Presseschau | 30.01.2010

Altruisten, Avatar und Hitlers Anzug

 

Tausche Lebensjahre gegen kurzes Glück

Die Hälfte aller Top-Athleten würde eine Droge nehmen, die ihnen eine Goldmedaille garantiert, auch wenn sie sie in fünf Jahren töten würde. Auch „normale“ Menschen gehen unverhältnismäßig hohe Risiken ein, vom Rauchen über Alkohol bis hin zu Motorradfahren und Ski ist die Gefahrenquote sehr hoch. Das Problem besteht darin, dass wir sicheres Glück gegen potenzielle Gefahr abwägen und davon ausgehen, dass wir von der mit hoher Sicherheit drohenden Gefahr verschont bleiben werden.

 

Sind echte Altruisten umgekehrte Psychopathen?

Echte Altruisten sind Menschen, die sich zu ihrem eigenen Schaden für andere einsetzen. Im Extremfall opfern sie ihr Leben für Fremde auf, wie es Passagiere der Titanic und Feuerwehrmänner bei dem Anschlägen vom 11.9. getan haben. Im Gegensatz zu den Familien von islamistischen Märtyrern bekamen ihre Familien dafür keine Entschädigungen und wenn doch, konnten die Altruisten nicht mit diesen rechnen. Echte Altruisten nennen wir gemeinhin „Helden“.

Die Psychologin Andreas Kuszewski weist darauf hin, dass echte Altruisten gewisse Charaktereigenschaften mit Psychopathen teilen: Sie neigen dazu, die Regeln zu brechen, zu Impulsivität und sie verspüren ein Verlangen nach Neuem. Entscheidend sind aber die Unterschiede: Psychopathen verspüren kein Mitgefühl und brechen Regeln, um sich an anderen Menschen zu bereichern. Im Extremfall begehen sie zu ihrem eigenen Schaden Verbrechen – Saddam Hussein ist dafür ein gutes Beispiel. Altruisten dagegen brechen Regeln, wenn es nötig ist, um anderen Menschen zu helfen. Zum Beispiel verweigerten einige Feuerwehrmänner den Befehl, das brennende WTC zu verlassen und suchten weiter nach Überlebenden, wofür sie mit ihrem Tod bezahlen mussten. Sie helfen also zu ihrem eigenen Schaden anderen Menschen.

In der Soziobiologie ist es ein wenig umstritten, ob es tatsächlich echte Psychopathen (die zu ihrem eigenen Schaden Verbrechen begehen) und echte Altruisten (die zu ihrem eigenen Schaden fremden Menschen helfen) gibt. Richard Dawkins bezweifelt das nicht und erklärt den Altruismus mit einer „Fehlzündung“ egoistischer Gene: Als wir noch in Kleingruppen lebten, hätten wir mit altruistischen Taten unseren genetischen Verwandten geholfen. Seit kurzem leben wir in großen Metropolen, wo wir Fremden helfen, weil unsere Biologie (noch?) nicht auf dieses Leben eingestellt ist.

Der Psychologe Rolf Degen hat mir zum Thema folgendes geschrieben: „Selbst wenn wir nur "gut" handeln würden, weil uns das "gut" fühlen lässt, wäre das schon echter Altruismus: Es würde nämlich bedeuten, dass die Evolution unser Nervensystem so eingerichtet hat, dass wir Glückszustände empfinden, wenn wir ANDEREN etwas Gutes tun, ohne einen persönlichen materiellen Nutzen daraus zu schöpfen - etwas, was es nach der Theorie [laut der wir alles aus egoistischen Motivationen tun] gar nicht geben dürfte.“

In gewisser Hinsicht sind Altruisten wohl das Spiegelbild von Psychopathen. Wenn jemand nach realweltlichen Entsprechungen der metaphysischen Konzepte von Gut und Böse sucht, wird er sie hier am ehesten finden.