Veranstaltungsbericht | 26.06.2010

Menschenaffen wie wir

 

Die konservativen Geisteswissenschaftler?

Sind Geisteswissenschaftler ahnungslos? (Cartoon: xkcd.com)

Volker Sommer ging davon aus, dass sein Vortrag mit Abneigung bei den Geisteswissenschaftlern aufgenommen werden würde, aber dem war nicht so. Einer der Professoren stimmte der Grundaussage, den graduellen Übergängen zwischen Menschen und Tieren und der entsprechenden Erweiterung der Rechte, explizit zu und auch ansonsten schien es kaum grundlegende Probleme damit unter den Zuhörern gegeben zu haben.

Das ist auch kein Wunder, schließlich ist das Thema der Vorlesungsreihe „Liminale Anthropologien“, also die Grenze zwischen Mensch und Tier, und niemand musste erschüttert sein, dass diese Grenze im Verlaufe einer solchen Veranstaltung eher relativiert wird als felsenfest bestätigt. Zudem ist die Meinung von vielen Naturwissenschaftlern, dass Geisteswissenschaftler an solchen Dingen wie der Seele, einer scharfen Grenze zwischen Mensch und Tier und der realen Existenz von Ideen festhielten (Sommer erwähnte, er sei Nominalist), meiner Erfahrung nach eher falsch.

Gewiss werden vorzugsweise die Klischee-Geisteswissenschaftler wie Richard David Precht in Talkshows eingeladen, aber die sind so wenig repräsentativ wie Dr. Emmett Brown aus „Zurück in die Zukunft“ für echte Naturwissenschaftler. Was den Atheismus angeht, den Volker Sommer mehrmals betonte, so sind die Geisteswissenschaften mehreren Studien zufolge der effektivste Atheismusgenerator, den es überhaupt gibt. Gerade das Wissen über die Ideengeschichte und über die unterschiedlichen Vorstellungen, die es gegeben hat und die es in verschiedenen Kulturen noch gibt, verdeutlichen die Relativität der eigenen Position. Dagegen scheinen Naturwissenschaften die Weltanschauung nicht sonderlich zu verändern (vielmehr sind Naturwissenschaftler schon vor Beginn ihres Studiums häufig Atheisten). Sommer hätte nicht davon ausgehen brauchen, dass wir irgendwelchen Aberglauben verteidigen würden.

 morguefile.comEin Student störte sich am „Reduktionismus“, den Sommer vertritt, aber das liegt sehr wahrscheinlich daran, dass wir Geisteswissenschaftler die vage Vorstellung im Kopf haben, wie viele unterschiedliche Dinge es überall gibt, welche man eben nicht „reduzieren“ sollte auf irgendwas zu Einfaches. Das ist jedoch ein Missverständnis und wer sich ernsthaft damit auseinandergesetzt hat, was „Reduktionismus“ tatsächlich bedeutet, der dürfte seine Position diesbezüglich ändern. Allerdings räumte Sommer am Ende ein, dass auch Naturwissenschaftler seiner Erfahrung nach auf ihre Weise naiv seien, nämlich rein positivistisch vorgehen, und sich nicht genügend mit Philosophie befassen.

Immerhin stieß das Thema auf Interesse und die Studenten waren ermuntert, sich näher damit zu befassen. Das „Children of Evolution“-Video der Giordano Bruno Stiftung, das Sommer am Ende des Vortrags zeigte, kam gut an und Sommers Bücher wurden zahlreich gekauft.