Forschung | 13.07.2010

Der Kinderwahn

 

Geht es auch differenzierter?

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich diese Erkenntnis mit den unglücklichen Eltern nur auf westliche Gesellschaften mit Ausnahme der skandinavischen Länder (aufgrund ihrer umfassenden staatlichen Kinderfürsorge) und auf unsere Zeit bezieht. Anderswo und zu anderen Zeiten haben Kinder unter Umständen glücklicher gemacht.

Allerdings liegt dies mitunter daran, dass Kinder früher als Arbeitskräfte eingesetzt wurden und natürlich waren die Eltern glücklicher, dass ihnen jemand bei der Arbeit hilft, anstatt ihnen zusätzlich Arbeit zu machen und sie mehrere Millionen Euro zu kosten. Die Kinder, versteht sich, waren damals weniger glücklich. Aber hier im Westen, wo die Menschen Freiheit, Selbstverwirklichung und Hedonismus zu schätzen gelernt haben, sind Kinder eben häufiger eine Belastung.

In den skandinavischen Ländern ist die Aufzucht von Kindern dagegen viel einfacher und stressfreier als hier oder in den USA, weil sich dort der Staat um alles kümmert und die Eltern sich beinahe keine Sorgen mehr um die Zukunft ihres Nachwuchses machen müssen. Kinder kosten in den skandinavischen Ländern weniger als hier und die Eltern haben mehr Freizeit, darunter, wie in Dänemark, ein ganzes Jahr (!) bezahlten Urlaub nach der Geburt eines Kindes. Diese Bedingungen sind aber einfach unnormal. In der Regel ist die Kinderaufzucht viel schwieriger.

Wenn sich trotzdem jemand Kinder wünscht, werden keine bösen Wissenschaftler in sein Haus einbrechen und ihm die Fortpflanzung untersagen. Unsere Aufgabe besteht darin, die Fakten beim Namen zu nennen. Was Sie damit machen, ist Ihr Problem.

Zudem ist die Kinderfrage stets individuell und statistische Durchschnittswerte sagen nicht unbedingt etwas über die konkrete, individuelle Situation von willigen Eltern aus – wobei man sie trotzdem nicht ignorieren sollte, denn meistens liegen die eigenen Lebensumstände und die eigene Einstellung nahe am Durchschnitt oder sind zumindest vergleichbar mit derjenigen der überprüften Bevölkerungsteile.

Ein wichtiger Faktor neben dem Aufwand und den Ausgaben für Kinder, der zur Unglücklichkeit der Eltern beiträgt, ist die gesellschaftliche Erwartungshaltung, übermäßig viel Zeit mit den Kindern verbringen zu müssen und sie auf eine Weise zu fördern, als müssten sie alle zu Mozarts und Einsteins werden. Diese Einstellung verschärft sich immerzu. Obendrein befassen sich moderne Eltern stark mit der Psychologie der Kinderaufzucht und machen sich große Sorgen, sie könnten etwas dabei falsch machen (was leider auch durchaus möglich ist, allerdings richtet der unnötige Stress eher noch mehr Schaden an).

Natürlich können Kinder glücklich machen und wer glücklich mit ihnen ist, dem seien offizielle Glückwünsche unsererseits ausgesprochen. Und wer auf den Kindermythos zu seinem eigenen Leidwesen hereingefallen ist: Unser tief empfundenes Beileid!