
Podiumsdiskussion | 04.12.2009
Unter der Überschrift „Design ohne Designer?“ fand im Schloss Rosenstein, zugehörig zum staatlichen Stuttgarter Museum für Naturkunde, eine faire und sachliche Diskussion zwischen Evolutionsbiologen und Individuen statt, die glauben, dass Gott den Menschen aus dem Ackerboden erschaffen und ihm die Seele in die Nase gepustet hat.
Ich wollte darauf hinweisen, dass Intelligent Design und Kreationismus eben nicht wissenschaftlich sind und selbst wenn man sie unbedingt „wissenschaftlich“ nennen wollte, müsste man feststellen, dass sie falsche Wissenschaft sind. Falsch in höchsten Maße. Und auf ganz schön alberne Weise, denkt man an die kreationistischen Versuche zu erklären, wie Gott ein paar Millionen Tiere in der Arche untergebracht [2] haben könnte. Ein weiteres Problem habe ich darin gesehen, dass die Position und die personellen Vertreter des Kreationismus aufgewertet werden, wenn man sie mit echten Wissenschaftlern auf einer Ebene debattieren lässt, die an solchen Dingen wie der Wahrheit interessiert sind.
Hohes Niveau?
Zu jener Zeit war die Website zur Podiumsdiskussion [3] noch nicht online. Auf dieser erfährt man, was die Leiter des Stuttgarter Naturkundemuseums damit erreichen wollten, eine solche Diskussion zu organisieren: „Die Veranstaltung am Stuttgarter Naturkundemuseum will einen konstruktiven Beitrag zur Aufklärung und zur Versachlichung dieser wichtigen Debatte leisten. Eine öffentliche Diskussion zwischen Evolutionsbiologen und Evolutionskritikern hat es auf diesem hohen Niveau bislang in Deutschland noch kaum gegeben und daher darf mit einem sehr spannenden Abend gerechnet werden.“
Normalerweise bin ich für konstruktive Beiträge aufgeschlossen, aber in diesem Fall sehe ich nicht, warum man etwas Konstruktives zu dieser „wichtigen Debatte“ zwischen Wissenschaftlern und Anhängern einer anti-modernen, anti-wissenschaftlichen Ideologie beitragen sollte. Und seit wann sind Kreationisten an Sachlichkeit interessiert? Doch wohl nur dann, wenn es ihnen strategisch gerade passt.
Kreationisten machen Evolutionsbiologen in ihrer einflussreichen Pseudo-Dokumentation Expelled. No Intelligence Allowed für den Holocaust und für Stalins Morde verantwortlich. Außerdem soll die Evolutionstheorie zu Sozialdarwinismus und der Tötung von Behinderten führen [4]. Der assistierende Produzent Mark Mathis hat die Biologen Richard Dawkins und P.Z. Myers unter einem falschen Vorwand dazu gebracht, in dieser „Dokumentation“ aufzutreten und in der Endfassung haben die Macher ihre Aussagen entstellt und aus dem Kontext gerissen, um sie und alle anderen Evolutionsbiologen als atheistische Ideologen zu brandmarken. An der Premiere des Films haben sie P.Z. Myers nicht einmal teilnehmen lassen [5]. Ähnliches ist im deutschsprachigen Kreationistenfilm „Das Unglück, das der Darwinismus über die Menschheit brachte [6]“ zu sehen, oder in den deutschen Poppenberg-Filmen [7]. Das sind die Methoden, die man von Kreationisten generell erwarten darf. Und es sind Methoden, die nicht unterstützt werden sollten.
Keine Aufwertung von Geschichtsleugnern
Richard Dawkins vergleicht Kreationisten in seinem neuen Buch „The Greatest Show on Earth“ mit Holocaustleugnern und nennt Vertreter einer geschichtsverdrehenden Ideologie allgemein „Geschichtsleugner“. Er hat sich schon vor Jahren dazu entschlossen, nicht mehr mit Kreationisten zu diskutieren. Darin war er sich einig mit dem Biologen Stephen Jay Gould und die beiden waren sich ansonsten gewiss nicht oft einig. Diese Position begründete Dawkins in einem Essay [8]. Damals schon haben Kreationisten Goulds Konzept des Punktualismus verdreht, um zu zeigen, dass es angeblich keine Zwischenformen gäbe. Gould riet Dawkins davon ab, mit Kreationisten zu debattieren und er tat dies mit folgenden Worten:
„Gewinnen ist nicht das, was Kreationisten realistischerweise anstreben. Für sie genügt es bereits, dass die Debatte überhaupt stattfindet. Sie brauchen Publicity. Wir nicht. Für die gutgläubige Öffentlichkeit, die ihr natürlicher Adressat ist, reicht es schon, dass sie sieht, wie ihr Mann [der Vertreter der Kreationisten] eine Plattform mit einem echten Wissenschaftler teilt. ‚Da muss doch etwas am Kreationismus dran sein, oder Dr. Soundso wäre nicht damit einverstanden gewesen, darüber unter gleichen Bedingungen zu debattieren.‘ Ebenso wird man der Feigheit bezichtigt, wenn man die Einladung ablehnt, oder der Unfähigkeit, seine eigenen Ansichten zu verteidigen. Aber das ist besser, als die Kreationisten mit dem auszustatten, nach dem es sie verlangt: Der Nährstoff der Respektabilität in der Welt der echten Wissenschaft.“
Es sei daran erinnert, dass Stephen Jay Gould, im Gegensatz zu Richard Dawkins und im Gegensatz mir, die Ansicht vertrat, dass Evolutionstheorie und Religion sehr wohl kompatibel sind. Er sprach von einem „Non-Overlapping Magisteria“ (NOMA), laut der Wissenschaft und Religion unterschiedliche Bereiche abdecken würden. Und trotzdem war Gould gegen öffentliche Debatten zwischen Wissenschaftlern und Kreationisten. Ebenso könne man, so Dawkins, mit der „Flache-Erde-Gesellschaft“ debattieren. Man stelle sich vor, das Deutsche Historische Museum würde eine faire und sachliche Debatte zwischen Historikern und Holocaustleugnern organisieren. Etwas vom Wahrheits- und Sinngehalt her Vergleichbares hat das Naturkundemuseum Stuttgart getan, nur mit Biologen und Kreationisten als Besetzung und mit der Wahrheit der Evolutionstheorie statt der Wahrheit des Holocausts als Thema. Wer den Vergleich aufgrund der Unterschiede in der moralischen Bewertung nicht akzeptieren will, hat insofern zwar recht, sollte sich aber dennoch daran erinnern, wie die politischen Ideale von Kreationisten – also von christlichen Fundamentalisten – in der Regel aussehen.
Kreationisten sind Fundamentalisten
Als repräsentatives Beispiel ist die sehr einflussreiche und wohlhabende US-Kreationistenorganisation Answers in Genesis geeignet. Auf ihrer Website findet man umfassende Vorgaben [9] für Kreationisten zu ethischen Themen.
„Abtreibung und Feminismus sind Lügen [10], die die familiäre Einheit zerstören wollen, die Gott erschaffen hat“, heißt es dort in einem affirmativen Zitat. Die Autoren von Answers in Genesis sind prinzipiell gegen Stammzellenforschung [11], sie glauben, dass die Evolutionstheorie für die Gräueltaten von Stalin und Hitler verantwortlich [12] war, sie sind gegen homosexuelles Verhalten und gegen Homo-Ehe [13]. Ihre Ansichten über die Gründe für die Existenz von menschlichen Rassen [14] sind zwar absurd, aber sie lehnen den Rassismus ab, wofür sie allerdings evolutionäre Argumente gebrauchen, während sie gleichzeitig die Evolutionstheorie für den Rassismus verantwortlich [15] machen. Das ebenso einflussreiche Institute for Creation Research schließt sich der Verschwörungstheorie um die "fabrizierte" globale Erwärmung [16] an. Es ist kein Wunder, dass der Europarat den Kreationismus in einem Dokument als „ernsthafte Gefahr für die Menschenrechte [17]“ bezeichnet hat.
Was mich obendrein besonders stört ist die Rede auf der Website der Veranstalter von einer „hochkarätig besetzte[n] Podiumsdiskussion“. Sind christliche Fundamentalisten wirklich eine hochkarätige Besetzung?
Diskussion oder unfreiwillige Unterstützung?
Nun hat die Debatte also stattgefunden. Wie war sie?
„Insgesamt würde ich ein positives Fazit ziehen; alleine schon die Tatsache, dass eine Veranstaltung wie diese möglich war (und noch dazu in diesem Rahmen) ist bemerkenswert.“ So die Worte des Kreationisten Markus Rammerstorfer [18], der an der Diskussion teilgenommen hat.
Konnte man die Besucher über ID und Kreationismus aufklären?
„Der Genetiker Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig wiederholte demgegenüber lediglich die Argumente für ID, die er in großer Breite im Internet anbietet. Da er oberflächlich an die Evolutionstheorie anknüpft, ohne wirklich auf sie einzugehen, wirkte er von allen Vertretern des ID am plausibelsten auf das nur zum Teil fachkundige Publikum. Sein besonderer Stil ist das Aneinanderreihen von scheinbar beweiskräftigen Zitaten. Was in einem langen Internet-Text überzogen oder sogar lächerlich wirkt, nämlich ein „Beweis durch Autorität“, kam in Stuttgart gut an – schon deswegen, weil niemand nachprüfen konnte, was die zitierten Autoritäten (darunter Charles Darwin selbst) gesagt hatten oder hatten sagen wollen“, heißt es in einem Bericht von Hansjörg Hemminger [19].
Ferner: „An diesem Punkt zeigte sich die Schwierigkeit besonders deutlich, komplizierte Sachfragen mit streng kontrollierten Minuten-Statements auf einem so großen Podium abzuhandeln. Es war zwar möglich, Lönnig zu entgegnen, dass nicht die Ursache „Intelligenz“ an sich ausgeschlossen werde, sondern die transzendente, supranaturale Intelligenz, und auch nicht aus dem Weltbild, sondern lediglich aus der biologischen Theorienbildung. Aber dieser zentrale Kritikpunkt an ID ließ sich nicht wirklich entfalten [...]“.
Im Fazit heißt es zudem: „Auf der anderen Seite ließ sich die Attraktivität der Pseudowissenschaft ‚intelligent design‘ in einem solchen Rahmen kaum diskutieren, und wohl gar nicht abbauen.“
Außerdem konnte Wolf-Ekkehard Lönnig mal wieder eine seiner Verschwörungstheorien vom Stapel lassen, die sich diesmal mit meiner Kritik an der Veranstaltung befasste: „Nur Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig fiel mit der Behauptung auf, es habe Störungs- und Verhinderungsversuche von Evolutionisten und Atheisten gegeben. Dem widersprach die Direktorin des Museums, Frau Professor Eder: Es habe zwar Kritik an der Veranstaltung im Internet gegeben. Aber dass jemand eine kritische Meinung habe, auch wenn sie sachlich unfundiert sei, sei weder eine Störung noch ein Verhinderungsversuch.“
Klar, ich gebe irgendwo in einer Presseschau einen kritischen Kommentar ab und für W. E. Lönnig sind das Störungs- und Verhinderungsversuche. War meine Kritik an der Diskussion nun wirklich „sachlich unfundiert“? Einige Ausstellungsstücke des Stuttgarter Naturkundemuseums richten sich explizit gegen kreationistische Behauptungen, also würde man doch meinen, dass es den Veranstaltern darum geht, den Kreationismus und ID zu diskreditieren. Es gibt gute Gründe, die Podiumsdiskussion vor diesem Hintergrund für eine schlechte Entscheidung zu halten.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-356-931.JPG
[2] http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=disk/d90/4/d90-4.html
[3] http://www.naturkundemuseum-bw.de/stuttgart/news/index.php?f=1&id=299
[4] http://www.youtube.com/watch?v=xwc-fzNI_Ns
[5] http://www.youtube.com/watch?v=c39jYgsvUOY
[6] http://www.youtube.com/watch?v=swk56Zku3XE
[7] http://www.martin-neukamm.de/poppenberg.html
[8] http://richarddawkins.net/articles/119
[9] http://www.answersingenesis.org/get-answers#/topic/ethics-human-life
[10] http://www.answersingenesis.org/creation/v13/i4/abortion.asp
[11] http://www.answersingenesis.org/articles/am/v2/n1/stem-cells
[12] http://www.answersingenesis.org/get-answers#/topic/communism-nazism
[13] http://www.answersingenesis.org/articles/wow/how-respond-to-gay-marriage
[14] http://scienceblogs.com/pharyngula/2009/08/more_stuff_we_missed_at_the_cr.php
[15] http://www.answersingenesis.org/creation/v21/i3/interracial.asp
[16] http://www.icr.org/article/5113/
[17] http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/WorkingDocs/Doc07/EDOC11375.htm
[18] http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2009/11/podiumsdiskussion-design-ohne-designer.html
[19] http://achdulieberdarwin.blogspot.com/search?updated-max=2009-11-27T23:04:00+01:00&max-results=1