Philosophie | 22.09.2010

Der Menschenwürde-Wahn

 

Andreas Mueller und Norbert Hoerster

 

Recht statt Würde

Was zählt, ist also nicht die Menschenwürde, sondern des Recht auf Leben. Es schützt das Individuum um seiner selbst willen. Es untersagt zum Beispiel das Töten einer Person, um andere zu retten, etwa im Falle unfreiwilliger Organspenden, welche aus utilitaristischer Perspektive sinnvoll seien, aber nicht aus der kontraktualistischen Perspektive Hoersters.

Nun stellt sich die Frage, ob Embryos (hier schließt Hoerster auch Föten ein) ein Recht auf Leben haben. Falls ja, wäre denjenigen Recht zu geben, die im äußersten Fall sogar Abtreibungsärzte töten, da sie in Nothilfe die Ermordung von Embryos verhindern. Hoerster ist nicht der Meinung, dass Embryos ein Recht auf Leben haben.

Das Grundgesetz gibt keine klare Antwort, wann das Recht auf Leben beginnt.

 

Schutz von Interessen

Individuelle Rechte schützen elementare individuelle Interessen. Sie müssen nicht bewusst artikulierbar sein, aber zukünftige Wünsche müssen vorhanden sein. Zum Beispiel mag sich ein Kleinkind nicht darüber im Klaren sein, dass es ein Interesse am Weiterleben hat, jedoch möchte es am Wochenende seine Oma besuchen, was das Weiterleben erfordert. Notwendig für individuelle Rechte sei ein Bewusstsein von der eigenen Identität im Zeitablauf. Laut Hoerster sei dieses Bewusstsein bei Tieren nicht gegeben, selbst bei Menschenaffen gebe es nur Wünsche, die sich auf einen Zeitpunkt von ein paar Stunden in der Zukunft beziehen. Dies heißt nicht, dass Tiere keines Schutzes bedürften, aber dieser Schutz sei geringer zu gewichten als der von Menschen.

Laut Hoerster sollte das Lebensrecht ab Geburt gelten. Vor Geburt existiere kein Überlebensinteresse, außerdem sei der Zeitpunkt pragmatisch gewählt, da intersubjektiv nachvollziehbar. Eine Freigabe der Kindstötung würde Kinder mit Überlebensinteresse laut der historischen Erfahrung gefährden, selbst wenn Kinder erst ab einem Zeitpunkt nach der Geburt ein Überlebensinteresse entwickeln.

Ein Embryo mag also, ähnlich wie Tiere, einen gewissen Schutz verdienen. Man könnte diesen jedoch mit anderen schutzwürdigen Gütern und Werten abwägen, was bei einem vollen Lebensrecht nicht möglich wäre.

In der Philosophie gelten laut Hoerster Stringenz und die Qualität der Argumente. Im öffentlichen Diskurs und in der Politik würden moralische Haltungen im Nachhinein mit Argumenten gerechtfertigt, jedoch seien diese kaum je das Ergebnis von logischem Denken.