Kosmologie | 18.08.2010

Stephen Hawking und Gott

 

Gott als Erhalter der Welt?

Stephen Hawking bei einem Vortrag in Cambridge © Rüdiger Vaas"Die Frage, ob Gott das Universum erschaffen hat, steht in keiner direkten Beziehung zu der Frage, ob das Universum einen Rand hat, auch wenn das viele Menschen glauben. In Wirklichkeit hat das eine wenig mit dem anderen zu tun", widerspricht beispielsweise Hawkings früherer Mitarbeiter Don Page, ein gläubiger Christ, seinem ehemaligen Dissertationsgutachter. Auch George Ellis, der Co-Autor von Hawkings erstem Buch, ist ein gläubiger Christ, ein Quäker, aber er hält sich mit kosmotheologischen Spekulationen sehr zurück.

Und wie Page betrachten viele Theologen Gott sowieso nicht bloß als Schöpfer, sondern auch als Erhalter der Welt. In diesem Sinn hätte er nicht nur den Urknall gezündet oder aus dem Nichts geschaffen ("creatio ex nihilo") oder dem Quantenvakuum, sondern er würde gleichsam die Welt ständig neu schaffen ("creatio continua") beziehungsweise in ihrer Existenz bewahren. Etwa so, als hielte er sie in einer imaginären Hand, weil sie sonst ins Nichts fiele. Dieser Welterhalt könnte zum Beispiel dadurch erfolgen, dass die Naturgesetze gültig bleiben oder dass die materielle Realität in Wirklichkeit nur ein Gedanke (oder Traum?) eines (Gottes?) Bewusstseins ist.

Ein solcher Glaube –­ oder frommer Wunsch –­ kann physikalisch nicht widerlegt, aber sehr wohl philosophisch kritisiert werden. Und eigentlich tut Hawking genau das, indem er argumentiert, dass Gott in der modernen Kosmologie nicht mehr denknotwendig ist.

Das sahen viele Physiker, darunter Isaac Newton, früher durchaus anders. Und noch immer interpretieren manche Kosmologen (etwa Frank Tipler von der Tulane University in New Orleans) und theologisch orientierte Philosophen (beispielsweise William Lane Craig von der Talbot School of Theology im kalifornischen La Mirada) die Urknall-Singularität als eine Erklärungslücke, die gleichsam durch Gott gestopft werden muss.

Ein solcher "Lückenbüßer-Gott" hat zwar selbst bei den meisten Theologen längst abgedankt. Aber wer ihn als Schöpfer und Erhalter der Welt begreift, kann diese letztlich nicht radikal autonom denken. Doch genau das tut Stephen Hawking.