Religionsforschung | 21.10.2010

Werden Fanatiker die Zivilisation einnehmen?

Seid fruchtbar und vermehret euch (Home Education Foundation)

Religiöse Menschen haben tendenziell mehr Kinder als Atheisten, aber fundamentalistische Parallelgesellschaften wie jene von Pfingstlern, von ultraorthodoxen Juden, die Gemeinden der Amischen und jene von orthodoxen Muslimen bringen obendrein signifikant mehr Nachwuchs hervor als moderate Gläubige.

Wird der Westen fundamentalistisch?

 

Dies mag zunächst wie eine irrationale Befürchtung klingen, aber tatsächlich weist die Datenlage in diese Richtung, auch wenn wir natürlich nie wissen, was die Zukunft bringen wird.

 

Düstere Aussichten

Religiosität und ihr Verhältnis zur Fertilität ist das Spezialgebiet des evangelischen Religionswissenschaftlers Michael Blume. Er kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie der atheistische Soziologe Eric Kaufmann in seinem Buch Shall the Religious Inherit the Earth?. Isolierte religiöse Parallelgesellschaften schlagen alle anderen in ihrem Kinderreichtum.

Auch wenn man sämtliche Gegenmaßnahmen ergreifen würde, die Thilo Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“ (S. 378-90) vorschlägt, wäre das nicht genug. Als positive Beispiele nennt er die USA und Frankreich, aber auch dort haben Fundamentalisten mehr Kinder und auch dort gibt es einen dysgenischen Effekt, der nur nicht so stark ausfällt wie hier. Recht anschaulich wird dieser Sachverhalt in der Filmsatire „Idiocracy“ dargestellt:

Eine neue Analyse von Kevin Flannelly und seinen Kollegen vom Spears Research Institute, New York, wo die Ergebnisse von 30 Jahren General Social Survey ausgewertet wurden, hat unter anderem für die USA gezeigt, dass Menschen mit einem starken religiösen Glauben etwas weniger Kinder haben als jene mit einem weniger starken Glauben. Wohlhabende Menschen gehören unter Ausschluss von anderen Faktoren mit höherer Wahrscheinlichkeit einer Konfession an, allerdings ist ihr Glaube weniger stark. Sie nutzen religiöse Gemeinden offenbar als soziale Umgebung, um dort ihre Kinder aufzuziehen.

Das bedeutet womöglich, dass Fundamentalisten nicht generell mehr Kinder haben als weniger extreme Gläubige, sondern nur jene Fundamentalisten haben mehr Kinder, die in isolierten Gemeinschaften leben. Außerdem gibt es einen Trend in den USA, dass sich konservative Gläubige über die Generationen hinweg in ihren Werten den liberalen Gläubigen annähern, die sich wiederum den Nichtreligiösen annähern, die sich wiederum den Atheisten annähern. Das bedeutet allerdings auch, dass alle von ihnen weniger Kinder haben werden. Nur nicht die Fundamentalisten, die in isolierten Gemeinschaften leben.

In unserer letzten Diskussion schrieb Michael Blume:

„Und diese (Entschuldigung!) Zustimmung betrifft übrigens auch einige Ihrer Befürchtungen – die teile ich nämlich, nach lebhaften Diskussionen mit Eric Kaufmann, durchaus (der übrigens bekennend säkular orientiert ist). Nach seinem Szenario zerfallen säkulare Populationen mangels Kindern, aber auch moderat-religiöse Populationen haben das Problem, dass sie zwar etwas mehr Kinder haben, diese aber – z.B. aufgrund steigender Bildung, Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen, Säkularisierung – seltener in den Traditionen behalten können. Auf Dauer würden demnach tatsächlich fundamentalistische Gemeinschaften obsiegen, die a) kinderreich sind und gelernt haben, diese Kinder b) gegen Dialog, Wissenschaft und Abwanderung abzuschotten. Und Eric beschreibt entsprechende Entwicklungen durchaus beklemmend-überzeugend an Beispielen aus den USA und Israel.“