Wissenschaft und Religion | 17.03.2009

Der halbierte Darwin

 

Die scheinbare Abgrenzung vom Kreationismus

Insofern lässt sich sagen, dass die Kirche sich bestenfalls mit einem „halbierten Darwin“ angefreundet hat. Mehr wird man von ihr allerdings auch nicht erwarten können, da eine vollständige Akzeptanz der Evolutionstheorie das tradierte Glaubenssystem unweigerlich zum Einsturz bringen würde. Denn die christliche Theologie ist notwendigerweise an den Glauben an einen Schöpfergott verknüpft, der mit seiner Schöpfung einen besonderen „Heilsplan“ verfolgt, was mit einem sinnblinden evolutionären Prozess, bei dem durch Zufall und Notwendigkeit Arten entstehen und untergehen, prinzipiell nicht in Einklang zu bringen ist.

Wenn die Kirche sich also vom „Kreationismus“ abgrenzt, so kann damit nur jener engstirnige biblische Kreationismus gemeint sein, der entgegen aller empirischen Belege die Tatsache des Jahrmillionen währenden Entwicklungsprozesses leugnet. „Kreationistisch“ im Sinne von „schöpfungsgläubig“ muss die Kirche jedoch weiterhin argumentieren, schließlich ist der christliche Glaube, die Lehre von „Erbsünde“ und „Erlösung“, nur unter der Voraussetzung möglich, dass Gott mit seiner Schöpfung Ziele verfolgt! Theologen kommen also gar nicht umhin, auf die Fiktion eines göttlichen Designers, eines hinter den Dingen wirkenden Lenkers und Planers der Evolution, zurückzugreifen, wenn ihr Glaube mehr sein soll als eine inhaltsleere Ansammlung fromm klingender Phrasen.

 

Allwissender Schöpfergott – aber kein Intelligent-Design

Insofern ist die Abgrenzung des christlichen Konzepts einer theistischen Evolution vom „Intelligent Design“-Ansatz äußerst schwierig, was nicht nur Kardinal Schönborn dereinst in arge Verlegenheit brachte. Im Grunde unterscheiden sich die beiden Konzepte nämlich nur in der jeweils gewählten Kommunikationsstrategie! Während Intelligent-Design-Theoretiker danach streben, mit ihren religiösen Vorstellungen in die wissenschaftliche Forschung hineinzuwirken, setzen Vatikan-Theoretiker auf eine strikte Trennung von Wissenschaft und Glauben!

Wissenschaftliches Denken und religiöser Glauben sollen nach Auffassung führender katholischer (aber auch evangelischer) Theologen als zwei Seiten einer Medaille begriffen werden, d.h. als kompatible „Wahrheitssysteme“ mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen, wobei die eine damit betraut ist, die Welt zu erklären, und die andere, den Menschen Orientierung zu geben. Was Mittelstraß in seinem Interview bekundete, deckt sich insofern völlig mit der Position des Vatikans.

 

Der Trick des Kompatibilismus

Nun kann eine solche Arbeitsteilung allerdings nur unter der Voraussetzung funktionieren, dass die Kompatibilität von religiösen Orientierungsangeboten und wissenschaftlichen Erklärungsmodellen nicht in Zweifel gezogen wird. Also versuchen Kompatibilisten schon seit längerem, jegliche Infragestellung des Kompatibilismus als „unzulässige Grenzüberschreitung“ zu diffamieren. Eine Strategie, die medial überaus erfolgreich war: Mittlerweile wird jeder, der gegen das stillschweigende, religiös-wissenschaftliche „Nichtangriffsabkommen“ verstößt, als „Störenfried“ empfunden. Deshalb machen sich in den Augen der meisten Journalisten nicht nur Intelligent-Design-Vertreter schuldig, „in fremdem Gebieten zu wildern“, sondern auch alle Verfechter der Evolutionstheorie, die sich mit einem „halbierten Darwin“ nicht abfinden möchten.

Hat man dies im Blick, so wundert man sich nicht darüber, dass auf dem päpstlichen Evolutionskongress in Rom ebenso fleißig gegen „Kreationisten“ wie gegen weltanschaulich angeblich „anmaßende“ Evolutionsbiologen geschossen wurde (siehe hierzu den Bericht von Ulf von Rauchhaupt im FAZ-Blog). So warnte etwa der Zeithistoriker Ronald Numbers von der University of Wisconsin die Evolutionstheoretiker davor, „die Früchte ihres methodischen Naturalismus als Hinweise oder gar Belege für einen metaphysischen Naturalismus zu verkaufen“: „Leute wie Richard Dawkins oder Daniel Dennett sollten endlich mal still sein".