Evolutionäre Psychologie | 01.08.2009

Die revolutionären Konsequenzen der Evolutionstheorie

 

Wer hat Angst vor der evolutionären Psychologie?

Expelled Parodie

Woher kommt die Angst vor der evolutionären Psychologie? Ist es die Befürchtung, dass die Evolutionstheorie das Zusammenleben der Menschen gefährdet, weil sie die traditionelle Moral zerstört und das Recht des Stärkeren postuliert? Wird durch den Nachweis der genetischen Bedingtheit von Verhaltensweisen die persönliche Freiheit eingeschränkt? Angesichts dieser herausfordernden Fragen sucht man nach bequemen Lösungen und verfällt auf einen auch von vielen religiösen Menschen beschrittenen Ausweg. Letztere haben oft Angst vor der Evolution, weil sie vermuten, dass eine natürliche Erklärung der Entstehung der Menschen ihre diesbezüglichen Glaubensüberzeugungen überflüssig macht. Um den Konflikt zu lösen, wird die Idee der Evolution als Irrlehre zurückgewiesen; dies ist der sogenannte Kreationismus.

In analoger Weise verfahren nun viele Geistes- und Kulturwissenschaftler, zahlreiche Journalisten und Philosophen, wenn sie die Anwendung der Erkenntnisse der Evolutionstheorie auf den Menschen als ungesichert und nicht wirklich ernst zu nehmen hinstellen. Es ist bezeichnend, dass diese Art der Evolutionsfeindlichkeit reflexhaft immer genau in dem Moment lautstark geäußert wird, in dem es nicht nur um die Evolution von Tieren und Pflanzen geht, sondern um die Frage, was dies für die Menschen der Gegenwart bedeutet.

Wie wir sahen, wird die emotionale Abwehr der evolutionären Psychologie von zwei Grundannahmen geprägt. Zum einen findet sich eine Entkoppelung der Kultur von der menschlichen Natur bzw. die Konstruktion eines freischwebenden, körperlosen Geistes, zum anderen die Diffamierung biologischer Bedürfnisse (bzw. der menschlichen Natur) als negativ konnotiertes ‚Steinzeitniveau‘. Woher kommen diese Vorstellungen, was sind ihre historischen und psychologischen Wurzeln? An dieser Stelle müssen wenige kurze Hinweise genügen. So postulierte der Philosoph und Naturforscher Rene Descartes im 17. Jahrhundert, dass Menschen (im Gegensatz zu anderen Tieren) aus zwei Substanzen bestehen sollen. Zusätzlich zur „Gliedermaschine“ ihres Körpers sollen sie noch eine unteilbare und unsterbliche Seele aufweisen (Descartes 1641: 22, 75). Wirkmächtiger als die Philosophie Descartes ist aber sicher der traditionelle christliche Seelenglaube. So schrieb Papst Johannes Paul II. in seiner vielgepriesenen Botschaft „Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien“ aus dem Jahr 1996, „dass der „menschliche Körper [...] seinen Ursprung in der belebten Materie [hat], die vor ihm existiert. Die Geistseele hingegen ist unmittelbar von Gott geschaffen“. Eine rein natürliche Erklärung sei „nicht mit der Wahrheit“ vereinbar (Johannes Paul II 1997: 382-83). Reproduzieren die genannten Kritiker der evolutionären Psychologie also im Wesentlichen – unausgesprochen und vielleicht auch unbewußt – das traditionelle christliche Konzept der Seele? Die Ähnlichkeiten sind in der Tat frappierend.