Evolution | 08.12.2008

Die Darwinsche Revolution

Darwin entschlüsselt das Geheimnis der Geheimnisse


Die ‘Allmacht der Naturzüchtung’

Darwin erklärte nicht nur, warum Organismen (auch) zweckmäßige Eigenschaften haben, sondern konsequent weitergeführt impliziert sein Modell, dass alle ihre Eigenschaften zweckmäßig sein müssten. Diesen Schluss hat Darwin in der Tat gezogen. Er sprach in diesem Zusammenhang von der ‚utilitarian doctrine’; im Deutschen wurde daraus die ‚Nützlichkeitstheorie’. Sie besagt, dass „jede Einzelheit der Struktur für das Wohl ihres Besitzers erzeugt wurde”. Und sie ermöglicht eine neue Sichtweise auf die Organismen und ihre Merkmale: „Folglich kann man von jeder Einzelheit der Struktur in jedem lebenden Geschöpf (außer einigen geringen Zugeständnissen an die direkte Wirkung der physischen Bedingungen) annehmen, dass sie entweder von besonderem Nutzen für einen Vorfahren war oder dass sie jetzt von besonderem Nutzen für die Nachkommen dieser Form ist, entweder direkt oder indirekt durch die komplexen Gesetze des Wachstums“.

Wenn Darwin mit seiner These recht hat, dann muss man davon ausgehen, dass es sich bei jeder beliebigen erblichen Eigenschaft, die man bei einem Menschen, einem anderen Tier, einer Pflanze, einem Bakterium beobachtet, mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Anpassung handelt oder gehandelt hat. Mangelnde Anpassung dagegen ist seltener und erklärungsbedürftig, da ihre Träger nicht oder weniger gut überleben und sich fortpflanzen. Vor allem bei energieaufwändigen und komplexen Merkmalen kann man davon ausgehen, dass es sich um Anpassungen handelt, da sie hohen Einsatz erfordern und von Krankheiten oder Entwicklungsstörungen betroffen sein können. Darwins These, dass alle biologischen Merkmale – jetzt oder in der Vergangenheit, direkt oder indirekt – von Nutzen für ihre Träger sind oder waren, blieb nicht unwidersprochen und führt noch heute zu hitzigen Debatten über die Reichweite des ‚adaptationist programme’ und die ‚Allmacht der Naturzüchtung’ (Weismann 1893).

Bis heute definiert sich die Evolutionsbiologie auch durch den Verweis auf ihren Begründer – Charles Darwin. Und dies trotz teilweise recht weitgehender Veränderungen an seinem ursprünglichem Modell, denn Darwins zentrale These, die er auch im Titel seines Hauptwerkes formulierte, hat überlebt, da nur auf diese Weise die Anpassungen der Organismen an die belebte und unbelebte Umwelt zufriedenstellend erklären werden können: Über die Entstehung (und die Evolution) der Arten durch natürliche Auslese.


© Thomas Junker. Verändert nach „Charles Darwin und die Darwinsche Revolution,“ Praxis der Naturwissenschaften - Biologie in der Schule“ (November 2008).