Mythologie | 02.01.2009

Der sumerische Schöpfungsmythos


Enki, der Star am Götterhimmel

Enki lebt dem Mythos nach im unterirdischen Urgewässer Apsu, der Quelle des Lebens und der fruchtbaren Böden. Die sumerischen Bauern wandten sich stets mit magischen Ritualen (heute bekannt als „Beten“) an ihn, wenn das Wasser knapp wurde.

Enki führt keine Kriege – wahrscheinlich, weil er keine Lust dazu hat. Seine Vorliebe für Bier, Frauen und einen langen Schlaf sind nämlich berüchtigt im ganzen Schwemmland. Dieser Hedonismus wird kurzerhand zur Ursache sämtlicher Probleme erklärt. Wenn es zum Beispiel nicht genügend regnete, dann nur, weil Enki faul im Bett lag und mal wieder nichts mitbekam. Trotz oder aufgrund seiner lässigen Haltung gehört Enki allerdings zu den großen Stars des sumerischen Pantheons und ist der Held einer ganzen Reihe an Mythen.


Alles wie immer

Menschen gibt es am Anfang noch nicht. Trotzdem muss bereits jemand Landwirtschaft betrieben haben („war ja schon immer so“) und wer käme dafür eher in Frage als die Götter? Die Sumerer stellten sich also vor, dass einige Götter zu Urzeiten Körbe mit Wasser herumtrugen, um die Felder zu versorgen, während sich andere Götter als ihre Aufseher betätigten. Die Arbeit ist den Göttern jedoch bald eine Last, also wenden sie sich mit ihren Nöten an Enki, der überhaupt nicht arbeitet, sondern mal wieder den ganzen Tag durchschläft. Endlich weckt ihn seine Mutter Nammu auf und rät ihm, den Göttern eine Hilfe zu erschaffen. Diese Hilfe würde durch Opfergaben aus ihrem Anbau in Zukunft die Götter ernähren.


Die Erschaffung des Menschen

Wie zu erwarten hat er aber keine Lust dazu und überlässt seiner Mutter Nammu diese Aufgabe, allerdings nicht, ohne ihre eine Bauanleitung zu geben. Zusammen mit der Göttin Ninmah formt Nammu den Menschen aus dem Schlamm des Urgewässers Apsu, genau wie der biblische Gott Yahwe den Menschen später aus Lehm kneten sollte. Von nun an würde der Mensch hart arbeiten müssen und die Götter könnten sich endlich ausruhen. Enki wird für diese Idee von den anderen Göttern gefeiert und bei der Party ist er natürlich dabei. Er leert zusammen mit Ninmah ein paar gut gefüllte Bierkrüge und schließlich kommen die beiden in ihrer Trunkenheit auf den Gedanken, einen Wettstreit auszutragen: Eine Gottheit erschafft ein Wesen und die andere bestimmt seine gesellschaftliche Rolle.

Ninmah beginnt und erschafft sechs Menschen, die alle körperliche Behinderungen haben. Enki macht sie zu Dienern des Königs und der Königin. Nun erschafft Enki selbst ein menschliches Wesen, aber es ist stimmlos, kann nicht sitzen, laufen, stehen oder essen. Ninmah ist wütend auf Enki und verbannt ihn in den Apsu, wo er endlich wieder durchschlafen kann.

Bibelkundige werden eine markante Zeile dieser Geschichte wiedererkennen. Bei ihrem Trinkgelage sagt Enki zu Ninmah, er habe ihren Menschen ein Schicksal zugewiesen und „ ich habe ihnen ihr tägliches Brot gegeben.“ Jesus hat sich bei seinem einzig überlieferten Gebet ausgerechnet bei Enki bedient. Wären die Evangelisten ein paar Zeilen weiter runtergerutscht, dann hieße es im „Vater Unser“ statt „Unser tägliches Brot gib uns heute“ etwas anderes: „Heute lasst meinen Penis gepriesen sein!“


Retter aus Faulheit

Enki war bekannt dafür, Probleme möglichst kostengünstig zu lösen. Eines Tages fallen etwa die himmlischen Schicksalstafeln hinunter in sein Urgewässer und er entscheidet sich dazu, sie zu behalten. Das gefällt dem Gott Ninurta, Wächter der Schicksalstafeln, ganz und gar nicht und er greift Enkis Wesir an. Aus Rache erschafft Enki eine riesige Schildkröte und lässt sie gegen Ninurta kämpfen. Da sich der Gott jedoch verteidigen kann, gräbt Enki eine Grube und Ninurta stürzt hinein. Erst auf Bitten von Ninurtas Mutter Ninlil lässt Enki sie wieder frei.

Ein anderes Mal geht es darum, Ninschubur dabei zu helfen, ihre Herrin Innana aus der Unterwelt zu befreien. Die sumerische Unterwelt ist der Vorläufer des griechischen Hades, der alttestamentarischen Totenwelt und der christlichen Hölle. Im Gilgamesh-Mythos ruft Enki den Geist Enkidus herbei und der berichtet vom Land der Toten: Wenn jemand stirbt, der drei Söhne hat, dann bekommt er Wasser zum Trinken. Wenn jemand mit sieben Söhnen stirbt, dann steht er den Göttern nahe. Auch die sumerische Religion belohnte also eine hohe Kinderzahl, ähnlich wie es Juden- und Christentum später auch tun sollten („Seid fruchtbar und vermehret euch“). Diejenigen Sumerer, deren Körper nicht begraben werden, haben allerdings ein Problem: Sie müssen auf ewig rastlos umherziehen – wie der „Ewige Jude“, der in einer christlichen Legende von 1602 erstmals auftaucht.

Was Ninschubur betrifft, so erschafft Enki für sie zwei Wesen zur Unterstützung – und zwar aus dem Schmutz unter seinen Fingernägeln. Ereschkigal, die herrschende Göttin der Unterwelt, hat Innana leider schon getötet. Doch verzaget nicht: Innana steht nach drei Tagen wieder von den Toten auf, wie es sich Jesus später von ihr abschauen sollte. Mit Enkis Wesen gelingt es schließlich, Innana aus der Unterwelt zu befreien. Wieder einmal betätigt sich Enki als Retter in der Not durch angewandten Hedonismus.