Darwin for Kids | 19.02.2009

Susi Neunmalklug erklärt die Evolution

 

„Evolutionäres Denken sollte früh eingeübt werden“

hpd: Du meinst, durch die frühe Prägung auf den Schöpfungsmythos werden Kinder daran gehindert, die eigentlichen Mechanismen der Evolution zu begreifen?

Schmidt-Salomon: Ja, so würde ich das sehen. Die Entwicklungstatsache selbst, also den sich über Jahrmilliarden vollziehenden Arten- und Formenwandel, können die meisten gut nachvollziehen. Schwierigkeiten haben sie aber damit, die Mechanismen zu verstehen, die den evolutionären Wandel hervorbringen. Selbst Biologielehrer begreifen häufig nicht, dass Evolution ein völlig sinnblinder, zielloser Prozess ist, dass dieses Auf und Ab der Lebensformen keinem Plan folgt und auch nicht automatisch mit Fortschritt verbunden ist. Die Erfahrungen zeigen, dass evolutionäres Denken schon sehr früh eingeübt werden sollte – und dabei kann Susi Neunmalklug helfen…

Nyncke: Dazu würde ich gerne noch etwas ergänzen: Natürlich sind die allermeisten Kinder klug genug, um irgendwann das Evolutionsprinzip zu begreifen, wenn sie denn gute Lehrer oder andere Bezugspersonen haben, die es ihnen vernünftig beibringen. Aber die frühe Prägung auf den religiösen Mythos wirkt sich trotzdem negativ im Unterbewussten aus, gerade weil sie ja in unseren christlichen Gesellschaftsstrukturen immerzu wiederholt wird: So lernt man nämlich, eigentlich Unvereinbares irgendwie doch nebeneinander zu dulden, ohne weiter darüber nachzudenken, und das halte ich für einen der meist unterschätzten Gefahrenpunkte für einen Fortschritt der Aufklärung in unserer Gesellschaft.

hpd: Michael, du sprachst eben von einem dritten Punkt, den man in Bezug auf Susis Auseinandersetzung mit ihrem schöpfungsgläubigen Lehrer berücksichtigen sollte…

Schmidt-Salomon: Richtig! Unser Lehrer Hempelmann ist ja kein dumpfer christlicher Kreationist, der darauf bestehen würde, dass die Erde 10.000 Jahre alt ist. Nachdem er von Susi vorgeführt wurde, wechselt er geschickt die Perspektive und vertritt statt des biblischen Kreationismus die „Intelligent Design“-Position bzw. die Position einer theistischen, also einer von Gott angeschobenen und gestützten Evolution. Genau das ist nun der eigentliche Clou der Geschichte: Susi zeigt auf, dass die Evolutionstheorie auch mit einer sehr abgespeckten Schöpfungslehre nicht in Einklang zu bringen ist! Ein Gott, der eine solche Natur geschaffen haben soll und dann auch noch meinte, alles sei gut, der müsste, wie Susi sagt, „riesige Tomaten auf den Augen haben“!

hpd: Weil es in der Natur soviel Not und Elend gibt?

Schmidt-Salomon: Ja! Eine unvoreingenommene Betrachtung der Natur führt zu einer weiteren Verschärfung des sog. Theodizee-Problems. Wie kann ein allmächtiger, allwissender, allgütiger Gott für die Erschaffung einer Welt verantwortlich sein, in der es so viel Grauenhaftes gibt? Nicht nur Auschwitz entzaubert die Fiktion eines liebevollen Schöpfergottes, sondern auch der qualvolle Blick eines Zebras, das von einem Löwen gerissen wird…