
Presseschau | 11.09.2009
Man könnte fast meinen, dass vielen Leuten die Evolutionstheorie nicht passt, ohne dass sie etwas über sie wüssten. Abhilfe schafft die Presseschau, wo Neuestes aus der Welt der Mutation und Selektion vorgestellt wird. Endlich können Sie die Evolution ablehnen und sogar wissen, warum! Sollte das unseren Lesern dann noch gelingen...
Lieber ein Reserve-Gen einpacken [2]
Spiegelkarpfen haben zwei Gene für Schuppenbildung, eines ist mutiert, das andere ist ein Reserve-Gen, welches die negativen Folgen der Mutation aufhebt.
Artenstehung durch sexuelle Selektion [3]
Axel Meyer und Kollegen haben die Artenstehung durch sexuelle Selektion anhand von Buntbarschen nachgewiesen.
Zehn Meter großes Krokodil gefunden [4]
Ein Fossil eines riesigen Ur-Krokodils aus dem Miozän (vor 20 Millionen Jahren) wurde entdeckt.
Mäuse können fliegen, aber nur in einem Gravitationssimulator. Darin hat sich gezeigt, dass die Mäuse gut mit der Schwerelosigkeit zurechtkommen. Unklar ist, warum das unbedingt jemand wissen möchte, wenn die Ergebnisse sowieso nicht auf Menschen übertragbar sind. Vielleicht stecken sie bald ein Pferd in einen Gravitationssimulator und schalten die Schwerkraft aus. Hauptsache mal wieder ein Tier irgendwo reingesteckt. Vielleicht stößt man zufällig auf etwas und bekommt Fördergelder...
Axel Meyer streitet sich mit Literaturkritiker [6]
Matthias Matussek hat in einem Spiegel-Artikel [7] Evolutionsbiologen als „vulgär“ bezeichnet und selbst hochgebildete Fragen gestellt wie: „Sind wir nur verblödete Hedonismus-Maschinen, oder wollen wir mehr von uns?“. Axel Meyer hat ihn dafür kritisiert. Da mache ich mit.
Zunächst einmal: Wen interessiert es denn, ob wir „mehr von uns“ wollen? Entweder etwas ist wahr, oder es ist nicht wahr! Entweder wir sind „verblödete Hedonismus-Maschinen“ (was immer das sein soll), oder wir sind das nicht! Weiter fragt Matussek: „Ist der Mensch nur ein biologisches Programm oder eine autonome Setzung? Ist er frei oder ferngelenkt?“ Kein Mensch behauptet, dass wir „ferngelenkt“ sind (allenfalls in totalitären Diktaturen sind wir gewissermaßen „ferngelenkt“, da handlungsunfrei). Auch „ist“ der Mensch kein biologisches Programm, sondern er hat eines, das ihn zu einem bestimmten Verhalten prädisponiert, aber ihn nicht absolut dazu zwingt. Wir haben die Fähigkeiten zur Selbstreflektion, Selbstkontrolle und Rationalität – die sich evolutionär entwickelt haben, sonst hätten wir eben nicht!
Schiller ist Matusseks Einschätzung nach näher an jenen, „die an einen göttlichen Funken glauben, sei es die Begabung zur Liebe oder die zur Kunst“. Und Evolutionsbiologen glauben nicht, dass wir die Begabung zur Liebe oder die zur Kunst haben? Dann sind die unzähligen Bücher und Studien zu diesen Themen von Evolutionsbiologen wohl reine Zeitverschwendung.
Dabei war Schillers „Idealismus“, den Matussek so toll findet, sehr rational, zum Beispiel hat er in seinem Gedicht „Resignation: Eine Fantasie“ dem Glauben an ein Jenseits abgeschworen und jede Sekunde bedauert, die er mit Theologie verschwendet hat. Darin nennt Schiller den Glauben an ein Nachleben „Ein Lügenbild lebendiger Gestalten“ und bedauert vorwurfsvoll „All meine Freuden hab ich dir geschlachtet“. Schließlich empfiehlt er: „Genieße, wer nicht glauben kann“ (man erinnere sich an Matusseks „verblödete Hedonismus-Maschinen“). Schillers Fazit: „Was man von der Minute ausgeschlagen, Gibt keine Ewigkeit zurück.“
Außerdem ist die Evolutionsbiologie nicht nur Naturwissenschaft, sondern auch Kultur und wurde in der Kunst (etwa Max Ernst und Alfred Kubin) und in der Literatur (man denke an Conrads „Herz der Finsternis“ oder die Bücher von H.G. Wells) großzügig rezipiert. Um diese Werke zu verstehen, muss man erst einmal eine Ahnung von der Theorie haben. Dabei hilft es nicht, geistig im 18. Jahrhundert bei den Weimarer Klassikern zu versumpfen – und sie dabei nicht einmal zu kennen.
Es ist eine Schande, dass kulturlose Crétins immer wieder den guten Namen der Geisteswissenschaften in den Dreck ziehen müssen.
Wenigstens in Bern wurde der Evolutionstag offiziell eingeführt. Dabei geht es allerdings nur um einen spezialisierten Schultag, an dem alle Schüler der Stadt etwas über die Evolutionstheorie lernen sollen. 35 Stadträte waren dafür, 15 dagegen und 7 enthielten sich. Die Schweizer Grünen sind beunruhigt über so viele Evolutionsgegner. Beat Gubster von der EDU dagegen, mehr oder minder die Schweizer Version der CSU, sagte:
„Dass die Evolutionstheorie die einzige Erklärung für die Vielfalt des Lebens auf der Erde liefert, stimmt natürlich nicht.“ Doch, das stimmt natürlich schon. Wenn Frau Beat eine bessere Erklärung zu bieten hätte, würde man ihr sofort den Nobelpreis überreichen.
„Im Gegenteil, sie kann nicht einmal die Entstehung des Lebens erklären.“ Dafür ist die Evolutionstheorie auch nicht da. Sie erklärt die Entwicklung des Lebens, nicht seine Entstehung. Die Entstehung des Lebens ist ein Thema in der Chemie.
„Gemäss der Evolutionstheorie soll das Leben nämlich durch zufällige Reaktionen entstanden sein.“ Nein, die Evolutionstheorie macht keine Aussagen über die Entstehung des Lebens. Nach aktuellem Stand der Chemie hat sich das Leben wahrscheinlich aus RNA entwickelt.
„Die bisherigen Ergebnisse deuten sogar eher darauf hin, dass Leben nicht zufällig entstanden sein kann.“ Das behauptet ja auch kein Mensch.
Wir vertrauen mehr auf Menschen als auf Logik [9]
Experimente mit Wölfen und Hunden haben gezeigt, dass sich die Hunde dem menschlichen Verhalten angepasst haben. Während Wölfe empirisch vorgehen, um Probleme zu lösen, also ihre Erfahrungen einbeziehen und die Lage analysieren, neigen Hunde mehr dazu, ihre Herrchen nachzuahmen. Ebenso ahmen Menschenkinder eher ihre Eltern nach und hören auf sie, als dass sie tun, was logisch wäre. Vielleicht waren Newton und Einstein darum so erfolgreiche Wissenschaftler, weil sie ein von Menschen vergleichsweise isoliertes Leben geführt haben, und sich eher auf ihre Logik verließen?
Elefanten leisten Widerstand [10]
Die vom Aussterben bedrohten indischen Elefanten nehmen die Eroberung ihres Lebensraumes durch Menschen nicht mehr hin. 15 Elefanten haben eine Widerstandsgruppe aufgebaut. Sie hat schon 45 Dörfer heimgesucht und 500 Hütten zertrampelt. Wildhüter rätseln über das ungewöhnliche Verhalten der Dickhäuter.
Aids nicht geheilt! [11]
Trotzdem gibt es gute Nachrichten: Forscher haben ein menschliches Protein so verändert, dass es die Ausbreitung der HI-Viren verhindert. Nachtaffen haben ein ähnliches Protein und von denen haben die Forscher gespickt. Jetzt werkeln sie daran, das Stoppschild-Protein einem Menschen einzusetzen.
Nacktmullen bekommen eigenen Spiegel-Beitrag [12]
Die maulwurfähnlichen Nacktmullen haben einen eigenen Beitrag bei Spiegel Online bekommen. Den haben sie sich redlich verdient, denn Nacktmullen, obwohl sie Säuger sind, leben wie Insekten. Bei ihnen gibt es eine Königin, Arbeiterinnen und Männchen, wobei letztere ständig um das Recht kämpfen, die Königin zu begatten.
Ohne Orientierungspunkte in der Landschaft, mindestens Sonne oder Mond, laufen Menschen im Kreis und kommen irgendwann dorthin zurück, wo sie zur Wanderschaft aufgebrochen waren. Wahrscheinlich hat sich das Im-Kreis-Laufen evolutionär entwickelt, damit wir wieder dorthin zurückfinden, wo wir uns auskennen, wenn wir die Orientierung verlieren.
Neues kleines Viech entdeckt [14]
In England wurde ein bislang unbekannter Springschwanz entdeckt. Es handelt sich um ein millimeterkleines, grünes Insekt.
Richard Dawkins stellt in diesem Video sein neues Buch über die Evolution vor, diesmal geht es um die Belege für die Theorie.
Kohlmeisen fressen Fledermäuse [16]
Den Kohlmeisen ist die Nahrung ausgegangen, darum starten sie in Ungarn eine Invasion auf Fledermaushölen und fressen die kleinen Batmans gnadenlos auf.
Kokon im Darwincenter gebaut [17]
In Londons Naturkundemuseum wurde ein riesiger Kokon errichtet. Besucher können sich darin einmummen und Wissenschaftlern bei der Arbeit zusehen.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-320-535.jpeg
[2] http://www.extremnews.com/nachrichten/natur-und-umwelt/269f12aa7bf493b
[3] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,647964,00.html
[4] http://derstandard.at/fs/1252036944217/Kuba-Fossil-eines-10-Meter-grossen-Krokodils-gefunden
[5] http://www.heise.de/tp/blogs/3/145174
[6] http://www.handelsblatt.com/technologie/forschung/goethe-und-die-vulgaeren-biologen;2455283
[7] http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?titel=Die+Verschw%C3%B6rer+von+Weimar&id=66568015&top=SPIEGEL&suchbegriff=matthias+matussek&quellen=&qcrubrik=kultur
[8] http://www.jesus.ch/index.php/D/article/769-2/48282-Kein_Zwang_fuer_einen_Tag_der_Evolution/
[9] http://hpd.de/node/7691
[10] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/1931941_Indien-Das-Schreckensregime-der-Elefanten.html
[11] http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,647730,00.html
[12] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,647041,00.html
[13] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1935362_Auf-direktem-Weg-zum-Ausgangspunkt.html
[14] http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/scotland/highlands_and_islands/8237582.stm
[15] http://www.youtube.com/watch?v=I-QWv_0Mjq0
[16] http://www.guardian.co.uk/science/2009/sep/09/great-tits-hunting-bats
[17] http://www.independent.co.uk/arts-entertainment/architecture/what-a-creation-darwin-centres-new-wing-is-both-a-mystery-and-a-triumph-of-design-1783870.html