Presseschau | 27.03.2010

Der Templeton-Krieg

 

Selektives Bewusstsein

Nur wenige der Informationen, die wir wahrnehmen, werden uns auch bewusst. Eine besonders eindrucksvolle Veranschaulichung dieser Tatsache ist der Farbwechsel-Kartentrick von Richard Wiseman. Sehen Sie sich das Video selbst einmal an. Ich habe gar keine Farbänderungen wahrgenommen, weil ich mich vollständig auf Wiseman konzentrierte (allerdings ist die Video-Qualität auch ziemlich schlecht). Es muss Ihnen also nicht peinlich sein, wenn es Ihnen ebenso ergeht – das ist ganz normal. In der Tat ist es wahrscheinlich, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt, wenn sie alle Farbwechsel wahrgenommen haben.

Es gibt eine Verzögerung von 300 Millisekunden zwischen unserer Wahrnehmung und unserer Bewusstwerdung des Wahrgenommenen. Die Informationen, die uns bewusst werden, aktivieren ein größeres Netzwerk von Nervenzellen, während die unbewussten dies nicht tun.

 

Heiraten macht bequem

Nach Auswertung der Daten von über 17 000 griechischen Frauen und Männern steht fest: Wer heiratet, hat ein zwei (Männer) bis dreimal (Frauen) so hohes Risiko, fettleibig zu werden. Man wird vom Jäger und Verführer zum Sesshaften, wie es bei Telepolis heißt. Die Partner bewegen sich weniger, sitzen öfter gemeinsam vor dem Fernseher und essen mehr. Aber ob das nun schlecht sein muss, ist weniger klar, als die Gesundheitsbehörde meint.

 

Kinder helfen aus der Krise

Nicht Heiraten, sondern Kinder führen Frauen aus sozial benachteiligten Stadtteilen aus der Krise, so das Ergebnis einer Langzeitstudie des Kriminologen Derek A. Kreager. Nach der Geburt ihrer Kinder zeigten die Frauen weniger delinquentes Verhalten und konsumierten weniger Drogen. Allerdings namen an der Studie nur 500 Frauen aus einem armen Stadtteil in Denver teil, darum sind weitere Studien nötig, um das Ergebnis auf Übertragbarkeit zu prüfen.

 

Ist Moral nur ein Bauchgefühl?

Laut einem aktuellen Trend in der Psychologie ist unsere Moral das Ergebnis von Instinkten, während Philosophie nur der wirkungslose Überbau ist, die kulturelle Legitimation. Der Psychologe Paul Bloom widerspricht jedoch. Er weist auf den ethischen Fortschritt hin, etwa in Hinblick auf unsere Behandlung von Minderheiten und Frauen. Dieser Fortschritt war nur möglich durch eine Debatte über Moral. Auch die Erweiterung des ethischen Horizontes soll für die Anhänger der Insinkt-Erklärung lediglich das Ergebnis sein von Kontakten mit anderen Menschen, die durch schnellere Transportmittel zugenommen haben. Aber die Kontakt-Hypothese kann die Ablehnung der Sklaverei, die Emanzipation von Frauen, Tierrechte, die Wertschätzung der Werte der Aufklärung (Toleranz, Menschenrechte, Selbstbestimmung, etc.) nicht erklären.

Paul Bloom weist auf die Bedeutung absichtlicher Überzeugung hin. So hatte der Roman „Onkel Toms Hütte“ einen größeren Einfluss auf die Beendigung der Sklaverei und Peter Singers „Animal Liberation“ rief die moderne Tierrechtsbewegung auf den Plan.

 

Gleichheit ist Glück

Die Anthropologin Kate Pickett und der Wirtschaftshistoriker Richard Wilkinson haben ein neues Buch mit dem Titel „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ veröffentlicht. Darin zeigen sie auf, dass Gesellschaften mit geringeren Einkommensunterschieden in jeder Hinsicht besser sind. Dort gibt es weniger Kriminalität, die Menschen sind gesünder und glücklicher. Das wird den „Neoliberalen“ nicht gefallen. Man weiß auch, dass es in gesünderen Gesellschaften weniger Religion gibt, was vielen weiteren Menschen nicht gefallen wird.

 

Merkwürdiges Loblied

Was Christen in Kirchen singen ist ohnehin komisch genug, aber dieses Video zeigt ein Preislied einer ganz neuen Kategorie der Absurdität. Der Trick: Die Untertitel gehören nicht zum Lied, der starke Eindruck, dies wäre anders, ist eine Illusion.