Kommentar | 08.07.2009

In der Welt geht es mit rechten Dingen zu!

Falsche Götter, bandolino.no

In der aktuellen Ausgabe des „Physik Journal“, die Mitgliederzeitschrift der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, befinden sich zwei Leserbriefe, die sich kritisch auf den Leitartikel In der Welt geht es mit rechten Dingen zu! von dem bekannten Astronomen Harald Lesch aus der Mai-Ausgabe beziehen. Harald Lesch hat selbst auf diese geantwortet, doch möchte ich eine weiterführende Antwort ergänzen.

Zunächst einmal möchte ich den von der Redaktion als „Meinung“ betitelten Leitartikel von Harald Lesch wärmstens empfehlen. Bereits im Untertitel heißt es „Evolution und Naturalismus bilden die Grundlage der Naturwissenschaft“ und in dieser „Meinung“ argumentiert Herr Lesch konsequent für einen, wie er es nennt, „evolutionären Naturalismus“, also einen ergebnisoffenen, sich weiterentwickelnden und stets sich selbst verbessernden Naturalismus. Obwohl Herr Lesch selbstbezeichneter Protestant ist (in diesem Interview erfährt man etwas über sein äußerst nebulöses, deistisch-pietistisch anmutendes Gottesbild), sehe ich in diesem Artikel beim besten Willen überhaupt keine Unterschiede mehr zur Position der AG Evolutionbiologie und der Giordano Bruno Stiftung.

 

Der vergessene Unsinn

Nun betitelt die Redaktion die beiden kritischen Leserbriefe mit „Das vergessene Fundament“. Mit diesem angeblichen Fundament der Naturwissenschaften ist der christliche Gott gemeint. Im ersten Leserbrief schreibt Dr. Alexander Fink „Schon in der Einführung in die Wissenschaftsgeschichte und -theorie lernt man, dass der wissenschaftliche Forschungsprozess und sein Erfolg nicht auf Naturalismus und Evolution reduziert werden können. So scheitert der reduktionistische Naturalismus an der Begründung des zentralen Fundamentes der wissenschaftlichen Forschung, nämlich der dreifachen Kongruenz von menschlichem Denken, mathematischer Logik und physikalischem Naturgeschehen.“ Das ist komplett erfunden, auch wenn es kompliziert klingt. Folgt man Dr. Finks Fußnote, dann sieht man, wie diese Erfindung zustande gekommen ist.

Dr. Fink bezieht sich auf einen Aufsatz von dem Nobelpreisträger Eugene Wigner mit dem Titel „Die unvernünftige Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften“ aus dem Jahre 1960. Die Tatsache, dass dieser Aufsatz mit einem Zitat von Bertrand Russel beginnt, wird den einen oder anderen Leser schon ahnen lassen, wie Herr Finks Auslegungskünste funktionieren. Eugene Wigner macht leider den Fehler, sein Erstaunen und seine Bescheidenheit angesichts der offenen Rätsel des Universums zum Ausdruck zu bringen. Es ist geradezu ein Naturgesetz, dass wissenschaftliche Bescheidenheit von christlichen Apologeten aufgegriffen werden wird, um sie in ein Argument für die Existenz einer Lösung dieser Rätsel außerhalb der Wissenschaften umzudeuten, respektive für die Existenz Gottes.

In Wigners Essay befinden sich Sätze, die geradezu dazu auffordern, von Kreationisten und ähnlich Gesinnten aus dem Kontext gerissen und vereinnahmt zu werden, zum Beispiel: „Es ist schwer zu glauben, dass unsere Verstandesmacht durch Darwins Prozess der natürlichen Selektion zu der Perfektion gebracht wurde, die sie zu besitzen scheint“. Oder nehmen wir diesen Satz: „Es ist keineswegs natürlich, dass ‚Naturgesetze‘ existieren, noch weniger, dass der Mensch in der Lage ist, sie zu entdecken.“ Ein absoluter Traum für christliche Apologeten! Was Wigner damit tatsächlich sagen wollte, interessiert da schon gar nicht mehr.

Wigner argumentiert für nichts anderes als einen ehrlichen Skeptizismus aus der Perspektive des Forschungsstandes seiner Zeit. Er fragt sich zum Beispiel, ob die menschliche Intelligenz ausreicht, um das Universum jemals vollkommen zu verstehen. Nun spricht Wigner sogar von „ultimativer Wahrheit“ und man befürchtet schon, dass er mit einem Wanderprediger aus Nazareth und Betlehem ins Haus fallen wird. Doch jetzt sehen wir uns einmal an, wie Eugene Wigner diese „ultimative Wahrheit“ definiert: „Ein Bild, das eine konsistente Verschmelzung der kleinen Bilder in eine einzige Einheit darstellt und das auf den diversen Aspekten der Natur beruht.“ Mit anderen Worten ist Eugene Wigners „ultimative Wahrheit“ nichts anderes als eine Art naturalistische Weltformel, ein grundlegendes, naturalistisches Prinzip der Naturgesetze. Mit Dr. Finks Wüstengott hat das rein gar nichts zu tun. Und auch der Rest des Essays weist keinerlei Argumente in Richtung eines Teufelsaustreibers aus, der vor 2000 Jahren gerüchteweise im Mittleren Osten sein Unwesen trieb und der mit dem Schöpfer des Universums verwandt sein soll.

Eugene Wigner ließ sich Jahrzehnte später von einem geistigen Vorläufer der Templeton-Stiftung umwerben, nämlich von der „International Conference on the Unity of the Sciences“, bei der die Moonies (Unification Church) saftige Preisgelder verteilten. Wigner interessierte sich aber mehr für die Erforschung des Bewusstseins, als für christliche Dogmen.