Evolution | 08.12.2008

Die Darwinsche Revolution

Darwin entschlüsselt das Geheimnis der Geheimnisse


Auf den Schultern von Riesen

Darwins Theorie war nicht der erste Versuch, die Entstehung der biologischen Arten zu erklären, und sie war nicht die erste natürliche Erklärung. Bereits fünfzig Jahre zuvor, im Geburtsjahr Darwins, hatte der französische Naturforscher Jean-Baptiste de Lamarck (1744-1829) eine Evolutionstheorie im Sinne einer allmählichen und unbegrenzten Umgestaltung von Arten vorgelegt (Philosophie Zoologique, 1809). Lamarck hatte auch bereits einen Mechanismus für die Entstehung zweckmäßiger Eigenschaften der Organismen. Er vermutete, dass es zu Anpassungen kommt, wenn Veränderungen der Umwelt neue Bedürfnisse bei den Tieren erwecken und neue Tätigkeiten notwendig machen. Dies wiederum soll die Entstehung neuer Organe anregen oder vorhandene Organe umgestalten. Bei Pflanzen soll es nach Abweichungen in der Ernährung, beim Licht, der Wärme oder Feuchtigkeit direkt zu evolutionärem Wandel kommen. Lamarck zufolge entstehen zweckmäßige Eigenschaften also, weil Organismen anatomisch und physiologisch sinnvoll auf ihre Umwelt reagieren können, sich an diese ‚anpassen’ und die so entstandenen Anpassungen dann erblich werden (Vererbung erworbener Eigenschaften).

Gemeinsamkeiten des Bauplans

Ein anderes zentrales Element der modernen Evolutionstheorie, die gemeinsame Abstammung der Organismen, wurde schon Mitte des 18. Jahrhunderts als Erklärung für die auffälligen Übereinstimmungen im Körperbau vieler Tiere (für den gemeinsamen ‚Bauplan’) diskutiert. So hatte Georges Buffon (1707-1788), einer der berühmtesten Naturforscher des 18. Jahrhunderts, darüber spekuliert, ob die „verborgenen Ähnlichkeiten“ dadurch entstanden seien, dass „alle Tiere von einem einzigen Tier hergekommen seien, das im Laufe der Zeit, durch Vervollkommnung und Entartung, alle Rassen der anderen Tiere hervorgebracht“ habe. Und schließlich gab es seit der Antike Versuche, die Entstehung der Lebewesen auf natürliche Weise durch Urzeugung zu erklären. So glaubte der aus der Schule der Epikureer stammende römische Dichter und Philosoph Lukrez (97-55 v.u.Z.), dass die biologischen Arten „auf ganz natürliche Weise“ entstanden seien, „indem „Urkörper sich von allein und zufällig trafen, vielfältig, blindlings, unnütz, vergeblich zusammen sich ballten, schließlich nach jäher Vereinigung miteinander verwuchsen“. Urzeugungstheorien wurden bis ins 19. Jahrhundert vertreten und erst durch Darwins Evolutionstheorie ersetzt.


Warum Darwin?

Darwins Origin of Species war also nicht der erste Versuch, die Entstehung der Arten auf natürliche Weise zu erklären, aber es war das erste als überzeugend empfundene Modell. Warum war Darwin erfolgreich, während seine weniger glücklichen Vorläufer scheiterten? Wichtige Voraussetzungen waren die Fortschritte der Biologie und der Geologie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber auch der Siegeszug der liberalen Wirtschaftsordnung, der es psychologisch leichter machte, die analoge Wirkungsweise der natürlichen Auslese nachzuvollziehen. Letztlich entscheidend waren aber die innere Konsistenz und der empirische Gehalt seiner Argumente sowie die Überlegenheit der Selektionstheorie gegenüber früheren kausalen Erklärungen.