
Presseschau | 29.05.2009
Gentechniker erzeugen sprechende Mäuse, Strahlentierchen machen Magerkur, Parasiten steuern ihre Wirte und Evolutionspädagogen gehen auf Bauernfang. Außerdem: Liebe, Sucht, Medien, die unser Gehirn angeblich verformen und die Frage, ob Tiere moralische Entscheidungen treffen. Willkommen bei der überaus vortrefflichen Presseschau von darwin-jahr.de.
...dann würden sie Käse bestellen. FOXP2 gilt als das „Sprachgen“, das uns in die Lage versetzt zu sprechen. Unsere Version des Gens unterscheidet sich in nur zwei Aminosäuren von der Schimpansen-Version. Nun haben Forscher die menschliche Fassung des Gens in die DNA von Mäusen eingebaut. Die Mäuse wiesen tatsächlich Veränderungen im Gehirn auf, die in Studien mit der menschlichen Sprache in Verbindung gebracht wurden. Außerdem fiepen die Mäusekinder dieser Versuchstiere anders, wenn man sie aus dem mütterlichen Nest entfernt. Vielleicht können wir also nur deshalb sprechen, weil zwei Teile des Codes von einem einzigen Gen bei uns anders sind.
Gibt es eine darwinistische Moral? [3]
Der Bericht über einen Vortrag von Prof. Wuketits zum Thema, woher die Moral kommt und welche Haltung Charles Darwin zu dieser Frage vertrat.
Strahlentierchen werden immer dünner [4]
Die mikroskopischen Strahlentierchen sind dem Schlankheitswahn verfallen. Warum das so ist, wird in diesem Artikel erklärt.
Parasiten steuern ihre Wirte [5]
Parasiten entscheiden selbst den Zeitpunkt für den Wirtswechsel, indem sie das Verhalten ihres Wirtes manipulieren. Sie wechseln den Wirt immer dann, wenn es ihre Fitness erhöht, also die Anzahl fruchtbarer Nachkommen. Diese Erkenntnis könnte dazu beitragen, eine evolutionäre Schädlingsbekämpfung zu entwickeln.
Warum nutzt der Mensch die Tierwelt so wenig? [6]
Prof. Reichholf erklärt, warum wir nur so wenige Tiere domestiziert haben oder sie als Nutztiere verwenden. Das klappt nämlich lange nicht bei allen Tierarten.
Wieso Geschmäcker verschieden sind [7]
Pferde schmecken sehr gut, was nicht nur der Grund ist, warum man sie früher gegessen hat, sondern es ist auch eine Herausforderung für Evolutionsbiologen. Pferde haben nämlich 35 000 Geschmacksknospen, während sich der Mensch mit 10 000 zufrieden geben muss. Pferde müssen verschiedene Grasarten unterscheiden können, der Mensch hat sich an sein eigenes Nahrungsangebot angepasst.
Während wir uns äußerlich zu Menschen des für gewöhnlich anderen Geschlechts hingezogen fühlen, die so ähnlich aussehen wie wir, die aber nicht mit uns verwandt sind, entscheiden wir uns zudem unbewusst für Partner, deren Immunsystem möglichst stark von unserem abweicht, sodass sie die beiden Abwehrsysteme beim Nachwuchs ergänzen.
Invasion der Evolutionspädagogik [9]
Evolution ist überall. Leider, möchte man in diesem Fall sagen. „Die Evolutionspädagogik geht davon aus, dass Intelligenz und Lernen mit der Bewegungsfähigkeit des Menschen verknüpft ist. Die Methode beruht auf der Annahme, dass jeder Mensch vom Augenblick seiner Zeugung, über die Zeit im Mutterleib, bis zum dritten oder vierten Lebensjahr, die einzelnen Stufen der Evolution durchläuft. David konnte die Stufe des Reptils nicht richtig durchleben“, heißt es in diesem Spiegel-Artikel. Tatsächlich ist die Intelligenz zum absolut überwiegenden Teil angeboren. Mit Bewegung hat sie gar nichts zu tun (auch wenn viele Sportlehrer das noch immer glauben). Dass Kinder bestimmte Entwicklungsstufen nicht richtig durchlaufen hätten, ist pure Esoterik. Dafür gibt es keinerlei Belege, ganz im Gegenteil. Ergo: Hände weg von der „Evolutionspädagogik“.
Entwicklung des Sehzentrums entschlüsselt [10]
Bei neugeborenen Säuglingen verarbeitet jede Hirnhälfte nur Bilder aus dem gegenüberliegenden Auge, bis im Laufe der Entwicklung beide Hirnhälften die Informationen von beiden Augen verarbeiten. Warum sich unser Sehzentrum so entwickelt hat, erfährt man in diesem Artikel.
US-Christen gegen google-Ida [11]
Die christlich-konservative Internetzeitung World Net Daily warf dem Suchmaschinenbetreiber google vor, dass sie das jüngst gefundene Fossil Darwinius Masillae als ihr Logo verwendet haben. Im fundamentalistischen Forum RaptureReady sieht man das Logo sogar als Hinweis darauf, dass das Jüngste Gericht kurz bevorsteht.
Der frühe Homo Sapiens varriierte mehr [12]
Der frühe Homo Sapiens (200 000 bis 100 000 Jahre vor unserer Zeit) wies größere Unterschiede in seinen Schädelformen auf als der moderne Mensch. Forscher schließen daraus, dass sich der moderne Mensch aus verschiedenen Populationen des Frühmenschen entwickelt hat, der viel unterwegs war.
Bei schlechtem Wetter singen Vögel besser [13]
Je schlechter das Wetter, desto mehr Mühe geben sich männliche Spottdrosseln beim Singen. Bei gefährlicher Witterung sind die Weibchen nämlich besonders wählerisch. Die Männchen, die kompliziertere Lieder singen, haben tendenziell weniger Parasiten und Nachkommen mit höherer Überlebenschance.
Wie gefährlich ist die Schweinegrippe? [14]
Die Biologen Johannes Löwer und Beda Stadler aus dem Darwin-Jahr-Komitee führen ein Streitgespräch über die Gefährlichkeit der Schweinegrippe.
Erstaunliche Vielfalt bei Bakterien [15]
Bakterien aus 205 Gattungen und 19 verschiedenen Stämmen besiedeln unsere Haut. Zum Glück sind sie nicht schädlich.
Der Darwin-Code für Kultur und Religion [16]
Die Zusammenfassung eines Vortrags von Prof. Paul über die Entstehung und evolutionäre Rolle von Kultur und Religion.
Liebe und Sucht [17]
„Nicht nur von der Beschreibung her liegen Liebe und Sucht nahe beieinander, im Kopf sind sie praktisch identisch“, erläutert der Hirnforscher Manfred Spitzer. „Die Liebe ist die gesunde Vorderseite des Spiegels, Manie und Sucht sind die kranke, hässliche Rückseite.“
Guppys kontern Fressfeinde [18]
In einem Abschnitt mit Fressfeinden produzieren Guppy-Weibchen besonders viele Eier, damit wenigstens ein paar Nachkommen überleben. Schon nach 30 Generationen steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit der Guppys um 60%.
Verformen neue Medien unsere Gehirne? [19]
Laut der Neurowissenschaftlerin Susan Greenfield wird durch unseren Konsum des Internets und sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook unser Gehirn verformt und wir werden infantilisiert, verlieren außerdem an sozialer Kompetenz. Sie hat keine Belege für ihre Hypothese, die zudem soziobiologischen Erkenntnissen widerspricht. Insofern können wir festhalten, dass ihre Hypothese Quatsch ist und unsere Intelligenz und Persönlichkeit vor allem genetisch bedingt sind (die Umwelt spielt vor allem in Punkto Ernährung und medizinische Versorgung eine Rolle). Das Internet hat da nicht viel mitzureden.
Es gibt keine Gehirnareale jeweils für rationale und irrationale Entscheidungen. Alle Entscheidungen werden im lateralen präfrontalen Kortex getroffen. Es gibt Menschen, deren Belohnungszentrum besonders leicht anspringt. Sie orientieren sich am Maximalgewinn oder am Maximalverlust und gehen hohe Risiken ein. Die Menschen mit geringerer Dopaminausschüttung orientierten sich eher an Gewinnwahrscheinlichkeiten. Dieses Wissen könnte man nutzen, um das Verhalten von bestimmten Menschen vorherzusagen.
Treffen Tiere moralische Entscheidungen? [21]
Laut einem neuen Buch von Prof. Marc Bekoff tun sie das. Moralische Entscheidungen regulieren angeblich das Sozialverhalten der Tiere. Es geht Prof. Bekoff vor allem um ein angeborenes Gespür für Fairness und Empathie, teils über Artgrenzen hinweg (z.B. Delfine). Der Primatologe Frans de Waal gibt allerdings zu bedenken: „Ich glaube nicht, dass Tiere im selben Sinne moralisch sind wie Menschen – mit einem hochentwickelten und vernunftbasierten Gespür für richtig und falsch – aber ich glaube, dass menschliche Moralität ein Bündel von psychologischen Neigungen und Fähigkeiten enthält, wie Empathie, Reziprozität (Gegenseitigkeit), ein Verlangen nach Kooperation und Harmonie, die älter sind als unsere Spezies.“
„Die menschliche Moralität hat sich nicht aus dem Nichts entwickelt, sondern erwuchs aus unserer Primatenpsychologie“, sagt de Waal ferner. „Primatenpsychologie hat uralte Wurzeln und ich stimme zu, dass andere Tiere viele der selben Neigungen zeigen und eine intensive Sozialität besitzen.“
4000 Jahre altes Skelett besaß Lepra [22]
In Indien wurde ein 4000 Jahre altes Skelett gefunden, das Anzeichen von Lepra aufzeigt. In den alten Veden von 1550 v. Chr. wird bereits Lepra beschrieben, eine Interpretation, die der Fund bestätigt. Die Armeen von Alexander dem Großen haben wahrscheinlich Lepra aus Indien mit nach Europa gebracht.
Darwinius verändert alles [23]
Der Wissenschaftsautor Ed Yong nimmt die Aufregung um Ida in einer Satire aufs Korn:
„Gestern veränderte sich die gesamte Welt merklich, als die Medien, begleitet von ein paar Wissenschaftlern, einen erstaunlichen, fossilierten Primaten entdeckt haben. Die Kreatur wurde Darwinius Masillae genannt, auch bekannt als Ida, der Link, die Auserwählte und Sie, Die Uns Alle Erlösen Wird. [...] Wir sehen einen großen Anstieg bei der Nachfrage nach Ohnmachts-Sofas, weil gewöhnliche Laien nicht in der Lage sind, mit der totalen Veränderung fertig zu werden, die dieses kleine, seltsam aussehende Affen-Ding mit sich bringt...“
Gegen Appeasement [24]
Jerry Coyne ist immernoch dabei, Wissenschaftler zu kritisieren, die Religion als kompatibel zur Wissenschaft darstellen. Er bietet nun nähere Klassifikationen von Vertretern dieses Appeasement an und stellt fest, dass sie die Wissenschaft aushölen und untergraben.
AM
Links:
[1] http://www.darwin-jahr.de/sites/darwin-jahr.de/files/story/node-273-446.jpg
[2] http://derstandard.at/?url=/?id=1242316976180
[3] http://typo.weltexpress.info/cms/index.php?id=6&tx_ttnews[tt_news]=23491&tx_ttnews[backPid]=385&cHash=73b5dca6e6
[4] http://www.idw-online.de/pages/de/news317608
[5] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-9975-2009-05-28.html
[6] http://www.welt.de/wissenschaft/article3811531/Warum-nutzt-der-Mensch-die-Tierwelt-so-wenig.html
[7] http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3937&cob=416051
[8] http://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/partnerschaft/news/partnerwahl-gegensaetze-ziehen-sich-an_aid_402256.html
[9] http://www.sueddeutsche.de/o5x38C/2903364/Macht-Krabbeln-schlau.html
[10] http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-9954-2009-05-25.html
[11] http://www.dnews.de/netzwelt/44840/aufregung-um-fossil-logo-von-google.html
[12] http://diepresse.com/home/science/481613/index.do?from=gl.home_wissenschaft
[13] http://derstandard.at/?url=/?id=1242316470566
[14] http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/1766773_Schweinegrippe-Keiner-weiss-wie-das-Virus-mutiert.html?sid=66bcd45ed87584a53cf61168e5bf31f8
[15] http://www.ksta.de/html/artikel/1242833470666.shtml
[16] http://hpd.de/node/7068
[17] http://www.morgenweb.de/nachrichten/wissenschaft/20090523_srv0000004244515.html
[18] http://umwelt.scienceticker.info/2009/05/22/guppys-kontern-fressfeinde/
[19] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30382/1.html
[20] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30404/1.html
[21] http://www.telegraph.co.uk/earth/wildlife/5373379/Animals-can-tell-right-from-wrong.html
[22] http://www.nytimes.com/2009/05/27/science/27leprosy.html?_r=2&partner=rss&emc=rss
[23] http://scienceblogs.com/notrocketscience/2009/05/everything_changes.php
[24] http://whyevolutionistrue.wordpress.com/2009/05/28/accommodation-vs-appeasement/