Astrophysik | 18.02.2009

Kein Wunder, dass wir existieren

 

Sonderfall Erde?

Unser Sonnensystem und damit auch die Erde entstanden vor ungefähr 5 Milliarden Jahren durch die Zusammenballung von interstellarem Gas und Staub. Für die Entstehung des Lebens auf der Erde war eine ganze Reihe von einschränkenden Voraussetzungen zu erfüllen. Zuerst musste unsere Sonne die richtige Größenordnung der Masse haben. Massereichere Sterne haben erheblich kürzere Lebenserwartungen. Die verfügbare Zeitspanne für die Entwicklung von intelligentem Leben wäre in ihrer Umgebung dann zu kurz. Auf der anderen Seite darf die Masse eine gewisse Größe nicht unterschreiten, um im Innern noch genügend Druck und Temperatur zur Zündung der Kernfusion zu erreichen. In der richtigen Größenordnung liegt aber ein recht hoher Prozentsatz der Sterne, so dass diese Voraussetzung unkritisch ist.

Sehr viel kritischer ist dagegen der Gesamtaufbau des Planetensystems. So spielen in unserem Planetensystem die Masse und die Bahn des Planeten Jupiter eine wichtige Rolle. Da seine Bahn einen größeren Abstand von der Sonne hat als die Erde, ist er aufgrund seiner relativ großen Masse in der Lage, wie ein Staubsauger, Kometen und andere größere Bruchstücke einzufangen und so die Erde davor zu schützen. Erste Entdeckungen und Messungen anderer Planetensysteme haben gezeigt, dass eine solche Anordnung eher selten ist.

Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Abstand der Erde zur Sonne. Die Oberflächentemperatur stellt sich aus dem Gleichgewicht zwischen der von der Sonne zugestrahlten Energie und der von der Erde an den Weltraum abgestrahlten Energie ein. Ein geringerer Abstand würde zu hohe Oberflächentemperaturen zur Folge haben, so dass der größte Teil des Wassers in Form von Dampf vorliegen würde. Andererseits würde ein größerer Abstand das Wasser zu Eis gefrieren lassen. Aber gerade das Wasser war zur Entwicklung des Lebens von entscheidender Bedeutung. Insgesamt liegt der brauchbare Abstandsbereich zur Sonne innerhalb einer Schwankungsbreite von 5 bis 10%. Bei Sternen mit einer wesentlich geringeren Masse als der Sonne, liegt dieser Abstandsbereich näher am Zentralgestirn, wegen der geringeren Leuchtkraft. Ein geringerer Abstand führt aber zu einer stärkeren Abbremsung der Eigenrotation der Planeten, soweit die Rotationsachse in etwa senkrecht zur Bahnebene steht. Das führt dann langfristig zu einer synchronen Rotation des Planeten. Das heißt, es wird dann immer die gleiche Hälfte des Planeten beleuchtet, was zu extrem lebensfeindlichen Temperaturen führt. Genauso ungünstig ist generell eine Lage der Rotationsachse in der Bahnebene, weil dann während einer Umdrehung überwiegend das gleiche Gebiet vom Zentralgestirn beleuchtet wird. 

Zur Lagestabilisierung der Erdachse trägt unser Mond ganz erheblich bei. Andernfalls hätte sich vermutlich in der Vergangenheit die Lage der Erdachse stark verändert, was wiederum zu extremen Temperaturverhältnissen und eventuell zur Auslöschung des Lebens geführt hätte. Planeten, die von einem Trabanten umkreist werden, der die Größe unseres Mondes hat, dürften aber extrem selten sein, denn nach der allgemein anerkannten Theorie entstand unser Mond durch eine Kollision der Erde mit einem Planetoiden von der Größe des Mars. Eine solche Kollision hat eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit.

Weiterhin ist die Masse der Erde ein wichtiger Faktor. Eine zu geringe Masse führt dazu, dass Teile der Atmosphärengase in den Weltraum entweichen. So besitzt zum Beispiel unser Mond aufgrund seiner geringen Masse überhaupt keine Atmosphäre. Eine zu große Masse würde andererseits zu einer ungünstigen Zusammensetzung der Atmosphäre führen. So wären dann größere Anteile von Wasserstoff und Wasserstoffverbindungen die Folge. Außerdem wäre eine mit der größeren Masse verbundene größere Anziehungskraft ungünstig für die Entwicklung höherer Lebensformen.

Zur Abschirmung der lebensfeindlichen Partikelstrahlung aus dem Weltraum und vor allem von der Sonne, ist ein Magnetfeld erforderlich. Dies wiederum erfordert einen flüssigen Metallkern. Bei der Erde wird die Aufrechterhaltung der hohen Temperaturen im Erdinneren durch den Zerfall radioaktiver Elemente gewährleistet. Bei der Entwicklung einer für das Leben optimalen Atmosphäre hat nach neueren Erkenntnissen die Plattentektonik der Erdkruste eine wichtige Rolle gespielt. Diese funktioniert wiederum nur in Zusammenhang mit einem bestimmten Aufbau des Erdinnern und der dadurch bedingten Temperaturverteilung. Die Plattentektonik ist wichtig für das Recycling von Kohlendioxid. Während der Verwitterung nimmt das Gestein Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Beim Übereinanderschieben der Plattenränder taucht das Gestein in den flüssigen Erdmantel ein und wird aufgeschmolzen. Dabei wird das Kohlendioxid wieder freigesetzt und über Vulkane an die Atmosphäre zurückgegeben.

Die Entwicklung der Erdatmosphäre war wahrscheinlich ebenfalls ein sehr kritischer Vorgang. Die erste Uratmosphäre bestand überwiegend aus Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Stickstoff. Zu diesem Zeitpunkt lag die Temperatur auf der Erdoberfläche noch bei 1500 Grad Celsius, kühlte sich aber langsam ab. Im Anfangsstadium der Sterne vom Typ der Sonne durchlaufen sie eine kurze Phase, in der große Gasmengen abgestoßen werden. Vermutlich ist hierdurch die Uratmosphäre der Erde teilweise weggeblasen worden. Sie wurde aber wieder durch Gase ersetzt, die aus Vulkanen ausgestoßen wurden. Es bildete sich so eine zweite Uratmosphäre, die aus Kohlendioxid, Wasserstoff, Methan, Ammoniak und geringen Mengen an Edelgasen bestand. Der hohe Anteil an Kohlendioxid erzeugte über den Treibhauseffekt Durchschnittstemperaturen um 40° Celsius auf der Erdoberfläche, so dass das Wasser zu einem erheblichen Teil in Form von Dampf vorlag, der erst in höheren Atmosphärenschichten zu Wolken kondensierte. Das wiederum führte zu einer ständig geschlossenen Wolkendecke. In den ersten 2 Milliarden Jahren nach Entstehung der Erde wurde das Kohlendioxid langsam durch die Bildung von Silikatverbindungen an der Oberfläche abgebaut.

In den obersten Atmosphärenschichten wurden Wassermoleküle durch Photolyse in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Während der Wasserstoff aufgrund seines geringen Atomgewichts weitgehend in den Weltraum entwich, wurde der Sauerstoff teilweise an das in den Gesteinen vorkommende Eisen gebunden. Ein weiterer Anteil des Sauerstoffs reagierte mit dem Methan und dem Ammoniak in der Atmosphäre und erzeugte damit Wasserdampf und Stickstoff. Vor etwa 2 Milliarden Jahren war der Kohlendioxidanteil unter 5% gesunken, so dass der Treibhauseffekt nachließ. Durch die sinkende Oberflächentemperatur regneten die Wolken langsam ab. Da die Sonne zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Strahlungsintensität erreicht hatte, sank die Durchschnittstemperatur auf unter 10° Celsius. Die Eiskappen an den Polen wuchsen und es fehlten nur wenige Grad um die gesamten Meere zu Eis erstarren zu lassen. Durch das hohe Reflexionsvermögen von Schnee und Eis hätte sich dann die Oberflächentemperatur noch weiter abgesenkt und die Erde wäre zu einer Eiswüste geworden. Wahrscheinlich war dies einer der kritischsten Punkte in der Evolution. Bereits eine um ein Prozent größere Entfernung der Erde zur Sonne hätte ausgereicht, um dieses Umkippen des Klimas herbeizuführen.

Bei dieser Vielzahl von Zufällen mit zum Teil recht geringer Wahrscheinlichkeit, erscheint vielen die Entstehung des Menschen auf unserem Planeten als ein Wunder. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass wir bisher nur diesen einen Planeten mit intelligentem Leben kennen und aus einem einzigen Ereignis kann man grundsätzlich keine statistische Aussage über dessen Wahrscheinlichkeit machen. Man kann bestenfalls die Wahrscheinlichkeiten einzelner Faktoren, die zur Entwicklung des Lebens Voraussetzung sind, genauer bestimmen. Auf der anderen Seite gibt es womöglich eine Vielzahl von erdähnlichen Planeten in unserem Universum, so dass damit die geringe Gesamtwahrscheinlichkeit für die Entstehung von Lebensbedingungen wieder kompensiert wird. Sollte das Universum gar unendlich groß sein, so müsste intelligentes Leben bei noch so geringer Wahrscheinlichkeit zwangsläufig irgendwo entstehen. John D. Barrow und Frank Tipler haben mit diesen Argumenten das schwache anthropische Prinzip folgendermaßen formuliert:

Die beobachtbaren Werte aller physikalischen und kosmologischen Größen sind nicht gleich wahrscheinlich, aber sie nehmen Werte an, die beschränkt sind durch die Erfordernisse für die Existenz von Orten, an denen sich kohlenstoffbasiertes Leben entwickeln kann, und durch die Erfordernis, dass das Universum alt genug sein muss, dass dieser Vorgang bereits eingetreten ist.

Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Faktoren ist Gegenstand intensiver naturwissenschaftlicher Forschung, insofern kann das schwache anthropische Prinzip als eine überprüfbare wissenschaftliche Hypothese angesehen werden. Insbesondere die Erforschung anderer Planetensysteme wird uns schon in der nahen Zukunft in die Lage versetzen, die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von intelligentem Leben im Kosmos genauer zu bestimmen und damit auch genauere Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Existenz außerirdischer Lebewesen zu machen. So konnten bereits eine ganze Reihe größerer Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zweifelsfrei nachgewiesen werden. Planeten von der eher geringen Größe der Erde sind allerdings nur sehr schwer zu entdecken. Dazu müssen neue, noch größere Teleskope gebaut werden.