Mythologie | 16.01.2009

Der babylonische Schöpfungsmythos


Das frohe Leben in Babylon

Sie sind beinahe gleichberechtigt mit der einheimischen Bevölkerung und sie dürfen sich sogar Sklaven halten. Man sollte aus diesem Grund besser aufhören, von der „Gefangenschaft“ in Babylon zu sprechen, denn Gefangene dürfen sich gewiss keine Sklaven halten. Nicht nur das: Die Israeliten können ihre kulturelle und religiöse Identität bewahren und sie dürfen ihre Kolonien selbst verwalten. Sie haben keinerlei Fronarbeit zu leisten und sind in Babylon freier, als sie es unter ihrem aufgezwungenen „Einen Gott“ je gewesen sind. Die „Gefangenschaft“ in Babylon ist die größte Blütezeit der jüdischen Theologie. Ohne die Fixierung auf den Tempel und seinen einsamen Bewohner stellen sich die Menschen religiöse Fragen und in dieser Situation entstehen die ersten Synagogen. Mitten in Babylon.

Die Israeliten werden also von der benachbarten Hochkultur Babylons freundlich aufgenommen. Und das, obwohl sie gerade einen Krieg gegen sie verloren haben. Diesbezüglich existieren Spielregeln: Wird zu jener Zeit ein Volk besiegt, gibt es stets seine Götter auf und verehrt stattdessen die überlegenen Gottheiten der Siegermacht. Die meisten Israeliten tun das auch. Ohnehin verehren sie bereits vor der Zerstörung des ersten Tempels einen weiteren Gott neben Jahwe, nämlich seine Ehefrau, eine Muttergöttin.

Es gibt nur wenige Kulturen, die keine Muttergöttin verehren. Zum Beispiel ist der Gott der römischen Katholiken theoretisch ein einziger Gott. Allerdings besteht er aus drei Teilen, Gott Vater, Gott Sohn und der heilige Geist. Neben diesen drei Teilen gibt es noch weitere Götter oder Halbgötter im Katholizismus, die Heiligen und die Nachfolgerin von Jahwes Ehefrau: Die Jungfrau Maria.

Im Prinzip ist nun alles in Butter für die Israeliten. Ihr Tempel ist zerstört und mit ihm die Macht der Priesterklasse und sie sind nun assimiliert in eine Hochkultur, die sie ohnehin schon neidisch beäugt haben. Angesichts der Tatsache, dass auch die Babylonier Semiten sind, gibt es keine großen Unterschiede zwischen Israeliten und Babyloniern, die Konflikte auslösen könnten. Man muss also welche erfinden.

 

Die Rache der frustrierten Priesterklasse

Diese Aufgabe übernehmen die großen Verlierer des Krieges: Die israelitischen Priester oder zumindest jene von ihnen, die nicht bereit sind, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Sie sind so besessen von Jahwe, dass sie es nicht ertragen können, mit ihm als ihren Gott den Krieg verloren zu haben. Es muss dafür eine Erklärung geben! Und die ist schnell gefunden: Ihr Volk hat nämlich Götzen verehrt! Sie haben sich nicht an die Gebote Jahwes (ihre eigenen) gehalten! Mit anderen Worten: Die Israeliten haben den Krieg gegen die Babylonier angeblich nur verlieren können, weil sie nicht fanatisch genug gewesen sind. Genau diese Erklärung verbreitet die Priesterklasse nun mit Hilfe von so genannten „Propheten“. Das sind Menschen, die angeblich mit Gott gesprochen haben und eine Mission für ihn ausführen. Propheten und Priester versprechen den Israeliten den Himmel auf Erden als Gegenleistung für ihren erneuten Gehorsam, während sie kulturelle und religiöse Reinheit propagieren und gegen die fremden Einflüsse durch die Babylonier hetzen.

Eben diese Priester stellen im babylonischen Exil den Pentateuch zusammen, die ersten fünf Bücher der Bibel, Juden bekannt als Tora. Und sieht man sich die hasserfüllten Vernichtungsgeschichten (z.B. Sodom und Gomorrha) darin an und die grausamen Gesetze wie die Steinigung ungehorsamer Kinder, die Gutheißung von Sklavenhaltung und Krieg gegen Andersgläubige, der Aufruf zur Aneignung der Frauen und Mädchen besiegter Völker, so wird deutlich, welche Geisteshaltung dahinter steckt und nun wissen wir auch, woher sie kommt. Es sollte sich als verhängnisvoll erweisen, dass ausgerechnet eine intolerante, herrschsüchtige Minderheit der Israeliten die wichtigsten Bücher des Alten Testaments verfasst hat.


Ausblick

In zwei Wochen befassen wir uns mit den ägyptischen Schöpfungsmythen. Darin taucht erstmals Jesus Christus auf. In Ägypten hört er allerdings noch auf den Namen „Horus“.
 

AM