Männer sind die natürliche Standardausgabe des Menschen. Diese und weitere Erstaunlichkeiten gibt es in unserer Presseschau!
Die Praxis des Kochens gibt es vielleicht seit dem Homo erectus, der letzte bekannte Vorfahre des Homo sapiens. Möglicherweise begannen Hominiden aber schon vorher mit dem Kochen. Inzwischen geht man davon aus, dass es eine wichtige Rolle in der menschlichen Evolution spielte. Das Kochen der Nahrung macht sie essbarer und steigert den Nährstoffgehalt. Während Affen sechs Stunden am Tag auf ihrer Nahrung herumkauen müssen, benötigen wir nur ein Fünftel dieser Zeit. Kochen tötet Krankheitserreger ab, konserviert Nahrung und macht sie leichter verdaulich. Kochen ist einfach toll. Auf zum Kochen!
So viel Nachwuchs bringt eine Ameisenkönigin in 20 Jahren hervor. Über den Superorganismus namens „Ameisenhaufen“ informiert Bert Hölldobler, der mit Soziobiologie-Veteran Edward O. Wilson ein neues Buch geschrieben hat.
Ehe dient der Genreplikation [4]
Zufällig bin ich auf einen Leserkommentar im „Südkurier“ gestoßen, wo christlich-konservative Ideale von der monogamen, heterosexuellen Ehe mit der Evolutionstheorie begründet werden. Das geht nicht und wer es versucht, hat keine Ahnung von der Evolutionstheorie, aber viel Ahnung davon, was es heißt, sich in der Mission Gottes zu wähnen. Die monogame Ehe – und in über 80% der monogamen Ehen sind sich die Partner irgendwann untreu, während sie durchschnittlich meist in vier oder sieben Jahren geschieden werden – ist nur eine von vielen Strategien egoistischer Gene, sich selbst zu vermehren und sich ihren Weg durch die Generationen zu bahnen. Die meisten menschlichen Gesellschaften waren und sind polygam. Aber es gab und gibt alle möglichen Arten von Beziehungen und auch homosexuelle Partnerschaften haben schon immer existiert. Ohnehin kann man aus einer reinen Tatsache – der Existenz von Ehen – nicht ableiten, dass sie ethisch gut oder schlecht wären.
„Die Ehe bleibt trotz aller Probleme das Beste, was aus der Evolution der Menschheit hervorgegangen ist, mit der Hochform der Einehe. Der wunderbaren Institution Ehe erwuchsen Rechte, die zu verteidigen sind“, schreibt der Kommentator. Das ist natürlich Unsinn, die Einehe ist keine „Hochform“, sondern ein von bestimmten Umweltbedingungen abhängiges Phänomen. Eine lebenslange, treue Ehe kommt so gut wie nie vor und kann somit weitaus eher als „unnatürlich“ bezeichnet werden als alles andere. Was der Kommentator hier fordert, ist nicht der Erhalt von Rechten, sondern der Erhalt und Ausbau von Vorrechten für Menschen mit einem bestimmten Lebensstil. Evolutionär lassen sich solche Dinge prinzipiell nicht begründen (das wäre Sozialdarwinismus), aber auch ansonsten sehe ich keine moralphilosophische Möglichkeit, für eine derartige Haltung zu argumentieren.
Außerdem sollte man die Ehe oder sonstige Beziehungsformen sowieso nicht für allzu heilig und mit Vorrechten bedacht ansehen, wenn man bedenkt, dass sie lediglich Strategien egoistischer Gene zur Selbstreplikation sind.
Testosteron ist unser Freund [5]
Kastrierte Nagetiere sind weniger aggressiv. Dies führte man auf ihren niedrigeren Testosteronspiegel zurück und schlussfolgerte, dass Männer wegen ihrem höheren Testosteronspiegel aggressiver wären als Frauen. Aber das Testosteron hat gar nichts damit zu tun. Forscher sind nämlich auf die geniale Idee gekommen, die Wirkung von Testosteron auch einmal beim Menschen zu testen und nicht nur bei Tieren. Ergebnis: Das Hormon erhöht die Sensitivität für den eigenen Status und den erhöht man in menschlichen Gesellschaften zum Beispiel durch soziales Verhalten. Testosteron kann also de facto sozialer machen. Glaubten die Testsubjekte allerdings, man habe ihnen Testosteron verabreicht, dann verhielten sie sich ungerechter. Sie waren nämlich den Mythos um die Wirkung des Hormons aufgesessen.
Kommt das Leben aus dem All? [6]
Zumindest die Vorraussetzungen für Leben, die Erdatmosphäre und Wasser, scheinen über Meteoriten aus dem All gekommen zu sein. Die chemische Signatur der Edelgase Krypton und Xenon entsprechen nämlich der von Meteoriten. Das Bild von einer Früherde mit flüssiger Erde und feuerspeienden Vulkanen könnte falsch sein.
Nicht nur die Evolution, sondern auch der durch den Menschen stark beeinflusste Klimawandel gilt unter Wissenschaftlern als Tatsache. Der menschengemachte Klimawandel hatte sogar schon Auswirkungen auf die Gene mehrerer Tierarten [8]. Bei der taz findet sich ein umfangreicher, gut belegter Kommentar zum Thema, wo auch auf die Gemeinsamkeiten von Kreationisten und Klimaskeptikern eingegangen wird. Es geht vor allem um „Climategate“, einem Vorfall, bei dem tausende private Mails von Klimaforschern an die Öffentlichkeit geraten sind. Die Klimaskeptiker lassen sich über angebliche Manipulationen seitens der Forscher aus, über die sie in den Mails Belege gefunden haben wollen. Und sie mockieren sich darüber, dass die Forscher in den Mails Klimaskeptiker als „Idioten“ bezeichnen. Übrigens sind Kreationisten und Klimaskeptiker oftmals die selben Leute [9].
Mehr zum Thema gibt es bei RealClimate [10] (englisch) und in meinem Blog findet sich ein vielsagendes Video [11], in dem sich ein Wissenschaftler mit einem Klimaskeptiker streitet.
Invasion des theistischen Evolutionismus [12]
Wie vertritt man eine anti-wissenschaftliche Haltung auf gesellschaftlich respektable Weise? Ganz einfach: Man distanziert sich von besonders offensichtlichen Ideologen und schleust seine eigene Ideologie auf subtilere Art und Weise in die Köpfe ein. So machen das die theistischen Evolutionisten. In dieser theismusfreundlichen Rezension eines theologischen Buches über die Evolution werden die alten Tricks anschaulich vorgeführt. Passender Zufall: Eine google-Anzeige in dieser Rezension macht Werbung für das „Holy Land“, einen fundamentalchristlichen Themenpark in den USA.
Offenbar stammt nicht nur der Mensch aus Afrika, sondern auch die Dinosaurier stammen aus der Gegend, die heute Südafrika wäre, die sich damals jedoch auf dem Urkontinent Pangaea befunden hatte. Vor 250 Millionen Jahren erblickten die Dinosaurier das Licht der Welt und vor 65 Millionen Jahren starben sie wieder aus, wobei sich ein paar Arten in Vögel weiterentwickelten. Siehe dazu auch bild der wissenschaft [14].
Kooperation mit dem Feind [15]
Ein Spitzhörnchen scheucht bei seinem Weg über die Bäume Insekten auf. Flaggendrongos und Habichte (Vögel) schnappen sich diese Insekten und fressen sie auf. Der Habicht könnte auch dem Spitzhörnchen gefährlich werden, wird jedoch vom Flaggendrongo, der vom Spitzhörnchen profitiert, davon abgehalten, es zu fressen. Bei 310 Sichtungen fehlte das Flaggendrongo nur fünf Mal und das Spitzhörnchen musste sich vor dem Habicht verstecken. Eine insgesamt stabile Zusammenarbeit.
Sind Männer der natürliche Standard? [16]
„Alle Wirbeltierembryos sind sowieso von Natur aus weiblich.“, erklärt Dr. Henry Wu im Filmklassiker „Jurassic Park“. Wie es aussieht, hat er sich da aber geirrt. Bislang ging man davon aus, dass sich Männchen nur dann entwickeln, wenn das Gen „Sry“ das Regulator-Gen „Sox9“ anschaltet. Nun haben Forscher entdeckt, dass bei der Ausschaltung des Gens „Foxl2“ das Regulator-Gen „Sox9“ aktiviert wird und sich weibliche Geschlechtsmerkmale in männliche verwandeln. Foxl2 muss also stets Sox9 im ausgeschaltenen Zustand erhalten, damit es nicht zu einer Geschlechtsumwandlung kommt. Es sieht also eher danach aus, als wären Männer die natürliche Standardausgabe.
Englische Presse
Krieg der Affen [17]
Zwei Pavianheere sind gegeneinander in den Krieg gezogen. Offenbar versuchten Männchen von einer der Gruppen, der anderen die Weibchen zu stehlen. Eine so große Auseinandersetzung ist bei Affen noch nie beobachtet worden. Die BBC bietet ein Video zum Affenkrieg an.
Koboldäffchen zu beobachten [18]
Auch das Koboldäffchen wurde von der BBC auf Film gebannt. Es gehört zur einzigen Gruppe fleischfressender Primaten und dürfte unseren Vorfahren recht ähnlich sehen. Seit 45 Millionen Jahren hat es sich kaum verändert.
Angriff der Killertomaten [19]
Überraschenderweise hat sich herausgestellt, dass Kartoffeln, Tomaten und Petunien zu den fleischfressenden Pflanzen gehören. Mittels kleiner, klebriger Haare fangen sie Insekten wie zum Beispiel die Blattlaus und nehmen sie dann als Nährstoff auf, sobald ihre Überreste in den Boden sinken.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-358-606.jpg
[2] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/2128445_Der-grillende-kochende-Affe.html
[3] http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1016788
[4] http://www.suedkurier.de/news/kommentare/lesermeinung/art410955,4076382
[5] http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/308776
[6] http://science.orf.at/stories/1633762/
[7] http://blogs.taz.de/reptilienfonds/2009/12/09/climategate_und_die_achse_des_bloeden/
[8] http://www.eurekalert.org/pub_releases/2006-06/uoo-rrc060506.php
[9] http://newsweek.washingtonpost.com/onfaith/panelists/paula_kirby/2009/12/believers_in_denial.html
[10] http://www.realclimate.org/index.php/archives/2009/11/the-cru-hack/
[11] http://feuerbringer.com/2009/12/07/klimaskeptiker-gegen-wissenschaftler/
[12] http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F468/Doc%7EE6C0EFFBF795C445CABBAD5A1F8ED79CC%7EATpl%7EEcommon%7EScontent.html
[13] http://www.welt.de/die-welt/wissen/article5495195/Verwandtschaft-unter-Sauriern.html
[14] http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/308818.html
[15] http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/308777
[16] http://www.rp-online.de/wissen/umwelt/Hoden-und-Eierstock-trennt-nur-ein-Gen_aid_794699.html
[17] http://news.bbc.co.uk/earth/hi/earth_news/newsid_8400000/8400019.stm
[18] http://news.bbc.co.uk/earth/hi/earth_news/newsid_8404000/8404535.stm
[19] http://www.independent.co.uk/news/science/attack-of-the-killer-tomatoes-1834638.html