Pan Sapiens | 06.12.2008

Stammt der Mensch vom Affen ab?

Der Mensch hat mit dem Affen einen gemeinsamen Vorfahren. Doch was war dieser Vorfahre? Und was ist der Mensch?

 

Die neue Wissenschaft vom Menschen

Aus heutiger Sicht mag man die Aufregung der Zeitgenossen von Linnaeus belächeln, schließlich hatte er nur ein Ordnungssystem geschaffen, das sich zudem lediglich auf gut abgrenzbare körperliche Merkmale bezog. Höhere geistige Fähigkeiten, beispielsweise die Sprache, hat nur der Mensch, davon war Linnaeus wie fast alle Naturforscher seiner Zeit überzeugt. In vielerlei Hinsicht war sein System also ein noch unsicherer erster Schritt. Zugleich markierte es aber den Beginn einer weltanschaulichen Revolution, deren Konsequenzen erst langsam ins Bewusstsein der Menschen treten. Von nun an waren sie ein Teil der Natur, eine Tierart unter vielen. Die uralte Frage nach der Natur des Menschen konnte nicht nur, nein, sie musste mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden. Philosophen und Theologen verstanden diese Kampfansage sehr wohl: Die Biologie würde von nun an selbst eine Anthropologie sein, eine Lehre vom Menschen.

Und heute? Welche Chancen hätte der Vorschlag, den „Menschen einen Affen zu nennen oder umgekehrt“? Molekulargenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mehr als 98 Prozent ihrer DNA und fast alle Gene mit Schimpansen gemeinsam haben (mit Mäusen beispielsweise sind es rund 80 Prozent). Tierarten mit einem so geringen genetischen Abstand werden normalerweise einer einzigen Gattung zugerechnet. Die Menschen wären dann, wie Jared Diamond vor einigen Jahren anregte, neben Schimpansen und Bonobos die dritte Schimpansenart, Pan sapiens. Linnaeus hätte sich über diese späte Rechtfertigung seiner Ideen durch die modernen Biowissenschaften wohl gefreut.

 

Die Affenabstammung der Menschen

Linnaeus hat die Ähnlichkeit zwischen Menschen und Affen nicht als Folge materieller Verwandtschaft und Evolution gedeutet, sondern er glaubte, dass jede Art getrennt erschaffen worden ist. Einige seiner Zeitgenossen waren da weniger zögerlich, und bald begann man über Menschen als abgewandelte Affen und umgekehrt zu spekulieren. So schrieb Jean-Baptiste de Lamarck in seiner Philosophie Zoologique (1809), der ersten ausgearbeiteten Evolutionstheorie:

„In der Tat, wenn irgend eine Rasse von Vierhändern, besonders die vollkommenste, durch die Verhältnisse oder durch irgend eine andere Ursache gezwungen wurde, die Gewohnheit, auf den Bäumen zu klettern und die Zweige sowohl mit den Füßen als auch mit den Händen zu erfassen [...] aufzugeben, und wenn die Individuen dieser Rasse während einer langen Reihe von Generationen gezwungen waren, ihre Füße nur zum Gehen zu gebrauchen und aufhörten, die Füße ebenso zu brauchen wie die Hände, so ist es [...] nicht zweifelhaft, dass die Vierhänder schließlich zu Zweihändern umgebildet wurden“.

Lamarck schränkt diese Ausführungen insofern ein, als sie nur für die ‘Organisation’ und nur als Gedankenspiel gilt: „Dies [die Abstammung der Menschen von einer Affenart] wären die Reflexionen, die man anstellen könnte, wenn der Mensch [...] sich von den Tieren nur durch die Merkmale seiner Organisation unterscheiden würde und wenn sein Ursprung nicht von dem ihrigen verschieden wäre“.